Es ist gesagt worden, daß Demokratie Persönlichkeit unterdrücke. Vor vielen hundert Jahren versuchte Aristophanes etwas dergleichen zu behaupten in einem berühmten Schauspiel, doch hat die Geschichte seine Behauptung kaum unterstützt. Die Redensart ist epigrammatisch, ist aber, wie fast alle Epigramme, in eine Verallgemeinerung versunken die unrichtig ist. Was natürlich damit gemeint wird, ist, daß die Eifersucht der Menge den einzelnen daran verhindert, seine Schultern über ihre Köpfe zu erheben; in einfachem Deutsch, daß die Mittelmäßigkeit der Masse dem Glanz der wenigen vorgezogen wird. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß in einer solchen Tatsache ein Element der Sicherheit, sowohl wie ein Element der Gefahr liege. Es wäre in diesem Fall weniger Gefahr, daß die Volksmeinung von einem Alkibiades anstatt dem Stadtrat, beeinflußt würde, aber, auf der anderen Seite, könnte ein Cromwell oder ein Washington nie eine Gelegenheit haben. Es ist Tatsache, daß, als in England die „kassierten Wahlkreise“ entzogen wurden, eben dieses Argument gebraucht wurde um sie zurückzuhalten; doch haben die Jahre die nachfolgten nicht gezeigt, daß es in der Politik von England an glänzenden Persönlichkeiten gemangelt hätte.
Gleichzeitig aber, wenn die Welt nur zu der Einsicht käme, wird nicht der Person nachgefolgt, obschon es merkwürdigerweise wahr ist, daß es die Persona ist die nach aller Herrschaft ringt. Das lateinische Wort Persona, von dem Person abgeleitet wird, war eigentlich die Maske die der Schauspieler trug um die Charaktere, die er vorstellte, zu bezeichnen. Dadurch war die physische Persönlichkeit des römischen Schauspielers durch die Maske verborgen, und die Audienz wurde von einer verborgenen Persönlichkeit, die für sie nur durch ein gemaltes Gesicht gekennzeichnet wurde, zum Lachen oder zu Tränen gereizt. Es ist nicht unähnlich der tatsächlichen Alltagsereignisse. Die Audienz kümmert sich wenig um den Staatsmann oder den Redner, sie wird von der Ausdrucksweise seiner Reden beeinflußt, und der Ausdruck seiner Rede wird entweder vom menschlichen Gemüt, von all den fleischlichen Begierden und Leidenschaften der Materialität durchdrunge, oder nach den Idealen die zum Ausdruck kommen, und die mehr oder weniger die Wiederspiegelung des göttlichen Gemütes oder Prinzips sind, formuliert.
Was nun wirklich wesentlich ist für die Sicherheit der Menschheit, ist, daß sie fähig sein sollte, rechtes Gericht zu richten, wie es der Gründer des Christentums vor langem schon gesagt hat. Nur in dem Verhältnis, in welchem sie fähig ist die Wahrheit vom Irrtum zu trennen, wird es von Bedeutung ob die Menschheit von einem Alkibiades, oder einem Washington, einem Cromwell oder einem Stadtrat angesprochen wird. Das ist gewiß gerade das was Mrs. Eddy schrieb in einem Artikel, „Personal Contagion“ (Persönliche Ansteckung) auf Seite 117 von „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“: „,Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?' Eine Person oder ein Prinzip? Was immer es sei, wird das Richtige oder Falsche diese Anhängerschaft bestimmen.“ In anderen Worten, Prinzip mit Person zu verwechseln, ist ebenso gefährlich wie Person mit Prinzip zu verwechseln. Das jüdische Kirchenregiment war rasend als es hörte, daß Jesus, der Christus, erklärte, daß sein wahres Selbst, Christus, der Sohn Gottes sei, und es wurde zur Verübung des ärgsten Verbrechens in der Geschichte verführt, weil es Erhöhung von Person mit der Stimme des Prinzips verwechselte; während die Masse, die heute „Hosianna“ und morgen „Kreuzige ihn“ schrie, völlig unfähig war zu sagen, ob sie Person oder Prinzip nachfolgten, und deshalb einen Moment von der Stimme des Prinzips und den nächsten vom Mesmerismus des Bösen mitgerissen wurde.
