Demut und Herrschaft gehen Hand in Hand. Wo das eine zu finden ist, ist sicher auch das andere, Er, der sagte: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott”, wußte sehr gut, daß der Sohn eins ist mit dem Vater, und daß Gottes Sohn die unendliche Güte Gottes vollkommen widerspiegelt.
Jesus von Nazareth war der demütigste und zugleich der mächtigste Mensch. Er beanspruchte keine von Gott getrennte Macht; aber dadurch, daß er Gott als die eine und einzige Quelle aller Macht anerkannte, brachte er selber mehr Macht und Herrschaft zum Ausdruck als irgend ein Mensch, der je auf Erden lebte. Er ging auf dem Wasser, stillte den Sturm, speiste das Volk, heilte die Kranken und weckte die Toten auf. Und er erklärte diese wunderbaren Bekundungen der göttlichen Macht mit den Worten: „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke”.
Mary Baker Eddy, die große Auslegerin der Worte und Werke des Meisters, schreibt auf Seite 30 und 31 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”: „In Sanftmut und Macht sehen wir ihn den Armen das Evangelium predigen”. Und auf Seite 39 desselben Buches schreibt sie: „Sanftmütig begegnete unser Meister der Verspottung seiner unerkannten Größe”.
Mrs. Eddy bewies selber, und durch ihre Entdeckung und ihren Beweis der Christlichen Wissenschaft lehrte sie andere beweisen, daß demütiges und dankbares Anerkennen des göttlichen Gemüts als Quelle und Ursache aller wirklichen Intelligenz und Macht einem ein Freiheits- und Herrschaftsgefühl gibt, das auf keine andere Art zu finden ist. Sie heilte wie Jesus die Kranken durch die Christuskraft. Sie anerkannte Gott auf allen ihren Wegen, und die Christlichen Wissenschafter finden durch ihre Lehre und ihr Beispiel, daß auch sie im Verhältnis zu ihrer Gewissenhaftigkeit und Treue Krankheit und Sünde durch geistige Kraft heilen können. So beweisen sie die Wahrheit der Worte Jesu: „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue”.
Wahre Demut bekundet sich nicht durch sklavische Unterwürfigkeit, sondern durch Dienen. Sie prahlt nicht, aber sie kriecht auch nicht. Sie steht aufrecht da, ist sich mit Gelassenheit ihrer Einheit mit der göttlichen Quelle aller Güte, Gerechtigkeit, Freiheit und Herrschaft bewußt. Sie drückt sich in Zuversicht, aber nicht in Anmaßung aus. Sie hat nichts Überhebliches an sich; aber sie spiegelt zuversichtlich und mutig jenes göttliche Selbstbewußtsein wider, das das Bestehen einer Macht oder Gegenwart getrennt von sich oder außerhalb seiner selbst nicht zugibt. Echte Demut schreckt nicht davor zurück, zu behaupten, daß der Mensch das genaue Ebenbild seines Schöpfers ist. Sie zögert nicht, zu beanspruchen, daß die Idee Gottes im Wesen so gut ist wie ihr göttliches Prinzip.
Wer wahre Demut besitzt, betrachtet es nicht als Lästerung, „das ewige Leben zu ergreifen”, und, wie Mrs. Eddy auf Seite 264 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt, zu „handeln wie einer, der alle Macht von Ihm besitzt, in dem wir unser Sein haben”. Der Schüler der Christlichen Wissenschaft, der sich demütig der unzerstörbaren Einheit des Menschen mit der göttlichen Liebe bewußt ist, kann nicht zu gleicher Zeit Furchtgefühle hegen. Wer in wahrer Demut Gott, das göttliche Gemüt, als die eine und einzige Quelle seiner — das Menschen — Fähigkeit und Tüchtigkeit, etwas zu tun und zu vollbringen, anerkennt, kann nicht gleichzeitig von einem Gefühl der Unfähigkeit und Untauglichkeit gequält werden. Wer dankbar und demütig sein Einssein mit der ganzen Macht und Intelligenz, die es gibt, erkennt, kann sich nicht zu gleicher Zeit eines Gefühls der Begrenzung oder drohender Niederlage bewußt sein. Wer demütig erkennt, daß Gott sein Leben, die Quelle seines Daseins, seiner Gesundheit, seiner Kraft, seiner Rüstigkeit, seiner Unsterblichkeit ist, kann nicht zu gleicher Zeit von der mesmerischen Einflüsterung, daß Krankheit und Tod wirklich seien, mit Schrecken erfüllt werden.
Jesus war der Wegweiser der Menschheit. Er offenbarte durch sein Verständnis und seinen Beweis des Christus, der geistigen Idee Gottes, den Weg der Erlösung. Sein Weg, der Christusweg, war der Weg der Demut, der Weg demütigen Anerkennens der Allerhabenheit, Allgegenwart und Allmacht Gottes. Sein Weg ist der Weg aller wahren Christen, der Weg aller treuen, gehorsamen Schüler der Christuswissenschaft oder der Christlichen Wissenschaft. Wenn die Christlichen Wissenschafter diesen von ihrer geliebten Führerin gewiesenen Weg gehen, beweisen sie Schritt für Schritt, nach und nach, in ihrem täglichen menschlichen Leben, daß der Weg der Freiheit und Herrschaft in der Tat der Weg der Demut ist.
In dem Aufsatz „Der Weg” in ihrem Buch „Miscellaneous Writings” (S. 356) schreibt Mrs. Eddy: „Demut ist Linse und Prisma des Verständnisses des Gemüts-Heilens. Ohne Demut ist es unmöglich, unser Lehrbuch zu verstehen. Sie ist für das persönliche Wachstum unerläßlich, und sie lehrt uns ihr göttliches Prinzip und ihre Anwendungsregel befolgen. Pflege die Demut, ‚wache‘ und ‚bete ohne Unterlaß‘, sonst verfehlst du den Weg der Wahrheit und der Liebe”. Durch ernstes und gewissenhaftes Bestreben, die Demut zu pflegen, erlangen viele Schüler der Christlichen Wissenschaft nach und nach eine vollere Erkenntnis des wahren geistigen Selbst des Menschen, von dem der Psalmist schrieb: „Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk; alles hast du unter seine Füße getan”.
