Paulus scheint gar bald den Unterschied zwischen dem „Israel nach dem Fleisch“ und dem „Israel Gottes“ erkannt zu haben. Dem Petrus machten seine jüdischen Vorurteile mehr zu schaffen. Er erreichte den Punkt, wo er sich bereit erklärte, mit den Heiden zu essen, zog sich aber später samt einigen anderen Juden des Scheines wegen von dieser Gemeinschaft zurück, „also daß auch Barnabas verführet ward, mit ihnen zu heucheln.“ Als Samaria von assyrischen Städten aus angesiedelt wurde, von denen eine jede ihren besonderen Gott hatte, geriet das Volk des Landes in Abgötterei und mißachtete „Gesetz und Gebot, das der Herr geboten hat den Kindern Jakobs, welchem er den Namen Israel gab.“ Es scheint fast, als habe Petrus geglaubt, die Kinder Jakobs sollten die Erben der Verheißung sein; Paulus aber sah auf Grund seiner geistigen Erkenntnis die geistige Geschlechtslinie. In seiner Epistel an die Römer sagt er: „Es sind nicht alle Israeliter, die von Israel sind; auch nicht alle, die Abrahams Same sind, sind darum auch Kinder,“ und die Bedeutung dieser Worte macht er vollständig klar in seiner Epistel an die Galater, wenn er sagt: „Gleichwie Abraham hat Gott geglaubet und es ist ihm gerechnet zur Gerechtigkeit. So erkennet ihr ja, daß, die des Glaubens sind, das sind Abrahams Kinder.“
Wir können somit Paulus verstehen, wenn er in seinem Brief an die Epheser diese als Unbeschnittene bezeichnet und sie „nach dem Fleisch Heiden“ nennt, „ohne Christum, fremd und außer der Bürgerschaft Israels und fremd den Testamenten der Verheißung; daher ihr keine Hoffnung hattet und waret ohne Gott in der Welt.“ Sodann erklärt er, wie durch Christum die Versöhnung stattgefunden hat, und fügt hinzu: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbauet auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.“ Im Römerbrief sagt er: „Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren so lange, bis die Fülle der Heiden eingegangen sei, und also das ganze Israel selig werde.“ Petrus erlangte Aufklärung, als er den Kornelius besuchte, zu dem er sagte: „Nun erfahre ich mit der Wahrheit, daß Gott die Person nicht ansiehet; sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.“
Wir finden hiervon eine interessante Veranschaulichung in Gegenden des dunkeln Afrikas, wo etwas von dem Licht eingedrungen ist, das von den Lehren der Bibel ausgeht, und wo sich die Macht der wahren Religion kundtut. Das Wort Vernachlässigung bedeutet Pflichtversäumnis, also geradezu das Gegenteil von dem Wort Religion, welches die genaue und gewissenhafte Erfüllung der Pflicht bezeichnet, besonders der Pflicht, Gott oder die anerkannte allwaltende Macht zu verehren. In Verbindung mit der Ausübung der Religion werden in diesen Gegenden manche Dinge für den Gebrauch bei heiligen Handlungen bestimmt und sind dann für den weltlichen Gebrauch tabu oder verboten. Auf gleiche Art wird diese und jene Handlungsweise verboten, und die Priester haben die menschliche Neigung zur Furcht dazu benutzt, ihre selbstsüchtigen Absichten zu fördern, indem sie unzählige Formen des Aberglaubens pflegten in bezug auf Dinge, die sie für tabu erklärten. Solche Verfügungen erließen z.B. die Pharisäer hinsichtlich dessen, was man am Sabbat tun und nicht tun dürfe. Sie gingen so weit, daß sie Jesus beschuldigten, er habe den Sabbat gebrochen, weil er an diesem Tage durch Krankenheilung den Willen Gottes erfüllt hatte.
