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Sanftmut und Macht

Aus der Februar 1919-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn Shakespeare sagt: „Die ganze Welt ist Bühne und alle Fraun und Männer bloße Spieler,“ so verkündet er eine Wahrheit, die einem klar wird, wenn man bedenkt, daß der Eigendünkel des Durchschnittschauspielers viel dazu beiträgt, den Zweck eines Stückes zu verdunkeln. Die wahre Tätigkeit des Schauspielers besteht darin, die Gedanken und Ideale des Autoren darzutun. Nicht seine stolze Haltung, sondern die Ideen des Autoren, welche in dem Stück zum Ausdruck kommen, sollten unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Wir wünschen nicht Booth sondern Hamlet zu verstehen; und wenn wir überhaupt für die Persönlichkeit des Schauspielers Interesse haben, so ist es nur deshalb, weil es uns daran gelegen ist, daß er die Rolle, in der er uns befriedigen will, mit Verständnis spiele.

Die gleiche Regel gilt bei der Darstellung jener sittlichen und geistigen Eigenschaften, die den Charakter bestimmen. Mrs. Eddy sagt: „Wir lernen die Eigenschaften des göttlichen Gemüts teilweise durch den menschlichen Jesus kennen. ... Das Prinzip dieser wunderbaren Werke ist göttlich; aber die handelnde Person war menschlich“ (Miscellaneous Writings, S. 199). Wahre Geistigkeit kommt durch Demut, Aufrichtigkeit, Mut, Ehrlichkeit und dergl. zum Ausdruck. Diese Eigenschaften sind dann echt, wenn sie ihren göttlichen Ursprung erkennen lassen; unecht sind sie aber, wenn man sie dazu geschult hat, einen Bühneneffekt zu erzielen. Sie sind wesentlich, wenn sie Gott die Ehre geben; hingegen sind sie lauter Trug, wenn sie das menschliche Ich verherrlichen sollen. Der Heuchler, der sich in falsche Sanftmut kleidet, damit er mehr vom Erdreich besitze, sowie der Autokrat, der sich den Mantel der Wohltätigkeit umhängt, um seine Ausübung des Hasses besser verdecken zu können — diese sind bloße dramatische Stümper, die durch ihre gemeinen Bühnenkniffe nichts als Verachtung auf sich häufen.

Der wahre Begriff von Sanftmut ist für die heutige Welt von besonderer Bedeutung, weil gerade der falsche Begriff von dieser Eigenschaft überall Unheil anrichtet, von den sogenannten Mächten des Bösen zu selbstsüchtigen Zwecken zur Schau getragen wird und die sittliche Kraft von Einzelwesen und Machtgruppen untergräbt, wo doch diese Kraft jetzt wie nie zuvor durch Gottergebenheit in höchstem Maße zum Ausdruck gebracht werden sollte. Daß eine erheuchelte Sanftmut, die um Personen, Vorrechte und das eigene Ich mehr besorgt ist als um die Forderungen des Prinzips, in den religiösen und politischen Glaubensbekenntnissen so lange Raum gefunden hat, ist nicht zu verwundern, wenn man bedenkt, welche Furcht diejenigen erregt haben, die nicht nur das Recht beanspruchten, das Gesetz auszulegen, sondern sich auch die Macht herausnahmen, ihren Willen zur Geltung zu bringen. Da nun die Autokraten der Kirche und des Staates, der Medizin und der Geschäftswelt, des Stolzes und der Herkömmlichkeit ihre verzweifelten Feldzüge zu vereinigen suchen, um ihre eigennützigen Vorrechte zu erweitern, so ist es hoch an der Zeit, daß alle diejenigen, die die Sachlage erkannt haben, ihr Denken von dem letzten Rest jenes alten Aberglaubens reinigen, der eine solche Anmaßung hervorgebracht hat.

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