Zum Glück für die Welt, hat ihr Mrs. Eddy einen Kompaß gegeben mit welchem sie ihre Schritte lenken kann, wie laut der Sturm des tierischen Magnetismus auch kreischen mag. Es ist eine klare, metaphysische Kenntnis des Buchstabens, die von der Forderung wissenschaftlicher Demonstration unterstützt wird. Wenn die Leute von Jerusalem Jesus wirklich verstanden hätten als er zu ihnen predigte, so wären sie nie, in blindem Personendienst, den Rabbinern nachgefolgt, die den Angriff auf ihn führten. Sie hätten die Behauptungen der Rabbiner nach ihrem eigenen metaphysischen Verständnis bemessen, und sie hätten dieses metaphysische Verständnis nach ihrer eigenen Macht der Demonstration geprüft. In der Tat aber hatten sie sich so daran gewöhnt, die Beschlüsse der Rabbiner anzunehmen, als Beschlüsse von Männern, von erhabener Geistigkeit und erhabenem Verständnis, daß, als die Stimme der Wahrheit kam, sie nicht hörten obwohl sie Ohren hatten. Ja, die Stimme der Wahrheit, so sagten die Rabbiner zu ihnen, komme von einem Weinsäufer und Fresser, von einem Lästerer und Marktschreier.
Darin liegt der Beweis der großen Notwendigkeit, daß jeder einzelne für sich selbst urteile. Judas, der auf den schlauen Kaiphas horchte, erkannte zu spät was er getan. Aus Furcht und Geldgier hatte er all das Verständnis vom Prinzip, das er je besessen, den Hohenpriestern verkauft. „Des Verräters Preis,“ schreibt Mrs. Eddy auf Seite 47 von Wissenschaft und Gesundheit, „waren dreißig Silberlinge und das Lächeln der Pharisäer. Er benutzte den Augenblick, als das Volk über Jesu Lehren im Zweifel war.“ Gerade dieser Zustand des Zweifels, der durch die Vernachlässigung des einzelnen, sich selbst gegen den tierischen Magnetismus zu beschützen, zustande gekommen ist, den Mrs. Eddy auf Seite 484 von Wissenschaft und Gesundheit mit den Worten: „Der tierische Magnetismus ist die willkürliche oder unwillkürliche Tätigkeit des Irrtums in allen seinen Formen; es ist das menschliche Gegenteil der göttlichen Wissenschaft,“ definiert, ist es, was ihn unfähig macht, rechtes Gericht zu richten, und so sich selbst ein Gesetz zu sein und seine eigenen Beschlüsse zu fassen. Die Beschlüsse, die er faßt, unter dem Einfluß des tierischen Magnetismus, werden ihm ohne sein Wissen aufgezwungen, durch die gleichen Einflüsse die Judas zu Grunde richteten. Wenn Judas das Evangelium wirklich metaphysisch gepredigt und die Kranken wissenschaftlich geheilt hätte, wäre er niemals der Willkür des Hohenpriesters verfallen. Aber durch seine Vernachlässigung die Lehren des Meisters zu verstehen und danach zu handeln, wurde er für die Aufnahme der mentalen Suggestion empfänglich, welche ihn zum Werkzeug des Irrtums machte.
Im absoluten Sinn gibt es kein solches Ding wie eine endliche Person. Es gibt eine Person, göttliches Gemüt, Prinzip. Jede Idee dieses Gemütes ist die Wiederspiegelung der absoluten Wahrheit und Weisheit; und alles andere das nach menschlichem Ermessen zu sein scheint, ist nur die Wiederspiegelung des Bösen, der Nachahmung von Wahrheit und göttlicher Weisheit. Es ist daher eigentlich lächerlich von persönlichem Anhang zu sprechen. Alles, was jeder einzelne tut, wird von seinem eigenen Verständnis oder seiner Unwissenheit vom Prinzip geleitet. Es ist ganz nutzlos zu sagen, eine Person sei gut, hat doch Jesu vor langem schon erklärt, daß keiner gut ist als Gott, Prinzip; und es ist absolut unnütz zu sagen, daß Leute Personen nachfolgen zu ihrem eigenen Unglück, weil das was sie befolgen nur der Mesmerismus des Bösen ist, gegen das sie sich nicht beschützt haben. Jemand anders mag Gutes oder Böses wiederspiegeln, Prinzip oder Person ansehen, die Frage aber für den einzelnen ist nicht was ein anderer wiederspiegelt, sondern, wie Mrs. Eddy sagt: „,Was seid ihr hinausgegangen zu sehen?'“