In den genannten Gegenden Afrikas, wohin die Kenntnis der göttlichen Verordnungen gedrungen ist, sprechen diejenigen, die diese Verordnungen kennen und ihnen zu folgen suchen, von den Geboten, die etwas verbieten, als von „Befestigungen.“ Sie bekämpfen Zorn und Groll, um die sechste Befestigung zu halten; sie weigern sich sogar, einem anderen etwas aufzubewahren, was sie für gestohlenes Gut halten, damit sie nicht die achte Befestigung brechen, und inmitten der Sittenlosigkeit wilder Völker suchen sie der siebenten Befestigung treu zu sein, so daß sich da und dort eine Person findet, die von den anderen eine Frau Gottes oder ein Mann Gottes genannt wird. Besucher stellen zuweilen die Frage: „Ist einer von dem Geschlecht Gottes hier?“ Diese Sucher sehen nur unklar in der Dunkelheit des uralten Aberglaubens, des Fetischdienstes, der Grausamkeit, der Zauberei, der Sinnlichkeit; aber sie tasten aufrichtigen Herzens nach der Wahrheit umher, sie sehnen sich nach Gott und finden sicherlich das Gute, denn das Gesetz, dem Jesus Ausdruck gab, lautet: „Wer da suchet, der findet.“ Wie wunderbar wirkt doch dieses Gesetz des Suchens und Findens in unseren Tagen. Zahllose Menschen erkennen, daß die alten Grundlagen wanken, und sie machen sich auf die Suche, wie Abraham, von dem es heißt: „Er wartete auf eine Stadt, die einen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.“ Und in diesem Glauben finden sie durch die Christliche Wissenschaft Heilung und Erlösung und Befreiung von der Furcht des Todes, wodurch sie Kinder werden im Sinne des Bibelwortes: „Also werden nun, die des Glaubens sind, gesegnet mit dem gläubigen Abraham.“
Man tut wohl, sich daran zu erinnern, daß in der großen Schar derer, die sich der Wohltaten der Christlichen Wissenschaft erfreuen, viele zu finden sind, von denen gesagt werden kann: „Es sind nicht alle Israeliter, die von Israel sind.“ Mrs. Eddy sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 453): „Der Komödiant [die maskierte Person] in dieser Wissenschaft dankt Gott, daß es nichts Böses gibt, dennoch dient er dem Bösen im Namen des Guten.“ Sollte es z.B. Rechtsanwälte geben, die sich als Christliche Wissenschafter maskieren, um anderen ihr Eigentum zu entwenden und es sich anzueignen, so ist das der gleiche Irrtum, vor dem Jesus seine Jünger warnte, als er sagte: „Sehet euch vor vor den Schriftgelehrten,. .. sie fressen der Witwen Häuser und wenden langes Gebet vor.“ Es handelt sich hier um eine direkte Verletzung der Vorschriften im fünften Buch Mose, in denen es heißt: „Verflucht sei, wer das Recht des Fremdlings, des Waisen und der Witwe beuget.“ Haben diese Worte nicht ebensowohl heute wie in den Tagen, da sie geäußert wurden, auf die menschliche Handlungsweise Bezug? Falls es selbstsüchtige Menschen gibt, die sich um des schnöden Gewinns willen als Praktiker maskieren, ein hohes und ungerechtes Honorar fordern, andere ohne ihren Wunsch behandeln und Bezahlung für unbegehrte Dienstleistungen fordern, oder sich weigern, mit der Behandlung aufzuhören, wenn es gewünscht wird, um ein recht großes Honorar herauszuschlagen, so ist das unzweifelhaft ein Vergehen gegen die Vorschriften des Handbuchs (Art. VIII, Abschn. 22), wo darauf hingewiesen wird, daß die Beziehung eines Praktikers zum Patienten ehrbar und heilig sein muß, und wo es im weiteren heißt: „Ein Christlicher Wissenschafter ist ein Menschenfreund; er ist wohlwollend, versöhnlich, langmütig und sucht Böses mit Gutem zu überwinden.“
