Um die herkömmliche falsche Erziehung zu berichtigen, die die Welt so sehr in Nachteil bringt, gibt es kein wirksameres Mittel als die Christliche Wissenschaft; denn sie ersetzt die scholastische, materielle Auffassung von der Bibel durch die wahre, geistige Bedeutung. In dem Bericht über eine Predigt von Mrs. Eddy in „Miscellaneous Writings“ auf Seite 169 lesen wir: „Auf die in den Jugendjahren anerzogene falsche Auslegung des Wortes ist das jahrelange Siechtum zurückzuführen, dem sie [Mrs. Eddy] unterworfen war, ehe ihr durch die richtige Auslegung die Wahrheit aufdämmerte. Das Verständnis für die Heilige Schrift brachte physische Verjüngung mit sich. Die Erhebung des Geistes bedeutete die Erhebung des Körpers.“ Auf der nächsten Seite des Berichtes sind Mrs. Eddys eigene Worte angeführt. Wir lesen da: „Das Essen von Brot und Trinken von Wein beim Mahle des Herrn versinnbildlicht die Erfrischung der Kinder Gottes, die Sein Wort richtig gelesen haben, das Wort, dessen Aufnahme in ihr Verständnis gesundes Leben bedeutet.“
Wer in den Konkordanzen zu Mrs. Eddys Werken nachschlägt, wird zu der Überzeugung gelangen, daß die geistige Auslegung der Schrift für den individuellen Schüler und für die Welt im allgemeinen ebenso wichtig ist als in Mrs. Eddys Erfahrung, auf die oben hingewiesen wurde. Der Mangel an Verständnis für die vergangenen Erfahrungen des Menschengeschlechtes, wie sie in der Bibel aufgezeichnet sind, muß notwendigerweise den Ausblick auf die Gegenwart trüben; sie fügt dem Gefühl der Ungewißheit hinsichtlich der Zukunft den schädlichen Einfluß der Furcht hinzu.
Die geistige Auslegung der Heiligen Schrift, die für die Gesundheit des einzelnen wie auch der Nation so wichtig ist, besteht nicht in Worklauberei noch in gesuchten und albernen Auslegungen von allgemein gebräuchlichen Worten. Vielmehr hat sie die Aufgabe, der sie sich mit Erfolg widmet, hinter die symboliche Bedeutung zu schauen, die man in der Regel den bekannten Worten in der Heiligen Schrift beilegt, und die wahren Ideen zu ergründen, die die Verfasser mitzuteilen suchten. Dies führt die Gedanken zur wahren Bedeutung von sonst abgedroschenen und oft widersprechenden Aussprüchen und tut für die Menschheit das, was Christus Jesus nach der Kreuzigung für die Jünger tat, als er ihnen nach dem Gang nach Emmaus „das Verständnis“ öffnete, „daß sie die Schrift verstanden.“
Die wahre Bedeutung der Bibel umfaßt ferner nichts, was ihr fremd ist; vielmehr ist sie in ihr enthalten und wird dem Schüler offenbar, dessen Blick nicht durch eine falsche theologische Auffassung beeinflußt ist. Tatsächlich entfaltete sie ihre Schätze den gottgeweihten Gedanken Mary Baker Eddys während der Jahre ihrer Zurückgezogenheit, in der sie fast ausschließlich in der Bibel las, und dies gab ihr die Kraft, den Mut und die Weisheit, die die Welt durch ihre Schriften in unserer Zeit segnen und in künftigen Zeiten segnen werden. Der Zweck ihres Buches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ ist also nicht, die Bibel zu ersetzen oder sie abzuändern, sondern die in ihr enthaltenen Schätze zu erschließen und zu entfalten, und zwar durch das Erlangen geistiger Erkenntnis.
Da nun Geist und Materie Gegensätze sind, so muß die geistige Bedeutung der Heiligen Schrift ganz anders sein als die Bedeutung, welche den materiellen Sinnen augenscheinlich ist. Wenn z. B. das Brot und der Wein des Abendmahls materiell gedeutet werden, so sinkt ihr Genuß bei dieser Gedächtnisfeier auf die Stufe einer traditionellen Verrichtung herab, während ihre metaphysische Wirklichkeit, wenn man sie versteht, die Gedanken über die Illusionen der Sterblichkeit in die ewigen Wirklichkeiten der Welt der göttlichen Wahrheit erhebt. Was die Christliche Wissenschaft über die Bedeutung dieser beiden Worte lehrt, geht aus dem Ausspruch Mrs. Eddys, auf die bereits hingewiesen wurde, klar hervor, wie auch aus anderen Stellen in dem Kapitel „Versöhnung und Abendmahl“ in Wissenschaft und Gesundheit.
