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Das Anwenden des Gebets

Aus der September 1950-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Gebet ist nicht nur das Mittel, wodurch sich die Menschen an Gott wenden. Es ist das Bewußtsein der Allgegenwart. Es gibt uns nicht nur die Versicherung, daß die göttliche Macht zugänglich ist; es ist die Kenntnis und das Anwenden dieser Macht. Durch das Beten werden sich die Menschen der Gegenwart Gottes bewußt, lernen sie verstehen, daß sie in dieser Gegenwart weilen. Sie lernen verstehen, daß der Mensch, da er die Widerspiegelung des Göttlichen ist, wesenseins mit der Allgegenwart ist; daß sich Allgegenwart nicht nur auf Gott, sondern in der unendlichen Inbegriffenheit und Fortdauer des Ausdrükkens des Selbst auch auf den Menschen bezieht.

Wenn wir einen geistigeren Begriff von des Menschen Beziehung zu Gott erlangen, wenden wir das Beten weitgehender an. Dann betrachten wir es nicht mehr als ein Vorgehen, um Gott im unermeßlichen Raum auf uns aufmerksam zu machen und Ihn um Seine Fürsorge anzuflehen. Ebenso betrachten wir die Erhörung des Gebets nicht mehr als einen Zufall oder ein Zusammentreffen, als etwas, was vielleicht das Ziel des Gebets nicht erreicht, den Zweck des Gebets nicht erfüllt und fehlschlagen kann. Durch das Gebet, wie es in der Christlichen Wissenschaft gelehrt wird, finden die Menschen, daß sie infolge eines geläuterten und höher gehobenen Denkens in der Gegenwart Gottes, des Lebens, der Liebe, und daher in Gegenwart ihres wahren Seins sind; und sie lernen verstehen, daß das Aufrechterhalten dieses Bewußtseins des wahren Selbst bedeutet, daß sie vor den die Menschen bedrängenden Leiden Zuflucht finden; daß sie gewiß wissen können, daß die göttliche Liebe immer zugänglich ist.

Christus Jesus sagte: „Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast. Doch ich weiß, daß du mich allezeit hörst.“ Unablässige Gemeinschaft mit Gott ist das wahre Wesen des Gebets. Sie erhält des Menschen Einheit mit dem Geist aufrecht und entfaltet sie. Sie ist ein unerläßliches, unwandelbares, ewiges Einssein. Sie ist die Gewißheit des Sieges über das Böse. Sie beweist Allgegenwart.

Wer inmitten der Behauptungen und Bekundungen von Gegensätzen und der lauten Geltendmachung und Anmaßung sterblicher Widerwärtigkeiten weiß, daß Gott ihn hört, weil sein innerstes Denken in der Feste der Allgegenwart bleibt, zweifelt nicht an der Wirksamkeit seines Gebets. Jesus erklärte nicht nur, daß Gott ihn höre, sondern auch, daß er wisse, daß dies immer der Fall sei. Durch geistige Erleuchtung nehmen die Menschen wahr, daß das Bewußtsein der Allgegenwart Gottes der Beweis ihres Einsseins mit Ihm ist, und daß diese Gegenwart sich daher beständig in einer Weise ausdrückt, die dem menschlichen Denken Erbauung, Heilung und Frieden bringt.

In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt Mary Baker Eddy (S. 29, 30): „Jesus war der Sprößling von Marias selbstbewußter Gemeinschaft mit Gott.“ In dieser selbstbewußten Gemeinschaft erreichte Maria einen Begriff von Mutterschaft, durch den sie ein Kind zur Welt bringen konnte, das der Erlöser der Welt werden sollte. Ihr war nicht nur die Allgegenwart Gottes offenbar geworden, sondern auch ihr eigener, persönlicher Anteil an deren Kundwerdung, was die geistige Idee oder den Christus in das menschliche Bewußtsein brachte. Durch das Erfassen des Bewußtsein des wahren Selbst verschwindet das Bewußtsein eines von Gott getrennten Selbst.

In dem Maße, wie die Menschen sich der Gegenwart Gottes bewußt werden, und bewußt in Gemeinschaft mit Ihm treten, lernen sie die geistige Idee und des Menschen Wesensübereinstimmung mit ihr erkennen. Diese Wiedergeburt, wobei das Sterbliche aufgegeben wird, damit man das Wirkliche und Ewige erlange, ist das Erscheinen des Christus-Ideals. Jedem Gedanken, jeder geistigen Idee, die durch bewußte Gemeinschaft mit Gott zum Vorschein kommt, ist die Macht gegeben, zu segnen, zu heilen und zu befreien.

In allen Äußerungen Jesu ist nichts bedeutsamer als seine natürliche und unveränderliche Beziehung zu Gott. Weil er kein anderes Selbst anerkannte, war seine bewußte Gemeinschaft mit Gott nie gehindert, nie nur ein Versuch, nie im Zugang zum Göttlichen beschränkt. Sie war weder ein Zurückdenken an die Vergangenheit, noch etwas in der Zukunft Erwartetes. Sie war das Jetzt des geistigen Seins, wie es im Evangelium des Johannes betont ist: „Wie mich mein Vater kennt, kenne ich den Vater“ (engl. Bibel). Nur durch Beten können die Menschen lernen, unablässig mit Gott in Gemeinschaft zu sein.

