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Stunden des Wachens

Aus der August 1919-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Unsere geliebte Führerin, Mary Baker Eddy, die so liebevoll auf „jede wartende Stunde“ hinweist, die das göttliche Leben umfaßt, schrieb auch von jenen anderen Stunden, in denen wir „zur Erkenntnis einer schöneren Welt erwachen“ (Poems, SS. 4, 12). Weil wir zu Zeiten scheinbar nichts anderes tun können als die Hände falten und geduldig auf Gott harren, so bedeutet das doch keineswegs, daß wir das Warten ewig fortsetzen sollen. Es muß eine Zeit geben, wo selbst Geduld aufhört eine Tugend zu sein, eine Zeit, wo ein Gefühl göttlicher Ruhelosigkeit uns anzeigt, daß Geduld ihren Zweck erfüllt hat und daß die Stunde der Befreiung gekommen ist. Seien wir auf der Hut, damit wir uns nicht so ins Warten vertiefen, daß es zum trägen Selbstmesmerismus wird. Wenn „alles Vornehmen unter dem Himmel,“ wie die Bibel sagt, „seine Stunde“ hat, dann gibt es nicht nur eine Zeit zum Warten, sondern auch eine Zeit, in der wir uns aufraffen und etwas tun müssen. Der Rat des Paulus: „Nachdem ihr alles getan habt, steht still“ (n. d. engl. Bibelübersetzung), ist an sich sehr gut; die meisten von uns wissen aber aus Erfahrung, daß wir in den seltensten Fällen sehr lange still zu stehen brauchen, nachdem wir wirklich alles getan haben. Tätigkeit ist eine Eigenschaft des göttlichen Gemüts; daher muß sie der Mensch, da er eine Wiederspiegelung des Gemüts ist, stets zum Ausdruck bringen. Wir können ziemlich sicher annehmen, daß wir in Fällen, wo wir ungebührlich lange warten müssen, noch nicht alles getan haben, was nötig ist. Das Verfahren des Gemüts ist einfach, natürlich, schnell und wirkungsvoll. Wenn wir menschlichen Willen, Stolz, Selbstgerechtigkeit und bestimmtes Planen aufgeben, können wir uns darauf verlassen, daß wir die Lösung unseres Problems, die die ganze Zeit zur Hand war, sehr bald sehen werden.

Es scheint eine der Anschläge des Widersachers zu sein, uns warten zu lassen und in uns die betäubende Annahme zu nähren, daß wir noch längere Zeit warten müßten. Nie hat es die Welt nötiger gehabt, aus ihrem langen Schlaf der Materialität zu erwachen als gerade jetzt. Dieser Vorgang des Erwachens findet gegenwärtig unter den Nationen statt, wie viele Menschen bereits erkannt haben. Das fleischliche Gemüt, das stets Feindschaft wider Gott, das Gute, bedeutet, fühlt sich aus seinem Schlummer aufgerüttelt und ist über diesen Eingriff sehr ungehalten. Es hatte so viele Jahrhunderte ungestört in seiner selbstzufriedenen Annahme vom Leben in der Materie geschlafen, daß es wütend nach rechts und links ausschlug, als sich ihm eine feste Hand auf die Schulter legte und es die Stimme der Wahrheit mitten in seinem Träumen sagen hörte: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten.“ Die Stunde ist gekommen, da sowohl die offenen wie die verborgenen Wege, auf denen das fleischliche Gemüt seine Zwecke verfolgt hat, aufgedeckt werden, so daß die ganze Welt sie sehen kann. Nur diejenigen, die Augen haben und nicht sehen, sind beunruhigt, weil sich das Böse mit dem hartnäckigen, verzweifelten Widerstand dessen verteidigt, das da weiß, daß seine Zeit kurz ist.

