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Größer als Umstände

[Besonders für junge Leute geschrieben]

Aus der Februar 1936-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Eine der versklavenden Annahmen des menschlichen Gemüts ist die Versuchung zu glauben, daß Umstände größer seien als wir, daß sie über uns Herr sein und uns zu unserem Schaden beeinträchtigen können, und daß wir daher die Schuld für unsere Fehlschläge mit Recht äußeren Verhältnissen zuschreiben können. Diese hinterlistige Neigung des sterblichen Gemüts scheint sehr frühe ihren Anfang in unserer Erfahrung zu nehmen. Manchmal deuten kleine Kinder, wenn sie wegen Streit beim Spiel zurechtgewiesen werden, auf einen Mitspieler und rufen: „Der hat angefangen”! Dieses Beschuldigen von jemand oder etwas scheint, wenn es nicht aufgedeckt und ausgetrieben wird, zuzunehmen. Junge Leute, die in die Schule gehen oder ins Geschäftsleben eintreten, müssen dieser Untugend entgegentreten und sie meistern, wenn sie sich schützen und ein erfolgreiches Leben führen lernen wollen.

Wenn wir alles glauben müßten, was wir zuweilen hören: Der Schüler auf der höheren Schule wäre froh, wenn er einen andern Zimmergenossen hätte; er käme im Lernen gut voran, wenn einer seiner Lehrer anders wäre; er würde sich im Sport auszeichnen, wenn seine Sportkameraden ihm Gelegenheit gäben! Später mögen wir denken, wir kämen im Geschäftsleben schnell vorwärts, wenn unser Arbeitsgeber nicht einen gewissen Irrtum beginge; wir wären gesellschaftlich erfolgreicher, wenn wir in einer andern Nachbarschaft wohnten; wir wären bessere Christliche Wissenschafter, wenn unsere Arbeit uns mehr Zeit ließe, uns darein zu vertiefen! Und so geht es weiter, mit einem andern Vorwand für jede Lage; aber alle Vorwände verraten eine auffallende Ähnlichkeit: den Versuch des sterblichen Gemüts, sich zu rechtfertigen und uns zu veranlassen, die ganze Schuld für unsere Fehlschläge, unsere Unzulänglichkeiten und unser verkehrtes Handeln in etwas außerhalb unseres eigenen Denkens zu suchen.

Christus Jesus, unser großer Wegweiser im menschlichen Leben, sagte einst: „Des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein”. Auf die hier besprochene Neigung angewandt, dürfte dies wohl bedeuten, daß unsere Gegner, unsere Feinde, die Dinge, die unsern Fortschritt aufzuhalten scheinen, nicht von außen, sondern von innen, von unserem eigenen Denken kommen. Wenn es auch nicht erfreulich ist, hierüber nachzudenken, da es die Verantwortung für unsere Niederlage unumwunden uns selber auferlegt, so bietet es uns doch gleichzeitig einen befriedigenden Anhaltspunkt zur Lösung unserer Probleme. In unserem täglichen Verkehr können wir nicht erwarten, andere Leute und andere Umstände zu unserem Gesichtspunkt zu bewegen; aber nichts kann uns daran hindern, unser eigenes Denken über eine gegebene Lage zu berichtigen. Unsere Freudigkeit oder Freudlosigkeit hängt daher nur von unserer eigenen Wachsamkeit ab, mit der wir die Türen unseres Denkens hüten.

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