Die Christliche Wissenschaft befreit das Menschengeschlecht von ihrem Glauben an das Böse und von der Furcht vor demselben, indem sie ihr klar macht, daß das Böse niemals als etwas Wirkliches sondern stets als eine falsche Vorstellung anzusehen ist. Das Bestehen einer Tatsache macht das Bestehen von irgend etwas, was diese Tatsache leugnet oder ihr widerspricht, zur Unmöglichkeit. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 72 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“: „Da Gott, das Gute, immer gegenwärtig ist, so folgt daraus in der göttlichen Logik, daß das Böse, das mutmaßliche Gegenteil des Guten, niemals gegenwärtig ist.“
Nachdem man eine Tatsache festgestellt hat, kann man sich eine ihr widersprechende Lüge nicht als Tatsache denken. Der Mathematiker kann nicht an falsche Hypothesen glauben, die den Wahrheiten widersprechen, welche er versteht. Da Gott das allwissende Gemüt ist, kann es für Ihn kein Reich der bloßen Vermutungen oder Vorstellungen geben. Das sogenannte menschliche Gemüt ist jedoch wegen seiner Unwissenheit geneigt, sich Vorstellungen zu machen und gleich darauf zu vergessen, daß diese Vorstellungen keine bewiesenen Tatsachen sind. Folgender wohlbekannter Vorfall aus dem Leben eines berühmten Staatsmannes veranschaulicht diese Neigung des menschlichen Gemüts. Dieser Staatsmann wollte einst einer Gruppe von Männern klar machen, daß sie ihn nur deshalb zu einer gewissen Handlungsweise zwingen wollten, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgingen. Er bat zunächst um die Erlaubnis, eine scheinbar belanglose Frage stellen zu dürfen. Diese Frage lautete: „Wieviele Beine hat ein Schaf?“ „Vier,“ antworteten einige. „Richtig,“ sagte der Staatsmann, „aber angenommen, wir nennen den Schwanz des Schafs ein Bein, wieviele Beine hat es dann?“ „Fünf,“ lautete die Antwort. „Keineswegs,“ erwiderte der Staatsmann; „der Umstand, daß man den Schwanz eines Schafs ein Bein nennt, macht ihn nicht zum Bein; das Schaf hat noch wie vor vier Beine.“
Sobald die Menschheit Einbildungen nicht mehr für Tatsachen hält, verschwinden ihre Leiden, denn diese rühren nur von der Neigung des menschlichen Gemüts her, sich falsche menschliche Begriffe zu bilden und sich vor denselben zu fürchten. Jahrhundertelang wagten es die Menschen nicht, sich frei auf der Erde zu bewegen, weil sie annahmen, die Erde sei eine Fläche, und hieraus natürlicherweise schlössen, sie seien in Gefahr, über den Rand hinabzustürzen. Weil das menschliche Gemüt das wahre Wesen Gottes nicht kennt und somit von dem Standpunkt der Grausamkeit ausgeht, so beschwört es das Bild eines rächenden Gottes herauf und zitterte dann vor seiner eigenen falschen Auffassung.
Die Menschheit im allgemeinen war jahrhundertelang davon überzeugt, daß es wirklich Gespenster und Hexen gebe; und zu Shakespeares Zeit war kein Theaterstück vollständig, wenn unter den auftretenden Personen nicht ein Geist oder eine oder zwei Hexen waren. Historiker, die zu jener Zeit viel gelesen wurden, beschrieben in vollem Ernst das Benehmen von Geistern bei gewissen denkwürdigen Gelegenheiten, und die Studenten auf den Universitäten wurden ausdrücklich gelehrt, was sie sagen sollten, wenn sie einen Geist anredeten, um nicht unter den bösen Einfluß eines feindlich gesinnten Geistes zu kommen, oder um nicht den ebenso großen Fehler zu begehen, einen freundlich gesinnten Geist zu beleidigen, der ihnen vielleicht etwas überaus Wichtiges mitzuteilen habe. Als z. B. im Hamlet der Geist den drei Wächtern erschien, sagte Marcellus zu dem Studenten, der soeben von Wittenberg gekommen war: „Du bist ein Schüler; sprich mit ihm, Horatio.“ Geister und Hexen haben sich überlebt; aber die Mikroben beschäftigen noch heute die Gemüter der Menschen, und während der letzten Jahre hat sich so mancher den Kopf zerbrochen, wie er sich vor den bösartigen Mikroben schützen könne, die sich einstellten, um ihm Schaden zuzufügen, und was er tun müsse, um nicht die nützlichen Mikroben zu töten, die nach Aussage der Ärzte bei der Verdauung gute Dienste leisten.
