Eine kurze und dramatische Erklärung Christi Jesu wird im 17. Kapitel des Lukasevangeliums wiedergegeben. Sie besteht aus nur fünf Worten und bildet einen Vers: „Gedenket an des Lot Weib!“ Der Meister sprach zu den Pharisäern von dem Himmelreich und sagte: „Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier! oder: da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“
Mary Baker Eddy erläutert diese Erklärung in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“, wo sie schreibt (S. 291): „Der Himmel ist keine Örtlichkeit, sondern ein göttlicher Zustand des Gemüts, in dem alle Offenbarwerdungen des Gemüts harmonisch und unsterblich sind, denn es gibt dort keine Sünde, und es erweist sich, daß der Mensch keine eigne Gerechtigkeit hat, sondern daß er ,des Herrn Sinn' besitzt, wie die Bibel sagt.“ Das Himmelreich ist eine individuelle Erfahrung, ein Bewußtseinszustand. Es ist die Erkenntnis, daß das wahre Bewußtsein geistig und harmonisch ist. Es ist von Gott abgeleitet, es wird von Gott beherrscht und von Gott beschirmt. Dies Bewußtsein ist sowohl euer Bewußtsein wie mein Bewußtsein, obwohl wir dies gegenwärtig noch nicht klar erfassen.
Mrs. Eddys Erklärung: „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem“, die wir in der „wissenschaftlichen Erklärung des Seins“ (ebd. S. 468) finden, ist die Voraussetzung, von welcher alle richtigen Schlußfolgerungen betreffs des Bewußtseins abgeleitet werden müssen. Ein Bewußtsein, das von dem Bösen sowohl wie von dem Guten weiß, ist nicht von Gott abgeleitet. Das Bewußtsein des Menschen, der zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffen wurde, ist vollkommen gut, unbegrenzt in seinem Gesichtskreis und unendlich in seinen Fähigkeiten.
Die Warnung des Meisters: „Gedenket an des Lot Weib!“ lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Gefahr des Zurückgehens oder Zurückschauens auf irrige Zustände oder Bewußtseinsstufen, die wir überwunden haben. Mit Bedauern und mit Furcht zurückzuschauen auf ein unheiliges Erlebnis der Vergangenheit, bedeutet unseren Fortschritt aufzuhalten. Das Weib des Lot blickte zurück auf die Freuden der brennenden Stadt Sodom und wurde in eine Salzsäule verwandelt. Möglicherweise versinnbildlichte die Salzsäule einen verbitterten und nicht fortschreitenden Gemütszustand, der stillstand, weil er aus Gewissensgründen nicht nach Sodom zurückkehren konnte, und doch auch nicht wirklich danach verlangte, in der reineren Atmosphäre der Berge zu leben. Vielleicht hatte Lots Weib immer noch einen heimlichen Wunsch, in der Stadt zu bleiben — dem Bewußtseinszustand, welcher vernichtet wurde, als das Feuer der läuternden Trübsal die Eindrücke der Sünde zunichte machte.
Die Geistiggesinnten fühlen eine unwiderstehliche Anziehung zu den Dingen des Geistes. Sie lieben alles Schöne in der Musik, in Kunst und Literatur und weisen unverzüglich zurück, was erniedrigend, häßlich und unwahr ist. Was wahr ist in bezug auf die Künste ist ebenfalls wahr in bezug auf die Kunst des Lebens. Unheiliges Verlangen, Haß, Furcht und Selbstsucht sind in der Stadt Sodom zu finden, in dem sogenannten materiellen Bewußtsein, von dem wir zu fliehen beginnen.
Mit Mut und der Überzeugung, daß die geistige Deutung des Lebens die rechte ist, beginnen wir unsere Reise von den Sinnen zur Erlösung, und zwar voller Freude und niemals mit einem rückwärts gerichteten Blick, oder einem heimlichen Verlangen, zurückzukehren zu der lässigen Apathie des Materialismus, den sogenannten Freuden der Sinne, die von einem Moment zum anderen von uns gerissen werden können.
In dem Maße, wie wir das alte Bewußtsein um des neuen willen aufgeben, werden wir uns dessen bewußt, daß helle Gefilde vor uns liegen. Und das ist wahr, nicht nur für den Einzelmenschen, sondern auch für die Völker. Glaubt ihr etwa, daß die Welt einer Katastrophe entgegeneilt? Das ist nicht der Fall. Die Wahrheit überholt, hemmt, berichtigt und zerstört das Böse. Diejenigen, die das Böse aufgegeben und seine Unwirklichkeit erkannt haben, sind nicht mehr in dem Bewußtseinszustand, in dem die Sünde eine Stätte hat, und darum sind sie gefeit vor dem Bösen. Das Gute im wahren Menschentum bleibt bestehen, bis die Menschen umgewandelt und vergeistigt werden.
Die Stadt Gottes ist von keinem Sumpf umgeben, über den kein Weg führt. Jesaja sagt (35:8): „Es wird daselbst eine Bahn sein und ein Weg, welcher der heilige Weg heißen wird.“ Alles rechte Verlangen, Demut, Hoffnung, Glaube, Selbstlosigkeit und echte Liebe bilden eine Hochstraße, auf der wir sicher wandern können, von der Stadt auf der Ebene zu der himmlischen Stadt auf den Bergen. Wir können es uns nicht leisten, unsern Fortschritt dorthin durch ein Zurückschauen aufzuhalten. Geiz, Sinnlichkeit, Unehrlichkeit und bloße Frivolität weichen der Großmut, der Reinheit, der Ehrlichkeit und der geistigen Tiefe.
Als das Rote Meer sich für die Kinder Israel auftat, so daß sie hindurch gehen konnten, während dann die Ägypter von den zurückkehrenden Wogen weggeschwemmt wurden, empfing Moses, der Diener Gottes, die folgende Verheißung (2. Mose 14:13): „Diese Ägypter, die ihr heute sehet, werdet ihr nimmermehr sehen ewiglich.“
Bei unserm freudigen Auszug aus der Materie und zum Geiste hin ist es wichtig, uns an das Weib des Lot zu erinnern. Es sollte dabei keinen einzigen Augenblick des Zurückschauens geben, — weder des trauernden Zurückschauens auf eine peinvolle Erfahrung der Vergangenheit, noch auf materielle Freuden der Vergangenheit. Das Weib des Lot blickte zurück auf die gedankenlose, sündhafte Lebensweise der Stadt Sodom, und das war offenbar falsch; doch manche blicken mit Bedauern zurück auf eine Erfahrung, der sie entwachsen sind, und glauben vielleicht sogar, daß sie berechtigt sind, das zu tun. Rückblicke verhindern fortschrittliche Tätigkeit. Sich wieder zurückzuwenden zu früheren Bewußtseinszuständen, verzögert unseren Fortschritt und wirkt wie ein Hemmschuh auf unseren schnellen Übergang zu dem Bewußtsein des Himmelreichs.
Jedes Erlebnis, gleichwohl ob es betrüblich oder anders ist, sollte uns vorwärts treiben zu vollerer Herrschaft über alles, das Gott unähnlich ist, und sollte uns aufgeschlossener machen für die Geistigkeit, die im wahren Bewußtsein des Menschen zu finden ist. Gefühle des sich Zurückwünschens sind wie tiefe Furchen, in denen die Räder stecken bleiben. Die Hochstraße des Christus ist eine feste, große Straße, auf der wir mit Sicherheit und ohne rückwärts gerichtetes Schauen wandern können.