Wenn man die Berichte über das Abendmahl in den vier Evangelien miteinander vergleicht, kann man leicht erkennen, daß sich die Lehren der Christlichen Wissenschaft über diesen Gegenstand mit denen der Bibel decken. Im Evangelium des Matthäus und in dem des Markus ist diese Begebenheit in dem verhältnismäßig engen Raum eines Kapitels dargelegt, und der Bericht des Lukas hat die Länge von nur dreiunddreißig Versen, wohingegen Johannes der Begebenheit fünf ganze Kapitel widmet, beginnend mit dem dreizehnten. Matthäus, Markus und Lukas nun erwähnen Brot und Wein, Johannes aber gebraucht diese Worte hier nicht. Anstatt die bei diesem denkwürdigen Feste den Aposteln von ihrem Herrn und Meister dargereichte geistige Substanz und Inspiration als Brot und Wein zu bezeichnen, spricht er von dem Wesen dieser Mittel, beginnend mit dem einunddreißigsten Vers des dreizehnten Kapitels, fünf ganze Kapitel hindurch, bis zu der Stelle: „Da Jesus solches geredet hatte,“ worauf die Darlegung der Begebnisse jenes Tages mit der der anderen Evangelien parallel läuft. Wie bei einem Konzert unter den Zuhörern, die die vorgetragenen Stücke im allgemeinen loben, vielleicht nur einer ist, der die Motive wiedergeben kann, so war es unter den Jüngern Johannes, der sich den Ausspruch Jesu merkte: „Ich bin das Brot des Lebens,“ und uns die Unterweisungen überlieferte, die für sie alle geradezu die Substanz ihres Seins war und sie zu ihrem Werk inspirierte.
Es ist also klar, daß eine materielle Auffassung von dieser Begebenheit die Botschaft unterdrückt, die die Verfasser der Evangelien mitteilen wollten, um dem Menschengeschlecht ein höheres Verständnis für das Wesen Gottes, des Geistes, zu geben. Ja nur durch die metaphysischen Lehren der Christlichen Wissenschaft, die durch das Heilen von Krankheiten aller Art die Unwirklichkeit der sogenannten Materie demonstriert, kann die Auffassung von der Bibel vom Materialismus befreit und als wahr und wirkungsvoll dargetan werden.
Für die, durch ihren Glauben an Beschränkung gehemmten Sterblichen liegt gewiß ein großer Trost in dem Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus, in welchem Christus Jesus Abraham als einen Zeugen des Werkes Mose darstellt, der Jahrhunderte nach Abraham kam; oder in der Unterredung Christi Jesu mit Moses und Elias in Gegenwart von Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Verklärungsberg; oder in des Meisters Worten: „Ehe denn Abraham ward, bin ich.“ Jedoch, im Lichte der Christlichen Wissenschaft betrachtet, „durch welche die geistige Tatsache von allem, was die materiellen Sinne erblicken, erkannt werden kann“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 585), löst sich die Zeit in das ewige Jetzt auf, das alles Gute und jede richtige Tat in sich einschließt, und wir können in gewissem Maße die gegenwärtige Nutzbarkeit der erhabenen Ideen des göttlichen Gemütes oder Prinzips verstehen, die uns dann jederzeit helfen und schützen.
Durch die vermeintliche Wirklichkeit der Materie und die darauf folgende vermeintliche Trennung des Menschen durch Zeit und Raum wird den Menschen das Verständnis für die Heilige Schrift verdunkelt, so daß sie mehr an die Körperlichkeit als an die göttliche Mentalität ihrer hervorragenden Gestalten denken. Das Menschengeschlecht hat einerseits auf allerhand Art danach getrachtet, durch Dogmen hinsichtlich der Vermenschlichung der Gottheit in der Materie eine Verbindung mit ihrer Körperlichkeit herzustellen, und andererseits hat es materielle Gegenstände verehrt, die es mit diesen Dogmen in Verbindung brachte, ohne zu wissen, daß das Nichtvorhandensein der Materie als Substanz sein Streben fruchtlos macht, und daß wahre Einheit nur durch wahres Denken hergestellt werden kann, durch das Gesinnetsein, „wie Jesus Christus auch war.“
Bekanntlich ist die historische Richtigkeit biblischer Personen in Frage gestellt worden. Die Christliche Wissenschaft bezweifelt nicht die Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieser Aufzeichnungen, lehrt aber, daß man vor allen Dingen die Darlegungen der geistigen Ideen und ihrer Beziehungen in dem ewigen Jetzt verstehen lernen muß statt der Aufzeichnungen materieller Gegenstände und Persönlichkeiten, die sich in der Zeitlichkeit bewegen. Erstere bilden das Wirkliche, letztere sind bloßer Schein. Erst wenn man die Materie bestimmt aus den Aufzeichnungen ausscheidet, wird deren eigentliche Bedeutung und deren Botschaft vom Heilen an das ganze Menschengeschlecht klar. „Um dieses herrliche Ziel zu erreichen,“ sagt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 202), „entzündet die Christliche Wissenschaft die Fackel geistigen Verständnisses.“
