In dem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen im 13. Kapitel des Evangeliums des Matthäus erhalten Ungestüm und unzeitiges Handeln eine verdiente Rüge. Als die übereifrigen Knechte das vom Feinde gesäte Unkraut entdeckten, fragten sie: „Willst du denn, daß wir hingehen und es ausjäten”? Aber der Hausvater war weiser als sie und erwiderte: „Nein! auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, so ihr das Unkraut ausjätet. Lasset beides miteinander wachsen bis zu der Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer”. Damit lehrte Jesus, daß jede Tätigkeit ihre rechte Zeit habe, und daß eine zur unrechten Zeit ausgeführte rechte Tat sich eher als schädlich denn als hilfreich erweisen kann.
Daß auch unsere wachsame Führerin die Wichtigkeit rechtzeitigen Redens und Handelns erkannte, geht sowohl aus ihrem Leben als auch aus ihren Werken hervor. Sie sagte einmal zu ihren Hausgenossen: „Das Rechte zur unrechten Zeit getan, ist nicht mehr das Rechte” (Mary Baker Eddy: Ein Bild in Lebensgröße von Dr. Lyman P. Powell, S. 227). Und ihr eigener, gut eingeteilter Tag war ein Beweis, daß sie diesem Ausspruch gemäß lebte. Gott beständig um Führung bittend, erwog sie weise die ihr gestellten Fragen und führte dann ihre Entscheidungen zur rechten Zeit aus. Infolgedessen weist ihr Leben in beachtenswerter Weise umfassende und einzigartige Errungenschaften auf.
Rechtzeitiges Handeln ist das Ergebnis von Gehorsam gegen die göttliche Liebe; und da das Gesetz der Liebe keine Übertreibungen kennt, haben Hast oder Aufschub, Ungeduld oder Trägheit keinen Raum in Gottes Plan. In dem einen Gemüt ist jede rechte Tätigkeit göttlich geleitet, und jede Idee bekundet geordnetes Vollbringen. Daher kann der Mensch, der die eine Intelligenz ausdrückt, durch sterbliche Einflüsterungen wie Übereilung oder Teilnahmlosigkeit, Verwirrung oder Unentschlossenheit nicht bestrickt werden. Er lebt in wahrer Bereitschaft, einer Bereitschaft, die Herrschaft und Gleichgewicht bedeutet. Und weil ein solcher Bewußtseinszustand zu keiner Eile drängt und keine Verzögerung duldet, führt er zu göttlich geleitetem Vollbringen.
Durch tägliches Sichvertiefen in die Bibel und das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy lernt der Schüler der Christlichen Wissenschaft für das göttliche Gesetz empfänglich sein und dadurch allen Forderungen natürlich und liebevoll nachkommen. Durch tägliches Nachdenken über die im christlich-wissenschaftlichen Vierteljahrsheft vorgesehenen Lektionspredigten findet er die Inspiration und den Mut, die ihn befähigen, den Problemen des Tages mit Gleichmut entgegenzutreten. Oft will jedoch der persönliche Sinn einwenden, daß Verantwortlichkeiten und Aufgaben sich so häufen, daß man keine Zeit für stille Gemeinschaft mit Gott habe. Wenn diese boshaften Einflüsterungen sich einstellen, ist es weise, wie Maria vor alters das Eine zu wählen, das not tut. Dann wird alles andere seinen rechtmäßigen Platz einnehmen.
Diese Wochenlektionen wiederholen die Allheit des Guten und die daraus folgende Nichtsheit des Bösen. Sie bejahen die Vollkommenheit Gottes und des Menschen in Seinem Bild und Gleichnis. In dem Verhältnis, wie diese Wahrheiten unser Bewußtsein erfüllen, finden wir, daß Spannung der Gelassenheit, Argwohn dem Vertrauen und Furcht der ruhigen Gewißheit weicht, daß alles seine rechte Zeit hat, und daß jede rechte Tätigkeit göttlich gelenkt wird.
