Im Sommer, wenn im Freien viele Pflanzen in voller Blüte stehen, wie auch zu jeder andern Zeit werden wir an die Worte Christi Jesu erinnert: „Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht”. Der Meister erklärte, daß „auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie derselben eins”. Welcher Gegensatz! Die menschlich erworbene Pracht Salomos verblaßt vor der natürlichen Schönheit einer Lilie zu verhältnismäßiger Bedeutungslosigkeit! Im weiteren Verlauf zog der Meister die Lehre daraus: „So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, ... sollte er das nicht viel mehr euch tun?” Er rügte den Unglauben, den Mangel an Gottvertrauen, der einen Gottes angemessene Versorgung für alle Seine Kinder aus den Augen verlieren läßt.
Christus Jesus teilte beständig hilfreiche geistige Wahrheiten über Gott und den Menschen mit und rügte gewissenhaft den Weltsinn in seinen verschiedenen Erscheinungsformen. Ehe er darauf aufmerksam machte, was man von den Lilien lernen kann, hatte er seinen Zuhörern von der Vollkommenheit Gottes und des Menschen erzählt. Der zu Gottes Ebenbild geschaffene Mensch versteht die Wahrheit des Seins immer vollkommen. Doch die Sterblichen müssen diese Wahrheit stufenweise verstehen lernen; und der Meister war gesandt, sie zu lehren und zu zeigen, wie man sie verstehen lernen kann. Wir können daher den Schluß ziehen, daß er durch seine Veranschaulichung mit den Lilien seinen Zuhörern einige der nötigen menschlichen Schritte klarmachte, durch die man das Verständnis der unbedingten Wahrheit erlangen kann, und sie vor Fehlern warnte, die aus weltlichen Ansichten entstehen. Wir dürfen die nötigen Schritte, auf die er so geduldig, so einsichtsvoll hinwies, nicht außer acht lassen. Erkennen wir die offensichtliche Tatsache, daß Gott für geringere Geschöpfe sorgt, so verstehen wir besser, daß Er jedes Bedürfnis des Menschen reichlich befriedigt. Durch Erfassen des Geringeren wachsen wir im Verständnis des Größeren. Leiden wir anscheinend je Mangel, so können wir von der Natur mit ihrem Wechsel der Jahreszeiten, ihrem gedeihlichen und üppigen Wachstum, ihrer überreichen Fülle an Blüte und Frucht viele wertvolle Lehren lernen. Schon in diesem menschlichen Sinn von Fülle können wir bei einigem Nachdenken die geistige Tatsache veranschaulicht sehen, daß des Menschen von Gott stammende Versorgung stets hinreichend, ja sogar reichlich ist.
Christus Jesus forderte uns durch diese Veranschaulichung mit den Lilien nicht zu müßigem, weltentrücktem oder träumerischem Nachsinnen auf. Das anzunehmen wäre ein Irrtum, wie sein an praktischer Nützlichkeit, wachsamer Beobachtung und entschlossenem Handeln so reiches eigenes Leben klar zeigt. Die wahre Auffassung von geistiger Wirklichkeit, wie Christus Jesus sie hatte und mitteilte, zwingt einen zu reger, tatkräftiger, zielbewußter Arbeit, die durch geistiges Schauen erleichtert, erheitert und belebt wird. Die Ermahnung des Meisters: „Schauet die Lilien” sollte den Wunsch und die Fähigkeit in uns wecken, das Wesen des wahren Seins zu verstehen. Offenbar leitete Christus Jesus von den Lilien die Lehre ab, daß Gott für alles Geistige und Wirkliche sorgt, und seine Lehre nahm stets gebührend Rücksicht auf praktische Nützlichkeit. Des Meisters Kenntnis reichte weit über eine materielle Grundlage hinaus; denn Christus Jesus verstand die Schöpfung richtig.
Im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mrs. Eddy (S. 240): „Die Blumenapostel sind Schriftzeichen der Gottheit”. Diese unscheinbaren Boten der göttlichen Liebe lehren uns Demut, Bescheidenheit, Schönheit, Nützlichkeit und Erhabenheit. Von ihnen lernen wir, daß wir, wenn wir Gott widerspiegeln, des Menschen wahres Sein ausdrücken und die damit verbundenen Segnungen genießen. Sehen wir diese „Blumenapostel” richtig an, so werden wir die von Gott geschaffene zugrunde liegende geistige Wirklichkeit gewahr. Die Tatsache, daß alle Menschen die Schönheiten der Natur lieben, weist auf die durch alle Kinder Gottes zum Ausdruck kommende Einheit des Guten hin. Wir können daraus sehen, daß die frohe Botschaft des Christus schließlich zu allen Menschen, welcher Rasse sie auch angehören mögen, gelangen wird.
Durch die Christliche Wissenschaft lernen wir die überall in Gottes Weltall geschriebenen Botschaften recht lesen. Mrs. Eddy drückt in ihrem schönen Gedicht „Das neue Jahrhundert” (Gedichte, S. 22) den hilfreichen Gedanken aus:
„Was lehrt uns die Natur, die Erd’, das Blatt, die Blütenpracht?
Die Liebe hat nur ein Geschlecht, ein Reich, nur eine Macht”.
Im Lichte des lebendigen Christentums gesehen ermutigen uns diese Lehren aus der Natur, uns aus der Stumpfheit sterblicher Erfahrung in die Tätigkeit wahren Lebens zu erheben. Sie befähigen uns, Gottes Macht und Gegenwart klarer wahrzunehmen und den Sonnenschein Seiner teuren Liebe zu genießen. Sie helfen uns erkennen, daß in Gottes Reich, das gegenwärtig ist, Einmütigkeit herrscht. So wird es uns immer klarer, daß Gott jedes Bedürfnis des Menschen jetzt befriedigen will und kann.
