Eine der trostreichen Folgerungen, die sich aus dem wissenschaftlichen Christentum ergeben, ist die, daß die Tiere, wie ihre menschlichen Oberen, an den Segnungen des Himmels teilnehmen können. Solange jedoch die Auffassung herrscht, als ob der Himmel ein Ort sei, wohin gute Menschen nach dem Tode befördert werden, scheint es höchst fraglich, ob die Tiere auch in diesen Himmel kommen werden. Wird aber das Himmelreich als eine gegenwärtige Atmosphäre der Harmonie erkannt, so ist ersichtlich, daß auch die Tiere von seinen Segnungen umgeben sein können. Liebe zu den Tieren bedeutet mehr als an der Oberfläche erscheint. Wenn sie einem einzelnen Menschen oder einem Volk eigen ist, so läßt dies Freiheit und Liebe zu Gott erkennen. Grausamkeit gegen die Tiere hingegen findet sich bei denen, die Sklaven andrer Menschen sind. In Ländern, wo Unterdrückung herrscht, geht es den Tieren schlecht; wo aber die Freiheit ihre Heimstätte hat, werden sie gut behandelt. Der Vorgang ist ungefähr wie folgt: Das autokratische Staatsoberhaupt herrscht tyrannisch über die Klasse unter ihm, diese Klasse wiederum über die unter ihr, usw., bis auf die niedrigste Klasse, die dann die stummen Tiere tyrannisiert. Je gewissenloser die Unterdrückung seitens des Staatsoberhauptes ist, desto schlimmer ergeht es den hilflosen Tieren. Die Freien hingegen sind von jeher gut gegen die Tiere gewesen, denn sie haben keine Ursache, an irgendwelchen vermeintlich tieferstehenden Wesen Rache zu üben.
Diese Frage von der Behandlung der Tiere dringt tief in die Psychologie der Völker ein und steht letzten Endes in engem Zusammenhang mit deren Auffassung von der ersten Ursache, von Gott. Schlechte Regierungen sind das Resultat schlechter Vorstellungen in bezug auf Gott, und solche Vorstellungen haben einen schädlichen Einfluß auf die Gesundheit und Glückseligkeit der Tiere sowohl wie der Menschen. Die Liebe zu den Tieren, wo man sie auch finden mag, ist daher stets ein Zeichen einer natürlichen, wenn auch nicht immer deutlich zum Ausdruck kommenden Liebe zu Gott. Auf die Frage: „Haben die Tiere ein Gemüt?“ (Miscellaneous Writings, S. 36) gibt Mrs. Eddy folgende ausführliche Antwort: „Die Tiere haben ebenso wie die Menschen ihren Ursprung im Gemüt und drücken dasselbe aus; aber sie bringen weniger Gemüt zum Ausdruck. Die erste und einzige Ursache ist das ewige Gemüt, das Gott ist, und es gibt nur einen Gott. Das wilde Gemüt, das wir bei den Tieren sehen, ist das sterbliche Gemüt, das schädlich ist und nicht von Gott stammt; denn Sein Tier ist der Löwe, der sich bei dem Lamm niederlegt. Begierden, Leidenschaften, Zorn, Rache, Arglist sind die tierischen Eigenschaften der sündigen Sterblichen; und die Tiere, die diese Triebe haben, bekunden die niedrigeren Eigenschaften des sogenannten tierischen Menschen, mit andern Worten, das Wesen und die Beschaffenheit des sterblichen Gemüts, nicht des unsterblichen Gemüts.“
Eine praktische Folgerung dieser Antwort ist daher, daß die in der Christlichen Wissenschaft unterwiesenen menschlichen Wesen die unter ihnen stehenden Tiere vor dem „wilden Gemüt“ und seinen schlimmen Folgen beschützen können, und die Erfahrung zahlreicher Christlicher Wissenschafter bestätigt diese Tatsache. Man hat beobachtet, daß während eines Kämpfes zwischen Völkern, wo stets viel Haß zum Ausdruck kommt, die Haustiere leicht an geheimnisvollen Übeln erkranken, die wie Seuchen über sie ergehen. Es wird im allgemeinen angenommen, daß diese Krankheiten allein auf physische Ursachen zurückzuführen seien; aber die Wissenschaft legt das geheime Verfahren bloß, nach welchem die losgelassenen tierischen Eigenschaften die Harmonie der Tiere sowohl wie der Menschen zu vernichten suchen, und sie gibt uns das Gegenmittel, nämlich das geistige Verständnis der Wirklichkeit des Seins.