Nicht nur zur Regelung häuslicher oder gesellschaftlicher Pflichten, zur Erledigung von Schulaufgaben oder geschäftlichen Angelegenheiten, sondern auch zum Überwinden von Sünde und Krankheit ist wahre Bereitschaft erforderlich. In unserem Lehrbuch lesen wir (S. 390): „Dulde nicht, daß der Anspruch von Sünde oder Krankheit in deinen Gedanken großwachse. Weise ihn mit der dauernden Überzeugung von dir, daß er unrechtmäßig ist, da du weißt, daß Gott ebensowenig der Urheber von Krankheit wie von Sünde ist”. Sünde und Krankheit sind unnatürlich, weil sie nicht Gottes Wesen ausdrücken. Es sind Erscheinungsformen des Mißklangs, die kein wahres Dasein haben, sondern nur den irrenden Sinnen, dem fleischlichen Gemüt, wirklich erscheinen. Unverzügliches Erkennen der Vollkommenheit des Menschen und sofortiges Geltendmachen, daß der Mensch von sittlichen Schwächen und körperlichen Gebrechen frei ist, erspart einem die Strafe des Verzuges. Es befähigt einen, die Unmittelbarkeit des Guten zu beweisen.
Im 5. Kapitel des Evangeliums des Johannes ist eine Begebenheit berichtet, die die Beweisgründe des sterblichen Gemüts, die die Heilung von Krankheit zu verzögern suchen, veranschaulicht. Es ist die Geschichte eines Menschen, der 38 Jahre lang krank gelegen war und am Teiche Bethesda Heilung suchte. Als Jesus ihn sah und erfuhr, daß er schon so lange in diesem Zustande war, gebot er ihm, aufzustehen; und der Mensch war augenblicklich geheilt. Dieser Kranke war ein Sklave der Trugvorstellung, daß er in einem Körper lebe und daß körperliche Heilung nur dadurch kommen könne, daß er sich den Annahmen, den abergläubischen Ansichten und sogenannten Gesetzen der Materie füge. Diesem Grundirrtum des sterblichen Gemüts — Vertrauen auf die Materie anstatt auf den Geist — entsprangen die damit verbundenen Einflüsterungen des Selbstbedauerns, der Verzögerung, der Untätigkeit und der Unterwerfung. Diese Vorwände des persönlichen Sinnes beraubten ihn der Vergegenwärtigung der Kraft und Wirksamkeit, bis der Meister ihm mit erbarmendem Verstehen bewies, daß der Mensch jetzt das vollkommene Kind Gottes ist.
Es ist beachtenswert, daß im Gegensatz zu dem Glauben dieses Menschen, der darauf „wartete, wann sich das Wasser bewegte”, die Gelegenheit zu sofortiger Heilung unmittelbar vorhanden war. Keine günstigere Zeit, kein ungewöhnlicher Vorfall oder Wechsel in materiellen Zuständen und der Umgebung war nötig, den ersehnten Schritt vorwärts herbeizuführen. Nur die unwahren Vorwände einer von Gott getrennten Macht hatten ihn in Knechtschaft von Elend und Unfähigkeit gehalten, und des Meisters Erkenntnis, daß der vollkommene Mensch ewig Gottes Gleichnis ist, bewirkte eine augenblickliche Kundwerdung von Harmonie.
Wenn wir jeden Tag mehr über Gott und den Menschen in Seinem Ebenbild lernen, wenn wir demütig auf die Stimme der Wahrheit hören, daß sie uns führe, werden wir lernen, unverzüglich zu folgen, wenn das göttliche Gemüt es uns heißt, und so lang zu warten, bis Gott den Befehl gibt. Dadurch werden wir zu gelegenerer Zeit reden, unsere Vereinbarungen pünktlicher einhalten, unseren Zahlungsverpflichtungen schneller nachkommen und unsere Aufgaben der Reihe nach folgerichtiger erledigen. Durch solche liebevolle Rücksichtnahme helfen wir „die endgültige Harmonie beschleunigen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 324).