Der Traum von Geistern und Hexen schwand und hörte zuletzt gänzlich auf, als es den Menschen klar wurde, daß es in Gottes Weltall niemals solche Wesen gegeben hat und daß die Menschen nur die Verkörperung ihrer eigenen abergläubischen Vorstellungen gesehen hatten, gerade wie ein Mensch im Delirium Tremens Gegenstände sieht, die ihn infolge des Zustandes, in dem er sich befindet, weil er Glück im Vertrauen auf das Böse zu finden hoffte, in Schrecken setzen. Die Menschen um ihn her sehen natürlich nicht, was er sieht, weil sie seine Vorstellungen nicht teilen. Obwohl es für den Durchschnittsmenschen nicht leicht sein mag, zuzugeben, daß seine Besorgnis gleicher Art ist wie die jener Menschen, welche meinten, die Opfer von Geistern und Hexen zu sein, so besteht doch tatsächlich kein Unterschied. Und diese Behauptung stimmt genau mit dem überein, was Jesus Christus lehrte und bewies. Mit dem Ausspruch: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, ... werdet [ihr] die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen,“ wollte der große Meister sicherlich sagen, daß die Wahrheit, die er offenbarte, das Menschengeschlecht von all seinen Leiden befreien werde; daß all diese Leiden nur Illusionen und keine Tatsachen seien; denn so viel Wahrheit ein Mensch auch erfassen mag, sie kann ihn von keiner einzigen Tatsache befreien.
Als Mrs. Eddy der heutigen Generation erklärte, Sünde, Krankheit und Tod seien nur ein Traum, begegnete man ihren Behauptungen mit Spott und Hohn. Und doch hatte sie damit genau das gesagt, was der Meister vor Jahrhunderten sagte, und sie stieß dabei auf denselben Widerstand. Als Jesus in das Haus trat, wo des Jairus Töchterlein angeblich tot dalag und er zu den Leuten sagte, die gekommen waren, sie zu betrauern: „Das Mägdlein ist nicht tot, sondern es schläft,“ da „verlachten“ sie ihn, wie es im Evangelium heißt. Jesus bewies ihnen jedoch, daß seine Behauptung richtig war, daß sie im Reich der falschen Vorstellungen oder im Reich der Träume weilten, und daß er in seiner Denktätigkeit von der Wirklichkeit ausging, als er das Mägdlein anredete und sie sofort seiner Aufforderung Gehör schenkte. Nur ein lebendiges Wesen, das zugegen ist, kann so auf einen mündlichen Befehl reagieren. Wohl die meisten von uns haben schon einmal einen schlafenden Menschen angeredet und dann gesehen, wie er erwacht ist.
Als Jesus sagte: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen,“ meinte er damit gewiß, daß alles, woraus das Reich der menschlichen Vorstellung besteht, vergehen wird, sobald der Mensch mit den göttlichen Tatsachen vertraut wird, daß aber seine Worte niemals vergehen werden, weil er die Wahrheit erkannt und ewige Tatsachen verkündet hatte. Als Johannes mit folgenden Worten von den wunderbaren Dingen berichtete, die er auf der Insel Patmos gesehen hatte: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging,“ tat er die ihm infolge seines erleuchteten Bewußtseins gewordene Offenbarung des wirklichen Weltalls kund. Er sah den Himmel und die Erde, die Gott erschafft, den einzigen Himmel, die einzige Erde, die es in Wirklichkeit gibt und je geben kann; und der alte oder falsche Begriff von Himmel und Erde war verschwunden, weil in jenem Augenblicke keine falschen Vorstellungen seine Gedanken beschäftigten.
Man kann somit das Problem, welches das Menschengeschlecht zu lösen hat, mit folgenden Worten angeben: jeder einzelne muß den Lehren der Christlichen Wissenschaft gemäß lernen, allmählich alle falschen Vorstellungen über Gott, den Menschen und das Weltall aufzugeben, er muß einer göttlichen Tatsache nach der anderen beistimmen, wodurch er dann der Freuden des ewigen Guten teilhaftig wird, das hier und jetzt vorhanden ist und von dem es kein Gegenteil gibt. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 167 von „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“: „Die Vorstellungswelt in uns trennt uns von der geistigen Welt, die nichts mit der Materie gemein hat und uns miteinander vereint. Geist lehrt uns das aufgeben, was wir nicht sind und das verstehen, was wir in der Einheit des Geistes sind — in jener Liebe, die getreu und eine allzeit bereite Hilfe in der Not ist, und die uns nie verläßt.“
 
    