Das Kind, das ein Haustier mit Zärtlichkeit behandelt, braucht somit nicht getadelt zu werden, weil es vermeintlich seine Liebe an etwas verschwendet, was vom Himmel ausgeschlossen ist. In dem Grade wie die Menschen dankbar sind für das nützliche Pferd, den treuen Hund, die zutrauliche Katze, den fröhlichen Kanarienvogel oder für andre Typen von Wesen, die hinsichtlich ihrer Lebensstufe als unter dem Menschen stehend betrachtet werden, lernen sie die Bedeutung der wahren Schöpfung erkennen. Das sterbliche Gemüt sucht eine Menagerie aus dem Tierreich zu machen, sucht es durch menschliche Willenskraft zu bezwingen und auf Befehl brüllen, knurren oder zischen zu lassen; aber das göttliche Gemüt zähmt den Löwen durch das geistige Verständnis eines Daniel und macht den Biß der Schlange durch den wissenschaftlichen Sinn eines Paulus harmlos. Der unnatürliche Haß, der den Haifisch näher zur Küste treibt, als dieser gewöhnlich geht, und ihn veranlaßt, nach menschlichen Wesen zu schnappen, kann durch das wissenschaftliche Verständnis aufgehoben werden, welches Jesus befähigte, seinen Zinsgroschen im Maul des Fisches zu finden. Der unwillkürliche Schutz, der sowohl den Haustieren als den sogenannten wilden Tieren durch die ihnen entgegengebrachte Liebe zuteil wird, entspringt der wissenschaftlich-christlichen Erkenntnis, daß Gott alles gemacht hat was gemacht ist, daß es geistig und nicht materiell ist, und daß Er es als sehr gut ansah.
Die verschiedenen Tierschutzvereine, das Anlegen von Vogelparks, ja selbst einige der Jagdgesetze entspringen einem gerechten Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber Lebensbekundungen, die gegen das „wilde Gemüt“ verhältnismäßig hilflos sind. Jesajas Gesicht von dem Frieden unter den Vertretern des Tierreichs ist kein bloßes Phantasiebild; es prophezeit die rasch herannahende Zeit, da „die Wölfe werden bei den Lämmern wohnen und die Pardel bei den Böcken liegen. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden an der Weide gehen, daß ihre Jungen beieinander liegen; und Löwen werden Stroh essen wie die Ochsen. Und ein Säugling wird seine Lust haben am Loch der Otter, und ein Entwöhneter wird seine Hand stecken in die Höhle des Basilisken. Man wird nirgend Schaden tun noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt.“
Auf Seite 514 und 515 von Wissenschaft und Gesundheit erhebt Mrs. Eddy das Tierreich über die von Adam gegebenen Mißbenennungen empor, und zwar mit einem geistigen Klarblick, der der Zeit weit voraus ist. Sie erwähnt die metaphysisch guten Eigenschaften des Löwen, „der da ist vom Geschlecht Juda,“ des Viehs „auf den Bergen, da sie bei tausend gehen,“ sowie des bescheidenen Wurmes. Selbst die richtige Auffassung von der Schlange finden wir hier dargetan. In dem Maße wie sich der Mensch über das wahre Wesen der Schöpfung klar wird, lernt er durch die Christliche Wissenschaft, das Evangelium „aller Kreatur“ predigen, d. h. er lernt, wie er die geringeren Lichter an der Feste des Himmels an dem herrlichen, ihm von Geist, Gott, verliehenen Glanz teilnehmen lassen kann.
Niemand spotte daher über das Heilen von Tieren, wie es durch die Christliche Wissenschaft bewirkt wird, denn wie wir auf Seite 550 von Wissenschaft und Gesundheit lesen, ist Gott „das Leben oder die Intelligenz, welche die Individualität und Identität der Tiere sowohl wie der Menschen bildet und erhält.“