Wir lesen, daß Jesus des Morgens vor Tagesanbruch aufstand, und daß er „über Nacht in dem Gebet zu Gott blieb.“ Was Gethsemane lehrt, ist unablässiges Beten. Um inmitten tückischer oder offenkundiger Anstrengungen des Feindes bewußt in Gemeinschaft mit Gott zu bleiben, kann es zuweilen nötig scheinen, lange vor Tagesanbruch aufzustehen. Wer sich so im Gebet erhebt, erkennt in bewußter Gemeinschaft mit Gott, gleichwie Gott ihn kennt; je heller es an Stelle der Dunkelheit wird, desto mehr wird er jene Allgegenwart gewahr, in der es keine Ungewißheit gibt, von der es kein Ausgeschlossensein, kein Getrenntsein gibt.

Wie unendlich tröstlich doch in jenen Augenblicken des Kampfes, wo die Menschen versucht sind, sich zu fragen, ob ihr Mut standhalten wird, ob das Sterbliche sich nicht vielleicht stärker als das Geistige erweisen wird, der Hinweis unserer Führerin ist, daß Gebet sich nie außerhalb, sondern immer innerhalb der Liebe befindet, die es hört und erhört, weil das, was gibt und das, was empfängt, eins sind. Sie schreibt in „Nein und Ja“ (S. 39): „Wahrhaft beten heißt nicht Gott um Liebe bitten; es heißt lieben lernen und alle Menschen in eine Liebe einschließen. Durch das Gebet machen wir uns die Liebe zunutze, mit der Er uns liebt.“

Nicht um etwas Materielles bitten — da uns alles Gute in Wirklichkeit immer gehört — sondern lernen, mit der Liebe wesenseins zu sein, das ist der Zweck des Betens. Was für grenzenlose Gelegenheiten wir bei diesem Lernen sehen! Hier können wir wahrlich unsere Gelehrigkeit beweisen. Wenn wir die Unendlichkeit der Liebe Gottes erfassen, muß Furcht aufhören, uns zu quälen. Bewußte Gemeinschaft mit der Liebe wird in einem Leben offenbar, das kein menschlicher Umstand, keine Weltlage beunruhigen kann. Durch dieses Beten lernen wir verstehen, wie es kam, daß Jesus sich inmitten von Haß, Verrat, des Verlassenseins und der Rache das bewahrte, was alles Böse überwindet, weil es in der Allgegenwart weilt. Da er von der Liebe Gebrauch machte, mit der Gott ihn liebte, wußte er, daß deren Quelle unerschöpflich ist. Wie hätte es anders sein können, als daß Jesus wußte, daß er nicht ab und zu, sondern stets erhört wurde, da er sich unablässig Gottes bewußt war, da er sich unablässig des Selbst bewußt war, das Gott ausdrückt? Und er verlieh dieses ganze Wissen, diese ganze durch angewandtes Gebet vollkommen zum Ausdruck kommende Macht, die er hatte, seinen Nachfolgern.

In der Innigkeit der Anwendung der Liebe, durch das Erkennen dessen, was Gott uns gegeben hat, wird das menschliche Dasein berichtigt, höher gehoben und erhalten; der göttliche Wille geschieht; die göttliche Absicht wird ausgeführt. Ein falscher Sinn der Verantwortung weicht, Unverantwortlichkeit wird berichtigt. Man betrachtet Pflichten nicht als eine Last, die man auf sich nehmen muß, oder als eine Bürde, die man abzuschütteln sucht. Durch Gebet lernen die Menschen jene Liebe anwenden, die nicht eifersüchtig und anmaßend, ungeduldig und anspruchsvoll wird; die von andern nicht mehr fordert, als sie geben können, noch zu wenig dafür bietet; die keine Enttäuschung oder Entziehung zur Folge hat; die weder Abgeschiedenheit noch übermäßige Forderungen auferlegt. Durch Gebet lernen die Menschen jene Art Liebe verstehen, die sich in Schönheit und Macht entfaltet und ihnen gemeinsam mit Gott gehört.

In diesem Bewußtsein, daß Gott die Liebe ist, verschwinden die Befürchtungen, die Hemmungen, das nichtige Treiben und die Demütigungen, die den Menschen einen entstellten Begriff von sich selber und andern geben. An ihre Stelle tritt die Liebe der göttlichen Liebe, die sie sich zunutze machen können, weil sie durch ihre Allheit unendlich zugänglich ist.

Im Licht der vielseitigen Anwendung des Gebets erlebt man, was Mrs. Eddys Worte bedeuten (Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1902, S. 8, 9): „Durch geistige Liebe wird sich der Mensch bewußt, daß Gott sein Vater ist, und das Bewußtsein, daß Gott die Liebe ist, gibt dem Menschen eine unermeßlich fördernde Macht.“ In diesem Bewußtsein, daß Gott die Liebe ist, in bewußter Gemeinschaft mit Ihm wissen die Menschen, daß sie in der Allgegenwart weilen. Das Ergebnis dieses Wissens ist eine unermeßlich fördernde Macht im Himmel und auf Erden.

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