Der wahre Metaphysiker regt sich über die Unruhen dieser letzten Tage nicht auf, denn er sieht darin nichts anderes als was Elia vor mehreren Jahrtausenden sah, als die Priester Baals die Oberherrschaft ihres Gottes durch ein Zeichen vom Himmel festzustellen suchten. Im ersten Buch der Könige lesen wir, daß es vierhundertundfünfzig dieser „Propheten“ gab. Sie schrien und tobten den ganzen Tag, „riefen laut und ritzten sich mit Messern und Pfriemen nach ihrer Weise, bis daß ihr Blut herabfloß.“ Elia aber, der einzige Prophet des wahren Gottes, stand abseits und beobachtete sie mit der Geduld eines Menschen, der sich seiner Sache gewiß ist. Nachdem dann die anderen trotz ihres Lärmens und Prahlens und trotz ihrer großen Überzahl nichts ausgerichtet hatten, trat Elia vor, wandte sich ruhig und zuversichtlich in kurzem und einfachem Gebet an den Gott Israels und wurde erhört.

Es steht uns heutzutage ebenso wie dem Elia die Gelegenheit offen, all denen, die noch den falschen Göttern ihrer eigenen irrigen Annahmen dienen, die Macht des Guten über das Böse, des Lebens über den Tod, der Liebe über den Haß, des Geistes über die Materie zu beweisen. Warum geben wir dem Weltkrieg nicht lieber einen anderen Namen und nennen ihn eine günstige geistige Gelegenheit? Gewiß hat es in der menschlichen Geschichte nie eine herrlichere Gelegenheit gegeben alsdie heutige, dem Befehl des Meisters gemäß allen Völkern das Evangelium zu predigen. Das kostbarste und beste aller Bücher, die Bibel, wird immer mehr als ein geschätzter und wesentlicher Teil unserer Ausrüstung angesehen, und der Schlüssel, der die bisher verborgenen Schätze der Bibel erschließt, nämlich unser Lehrbuch, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift,“ von Mrs. Eddy, steht ebenfalls allen zur Verfügung, die es studieren wollen. Der Christian Science Monitor dringt mit seinem ermutigenden Optimismus, seiner scharfen metaphysischen Zergliederung der Tagesereignisse und seinem Geist der allumfassenden Brüderlichkeit über Meer und Land und vernichtet überall, wohin er kommt, Vorurteil, Scheinheiligkeit, Unduldsamkeit, Unwissenheit und Aberglauben, während sich für die anderen autorisierten Schriften der christlich-wissenschaftlichen Bewegung neue, früher ungeahnte Wege zur Verbreitung öffnen. Außerdem bieten sich den Christlichen Wissenschaftern unzählige Gelegenheiten, werktätig zu beweisen, daß in unseren Tagen die Lehren Jesu selbst unter den schwierigsten Umständen ebenso demonstrierbar und wirksam sind wie vor zweitausend Jahren, als der Meister unter den Menschen weilte.

Wenn wir dies alles in Betracht ziehen, kann es nicht anders sein als daß folgende Worte freudig in unseren Herzen widerhallen: „Für alle, die sich auf den erhaltenden Unendlichen verlassen, ist das Heute reich an Segnungen“ (Wissenschaft und Gesundheit, Vorwort, S. vii). In den letzten zwei Jahren ist so viel zur Verbreitung der frohen Botschaft geschehen, wie früher in ebensovielen Jahrhunderten möglich war. Die Verheißung aus alter Zeit ist wieder in Erfüllung gegangen: „Wenn Menschen wider dich wüten, so legst du Ehre ein;“ denn die Absicht, die Völker der Erde zu unterjochen und zu vernichten, führt deren Heilung und Befreiung herbei. Auf Seite 574 unseres Lehrbuchs lesen wir: „Beachte, daß gerade die Botschaft oder der schnellbeschwingte Gedanke, welcher Haß und Qual ausgoß, auch die Erfahrung mit sich brachte, die den Seher zuletzt erhob, so daß er die große Stadt erschaute, deren vier gleiche Seiten vom Himmel gegeben sind und den Himmel geben.“ In diesem Lichte betrachtet, bieten sich uns überall Gelegenheiten, emporzusteigen, zu wachsen, unsere Feinde zu segnen und das völlige Nichts alles dessen zu erkennen, was Gott ungleich ist. Welch eine herrliche Zeit, Einkehr in uns zu halten und den Kampf aufzunehmen gegen die Selbstsucht, den Stolz, den Ehrgeiz und den Neid in uns, gegen unsere Herrschsucht und unseren verderbenbringenden menschlichen Willen! Welch herrliche Gelegenheit bietet uns unsere heutige Zeit, die Arbeit zu verherrlichen, alten Groll zu vergessen, Vorurteile abzulegen, die Bande von Rang, Stand und Klassenunterschied zu sprengen, die Vorstellung von persönlicher Überlegenheit, von irgendwelchen ungerechten und beschränkenden Einteilungen des sterblichen Gemüts zu überwinden, von dem starken und überwältigenden Wunsche beseelt, zu dienen! Nie zuvor boten sich so viele Gelegenheiten, unzuverlässige Normen niederzureißen, falsche Gesetze aufzuheben, schlechte soziale und volkswirtschaftliche Zustände zu verbessern, den Streit zwischen Kapitalisten und Arbeitern zu schlichten, die Geschlechter gleichzustellen, veraltete Methoden zu beseitigen, und zu beweisen, daß die einzig richtige Mäßigkeit hinsichtlich dessen, was an sich falsch ist, in völliger Enthaltsamkeit besteht. Wir haben heute als Christliche Wissenschafter eine neue Verantwortung der Welt gegenüber. Wie werden wir derselben gerecht? Bemühen wir uns, gerade da, wo wir uns befinden, jene mentale Läuterung vorzunehmen, die stattfinden muß, ehe ein dauernder Friede möglich ist?