Ein Grund, warum Menschen in die Hände derer fallen, die sie zu beherrschen suchen, ist der, daß sie sich nicht aufraffen, um sich selber zu beherrschen und ihre Angelegenheiten dem Prinzip gemäß selber zu verwalten. Nun wird vielleicht dieser oder jener einwenden, er könne seine Gedanken nicht konzentrieren und müsse daher einen anderen zu Rate ziehen. In der Christlichen Wissenschaft ist aber die Konzentration, von der das sterbliche Gemüt spricht, durchaus unnötig; d.h. es handelt sich hier nicht darum, daß die Macht des Willens auf einen Brennpunkt konzentriert werde, nach dem Verfahren des orientalischen Zauberers, der sein Opfer mesmerisiert. In der Christlichen Wissenschaft wird nicht Konzentration sondern Konsekration verlangt, und Konsekration oder Weihe bedeutet das Lossagen von allen falschen Annahmen und von der Sünde, sowie die strenge Befolgung des ersten Gebotes. Die Törichten unter den Menschen schauen sich fortwährend nach einem Fürsten um, auf den sie sich stützen können, und in der Kirche sowohl wie im Staat gibt es immer noch Fürsten, die bereit sind, der Menschen Leben und ihre Tätigkeit zu beherrschen und auszunützen. Aber das Schriftwort ist heute ebenso wahr wie vor alters: „Es ist gut, auf den Herrn vertrauen, und nicht sich verlassen auf Fürsten.“ Und die weitere Ausführung dieser Ermahnung: „Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen,“ gibt den Gedanken mit folgenden Worten die rechte Richtung: „Wohl dem, des Hilfe der Gott Jakobs ist; des Hoffnung auf dem Herrn, seinem Gott, stehet.“ Mrs. Eddy legt uns die ganze Sache metaphysisch und endgültig dar, wenn sie sagt (Miscellany, S. 170): „Zum Abschied sage ich nochmals zu diesen Mitgliedern meiner Kirche: Vertraut auf die Wahrheit und habt keinen anderen Gegenstand des Vertrauens.“
Das Israel Gottes ist nicht den Ränkeschmieden, maskierten Personen, Spionen, Mesmeristen, Hypnotisten und Psychologen preisgegeben. Und warum nicht? Weil jeder „Israeliter, in welchem kein Falsch ist,“ die göttliche Führung anerkennt, was die erleuchtete Führung der Liebe bedeutet. Murrt der Seemann über die Kontrolle des Leuchtturms, dessen Strahlen sein Schiff an den gefährlichen Klippen vorbei in den sicheren Hafen geleiten? Lehnt sich der Wanderer gegen die Kontrolle des rechten Weges auf, der ihn nach seinem Heim führt? Warum zögern wir dann, die göttliche Führung anzunehmen, die uns durch unwandelbare Wahrheit und Gerechtigkeit zur sicheren Heimat führt? Das Israel Gottes sind diejenigen, die Gott lieben und Seine Gebote halten. Daher haben die Worte des neuen Liedes der Erlösten, wie wir es in der Offenbarung lesen, eine tiefe Bedeutung: „Du. .. hast uns unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und wir werden Könige sein auf Erden.“
In unserer Zeit werden in der ganzen Welt diejenigen bekannt, die zum „Geschlecht Gottes“ gehören. Dies ist in Wahrheit das „Israel Gottes,“ die Erwählten, die selber das Prinzip und das Leben erwählt und der Sünde und dem Tod abgesagt haben. Sie erkennen einander überall in der Welt. Sie brauchen keine Parole, kein geheimes Zeichen, kein Ritual, denn das Licht des Auges befähigt die, welche das Licht verstehen, in einem anderen, der dem Christus folgt und im Lichte wandelt, das innere Licht des Lebens zu sehen. Jesus sagte: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
