Eines Morgens in aller Frühe blickte ein Wanderer, der auf einen hohen Berg gestiegen war, über ein Wolkenmeer hin. Es schien, als stünde er auf einer Insel, während sich zu seinen Füßen Schichten wogender Wolken bis zum Horizont erstreckten, die tief unten im Tale liegenden Dörfer und Felder verbergend. Nur Gebirgsgipfel und die Spitzen hoher Berge ragten über den Nebel empor.
Als er über den weiten Raum hinblickte, war die Täuschung von einem großen Meer mit eingestreuten Inselgruppen, um die sich Wolkenwogen mit schwellenden Schaumkämmen türmten, vollständig. Doch als der Tag anbrach und die Sonne, das Wolkenmeer mit goldenem Licht überstrahlend, mit der Wärme und dem Glanz eines Sommermorgens schien, teilten sich die Nebel allmählich, bis die ganze Landschaft als erhabenes einheitliches Bild von Bergen und vorgelagerten Hügeln, bewaldeten Höhenzügen und grünen Tälern mit wohlgeschützten Gutshöfen offen dalag.
Der Schüler der Christlichen Wissenschaft kann aus der Natur in ihren vielen Stimmungen herrliche Lehren ziehen, und wenn er in Zeiten der Not Umschau halten will, kann er die Lösung eines Problems oft in Lehren, wie Wolken und Berge sie bieten, finden.
Wenn die Wolken des materiellen Sinnes die Allheit und Einheit des geistigen Daseins zuweilen zu verbergen scheinen, mag der Schüler versucht sein zu glauben, daß er ganz allein stehe, daß er von seinen Nachbarn und Freunden durch die Nebel der Einsamkeit oder der Furcht getrennt sei. Welche Trugvorstellung! Wenn die gedanklichen Wolken verschwinden, erweist es sich, daß Harmonie ebenso gegenwärtig ist, wie die ganze Landschaft in einem großartigen Bilde zum Vorschein kommt, wenn die Nebel sich teilen.
Unten in den fruchtbaren Tälern liegen die weißgetünchten Gutshöfe. Oben auf den Höhenzügen breiten sich Kiefernwälder aus, und noch höher, an der Schneegrenze, haben wir die klare, reine Höhenluft, den weiten und erhebenden Ausblick. Alles ist ein großer Einklang. Alle Teile stehen zueinander in Beziehung und gehören zu einem vollständigen und befriedigenden Ganzen zusammen. Kommt es, wenn der Schleier des materiellen Daseins mit seinem verdüsternden Glauben an Vereinsamung, Begrenzung und Absonderung unsern Blick trübt und beengt, nicht davon, daß wir von dem Sonnenschein der Wahrheit und der Liebe keinen Gebrauch machen, um den Nebel zu vertreiben?
Gottes Kind ist nicht eine wie ein einsamer Bote unter eine Gruppe abgesonderter Freunde gestellte Einzelgestalt. Jede rechte Idee ist immer gegenwärtig und und bereit, die Gesamtsumme der Freudigkeit, der Freiheit und des Friedens zu vervollständigen. Die Ideen, die wir brauchen, kommen und gehen nicht. Sie sind immer gegenwärtig, weil des Vaters Familie immerdar vereint und vollständig ist. In unserer Veranschaulichung standen die Hügel und Berge in Wirklichkeit nicht vereinzelt. Sie gehörten zu einem großen, herrlichen, befriedigenden und sicheren Plan. Anblick war durch den Nebel, der wie eine weiße Decke über der Landschaft lag, verborgen; aber das Gelände, die Bäume, die Gehöfte, die Menschen, Vögel und Tiere waren durch den Nebel weder beschädigt noch vernichtet.
Als die Sonne durchdrang, verging der Nebel mit zunehmender Wärme, und nach einigen Augenblicken kam die Landschaft zum Vorschein. Nichts fehlte, die Schönheit jenes Sommermorgens vollständig zu machen, und wer freute sich nicht beim Anblick eines solchen Bildes!
Lasset uns an diese Lehre denken, wenn unsere Freunde weit entfernt scheinen und Zweifel und Not unsern Gesichtskreis verfinstern! In „Miscellaneous Writings” (S. 30) schreibt Mrs. Eddy: „Fasse Mut, lieber Leser; denn alles scheinbar Geheimnisvolle, das die Wirklichkeit umgibt, ist in der Schriftstelle erklärt:, Ein Nebel ging auf von der Erde‘ [der Materie]; und der Nebel des Materialismus wird in dem Maße verschwinden, wie wir uns der Geistigkeit, dem Reich des Wirklichen, nähern, wie wir unser Leben in Christi Gerechtigkeit reinigen, in der Taufe des Geistes baden und in Seinem Gleichnis erwachen”.
Wohin sollten wir an einem nebligen Morgen gehen, um uns über den Nebel zu erheben? Aufwärts, immer aufwärts. Die Höhen überragen oft die Wolken. Unser Wegweiser Christus Jesus wies den Weg, und es gibt keine Entschuldigung für Umherwandern. Er versicherte seine Jünger, daß sie den Weg wußten; und als Thomas des Meisters Behauptung in Frage stellte, erhielt er jene unmittelbaren und kraftvollen Worte zur Antwort: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich”. Durch „Christi Sinn” überwinden wir die Irrtümer des materiellen Sinnes, ersteigen wir den Berg der Christlichen Wissenschaft. Wenn wir diesen Berg ersteigen und Höhen über dem Schleier des Fleisches erreichen, sehen wir, wie das Sonnenlicht der Wahrheit dessen Trugvorstellungen durchdringt,— finden wir den großen Einklang und die Harmonie des geistigen Seins und bleiben uns der Freiheit, des Fortschritts und des immerwährenden Friedens bewußt.