Wenn die Männer, die so tapfer für Recht und Gerechtigkeit eingetreten sind, zurückkehren und durch die Straßen unserer Städte marschieren, so können diejenigen unter uns, die nicht die äußere Uniform tragen durften, nur stille stehen und sie mit glücklichen, tränenumflorten Augen schweigend betrachten. Dann aber entsteht für einen jeden von uns die große Frage: „Habe ich alles getan, was in meinen Kräften steht?“ Unser Kampf war ja zweifellos anderer Art als der ihre, aber dennoch war es ein Kampf. Hielten wir allezeit so tapfer stand wie sie, wenn die Truppen des Irrtums auf uns eindrangen — jene falschen Annahmen, von denen wir uns kaum befreit hatten, als auch schon ein neuer Trupp gleich einer überwältigenden Lavine, wie es unseren müden Sinnen vorkam, auf uns losstürmte? Anstatt offene Angriffe zu machen, bewirkt der Feind oft Betäubung und Unempfindlichkeit, Gleichgültigkeit und mentale Trägheit — Zustände, in die wir ganz unvermerkt hineingeraten.

Vielleicht hüllte uns eine dichte Wolke weltlicher Freuden ein — menschlicher Erfolg, Bequemlichkeit und Befriedigung in der Materie, „des Fleisches Lust und der Augen Lust“— und trübte und verwirrte so sehr unseren Ausblick, daß wir nicht immer imstande waren, an der Schönheit und Einfachheit eines Lebens festzuhalten, das „verborgen [ist] mit Christo in Gott“ Oder aber — und das scheint zuweilen das schlimmste zu sein — kam es uns vor, als sei es unser Los, Tag für Tag in den Schützengräben des Zweifels und der Entmutigung, der Ungewißheit, der Unschlüssigkeit und der „Hoffnung, die sich verzieht,“ mit den Waffen in der Hand stillstehen und auf das Kommando warten zu müssen, das aus irgendeinem Grunde nicht gegeben zu werden scheint. Das alles ist eine Art der Kriegsführung, in der man keine sichtbare Wunden bekommt, welche von ehrenvollem Kampfe zeugen, noch tragen diejenigen, die an diesem Kampfe teilnehmen, jemals Orden auf der Brust, welche sie etwa für Tapferkeit im Kämpfen erhalten hätten. Die volle Belohnung für diese Art der Kriegsführung wird dann offenbar, wenn unsere Jungens zurückkehren — an jenem glücklichen Tage, da wir ihnen ins Gesicht schauen, während sie vorbeimarschieren, und wir voll Dankbarkeit denken: „Auch ich war treu.“

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