Manchmal mögen wir wohl allzugern glauben, daß die Zeit, in der wir leben, dem Aberglauben entwachsen sei. Zweifellos haben gesittete Völker viele ihrer früheren rohen Religionsformen aufgegeben. Die Anbetung böser Geister z.B. hat aufgehört, eine Anbetung, bei der das Opfern unschuldiger kleiner Kinder gefordert worden sein mag, um den vermeintlichen Zorn ganz und gar erdichteter Wesen zu beschwichtigen. Die einst gebräuchlichen sonderbaren Verfahren der Krankheitsbekämpfung sind größtenteils durch neuzeitlichere und angeblich intelligentere Verfahren ersetzt worden, und zahlreiche Handlungen zur Abwendung von Schwierigkeiten oder vielleicht von Unheil, wie die Abergläubigen glaubten, sind als kindisch und nutzlos verworfen worden. Zweifellos hat die Menschheit im Überwinden dieser Schwäche Fortschritt gemacht; aber es wäre übertrieben zu behaupten, daß der Aberglaube selbst unter gesitteten Völkern aufgehört habe. Und jedermann weiß, wie üppig er noch unter den sogenannten ungesitteten Völkern der Welt wuchert.
Aberglaube ist nun die Folge vom Unwissenheit und Furcht — Unkenntnis des Unbekannten oder Eingebildeten und Furcht davor. So ist Unwissenheit über Gott die Hauptursache des Aberglaubens der Menschen gewesen. Sie haben geglaubt, Er sei ein Wesen, das das Gute und das Böse kenne und den Sterblichen willkürlich Gutes oder Böses schicke. Sie haben geglaubt, Er könne sowohl hassen als auch lieben und sei dementsprechend zu fürchten oder zu verehren. Die Folge davon war ein sinnloses Gemisch von abergläubischen Bemühen, Seinen Zorn zu beschwichtigen, und von einer ebenso abergläubischen Anbetung, um Seine Gunst zu erlangen. An diese Denkart richtete Paulus seine berühmten Worte: „Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr in allen Stücken gar sehr die Götter fürchtet. Ich bin herdurchgegangen und habe gesehen eure Gottesdienste und fand einen Alter, darauf war geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch denselben, dem ihr unwissend Gottesdienst tut”.
Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 83): „Zwischen der Christlichen Wissenschaft und allen Formen des Aberglaubens ist eine große Kluft befestigt, die ebenso unüberschreitbar ist wie die zwischen dem reichen Mann und Lazarus”. Wie konnte unsere Führerin eine solche Behauptung aufstellen? Sie konnte es, weil die Christliche Wissenschaft, die sie entdeckte, die Wahrheit, die unbedingte Wahrheit über Gott offenbart und so allen aus Unkenntnis und falscher Ansicht über die Gottheit hervorgehenden Aberglauben beseitigt. Die Christliche Wissenschaft erklärt, daß Gott die Liebe ist, daß Er gut, daß Er unendlich ist, und sie behauptet, daß Er keine einzige böse Eigenschaft hat. Gott kennt beständig nur das Gute, und aus diesem Grunde ist der Mensch, Seine vollkommene Widerspiegelung, unaufhörlich gesegnet.
Um dieses Verständnis Gottes zu erlangen, um Seiner Güte, Seiner Liebe, Seiner beständigen Fürsorge gewiß zu sein, sollten sich die Schüler fleißig in die Christliche Wissenschaft vertiefen. Das erfordert Zeit; denn wir verlieren den falschen Sinn des Bösen oder des Irrtums nicht plötzlich, auch wenn wir wunderbare Lichtblicke von seiner Unwirklichkeit haben mögen. Wissen wir aber die Wahrheit, daß Gott gut ist, daß nur das Gute wirklich ist, und daß böse Annahmen keine Grundlage in der geistigen Tatsache haben und daher nichts als abergläubische Einflüsterungen sind, so können wir mit andächtigem Eifer weiter in die Wissenschaft eindringen und des schließlichen Sieges gewiß sein. „Wir dürfen die Bedeutsamkeit des Aberglaubens nicht weiter zugeben, sondern wir müssen jede Annahme in bezug auf denselben aufgeben und weise sein” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 354).
Krankheit wird gewöhnlich nicht als eine Form von Aberglauben angesehen. Kann man aber im Lichte der Gotteserkenntnis, die wir in der Christlichen Wissenschaft erlangen, sagen, daß sie es nicht sei? Krankheit oder Gebrechen irgend welcher Art ist nicht von Gott, dem vollkommenen Schöpfer alles Wirklichen, und hat daher kein wahres Dasein. Wenn die Kranken über die Unwirklichkeit der Krankheit aufgeklärt werden, sehen sie, daß ihre Befürchtungen grundlos sind. Und wenn Furcht, eine der Hauptursachen der Krankheit und ihres Fortbestehens, überwunden ist, sollte Heilung eintreten.
Ein Aberglaube, vor dem die Menschen auf der Hut sein müssen, ist Sterndeuterei; denn diese möchte sie zu dem Glauben verleiten, daß die Planeten das Schicksal der Menschen bestimmen. Was für ein Irrtum! Gott ist der einzige Schöpfer, der einzige Beherrscher des geistigen Weltalls — Seines Weltalls — einschließlich jedes Menschen. Wenn wir den Menschen als Gottes Ebenbild erkennen, verstehen wir, daß er als Widerspiegelung der Macht Gottes mit geistiger Herrschaft ausgestattet ist und keinerlei abergläubischer Beherrschung untertan ist.
Wie listig doch Furcht zuweilen das ungeschützte Denken, das einen Augenblick vorher noch glücklich und zufrieden gewesen sein mag, unbemerkt mesmerisiert! Was würde die Menschheit nicht darum geben, ganz davon frei zu sein! Was für eine Freiheit diese Erlösung für die Welt bedeuten würde! Auf keine andere Art und Weise ist Furcht zu überwinden und so ihren oft tragischen Folgen vorzubeugen als auf die Art und Weise, die die Christliche Wissenschaft uns enthüllt. Wir müssen die Wahrheit von Gottes Allheit, Güte und Liebe und die Unwirklichkeit des Bösen erkennen. „Du tust mir kund den Weg zum Leben”, sagt der Psalmist, „vor dir ist Freude die Fülle”. Da ist kein Raum für abergläubische Furcht!
