Wir alle lieben den Gedanken der Auferstehung. Die Herrlichkeit und das Wunder des Beweises Christi Jesu über den Tod verfehlen nie, jeden Christen, besonders den Christlichen Wissenschafter, zu begeistern. Im allgemeinen betrachtete die christliche Welt dieses gewaltige Ereignis jedoch als den einzelnen Sieg eines persönlichen Erlösers, und nur die Christliche Wissenschaft zeigt dessen tiefe geistige Bedeutung und gibt die wissenschaftliche Erklärung. Jesu Auferstehung hat nicht nur den Tod abgeschafft — den Glauben, daß der Tod das Ende sei — und die Trauernden mit der Gewißheit des ewigen Lebens getröstet, sondern sie hat uns auch das höchste Beispiel gegeben, was jeder von uns schließlich vollbringen muß, nämlich beweisen, daß die Materie das Leben nicht zerstören kann; daß der Mensch hier und jetzt im Reich des Geisters, im Reich der unsterblichen Wirklichkeit besteht, daß Tod und Materie aus unserer Gegenwart fliehen müssen, wie Finsternis vor dem Licht flieht. Das einzige, was vergeht, ist das Vergehen des Schattens Materialität, an dessen Stelle das unsterbliche geistige Dasein verbleibt. Dann gibt es
„Kein Grab für veraltetes Denken,
Keine Gruft für aufgegebene Finsternis.“
Jesus trug sich, als er die Kreuzigung erlitt, mit dem Gedanken der Auferstehung, der ihn bewegte. Dann laßt uns bei einer Anfechtung, die unserem getrübten Denken wie ein Kreuz erscheint, unerschütterlich festhalten an dem Gedanken der Auferstehung, an dem Gedanken, durch den unser großer Meister vor seiner Kreuzigung sagen konnte (Joh. 16, 33): „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“
Jesus war, ehe er Lazarus von den Toten auferweckte, überzeugt, daß er Lazarus aus dem Grab hervorrufen werde; denn er sagte (Joh. 11, 4): „Die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes, daß der Sohn Gottes dadurch geehrt werde.“ Der Beweis war erbracht, ehe er sagte: „Lazarus, komm heraus!“ So werden unsere Beweise erbracht, wenn wir von der Wahrheit, an der wir festhalten, überzeugt sind; dann muß das äußerliche Sichtbarwerden der Wahrheit, die wir gesehen haben, folgen. Auf Seite 44 in unserem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt uns Mary Baker Eddy: „Das einsame Bereich der Gruft gewährte Jesus eine Zuflucht vor seinen Feinden, eine Stätte, wo er das große Problem des Seins lösen konnte.“ Jesus war im Grabe allein. Die Malpraxis hatte aufgehört; denn alle glaubten, daß er tot sei. Er brauchte nicht mehr zu kämpfen, um sich sein Bewußtsein der Liebe zu wahren. Er war allein mit Gott. Der Traum des Todeskampfes im Garten, die Verspottung, der Verrat und die Verfolgung waren vorüber. Er wußte, daß der Mensch nicht begraben ist, und daher rollte sein Beweisen des Christus den Stein weg.
Jesu große Liebe zu seinen Jüngern zeigte sich darin, daß er nach der Auferstehung zu ihnen zurückkam. Was für eine Seligkeit, Freiheit, Herrlichkeit es gewesen sein muß, als er durch das göttliche Gemüt die Macht des Todes brach! Wie leicht es da gewesen wäre, sich zu den Höhen des Seins weiter aufzuschwingen, die Sinnenwelt auf immer zurückzulassen! Aber es mußte noch ein anderer Stein weggerollt werden: der Unglaube der Welt, daß ein solcher Beweis erbracht werden konnte. War dies nicht der Grund, warum seine Jünger ihn nicht erkannten? Trotz allem, was er sie gelehrt hatte, konnten sie nicht glauben, daß der Tod nicht das Ende war.
Laßt uns diesen Stein des Unglaubens, der unsere Beweise in der Christlichen Wissenschaft hindert, wegrollen! Jeder von uns erbrachte Beweis der Macht der Wahrheit über Irrtum rollt einen Stein von einem verzweifelnden Herzen weg. Ein solcher Mensch ruft aus: „Er erbrachte den Beweis, dann kann ich es auch!“ Hierin liegt zu einem großen Teil der Wert unserer Zeugnisversammlungen in den christlich-wissenschaftlichen Kirchen am Mittwoch und der in unseren Zeitschriften veröffentlichten Zeugnisse. Jeder in der Christlichen Wissenschaft erbrachte Sieg über Krankheit verringert die Geltendmachung der Macht der Krankheit für die ganze Welt.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß keine Krankheit unheilbar ist. Diese Wahrheit wird immer mehr zugegeben. Weder Sünde noch Krankheit ist eine ewige Tatsache. Warum sollten wir dann erwarten, daß sie lange Zeit fortbestehen müssen? Es kann sein, daß wir eine beträchtliche Zeitlang gewissenhaft an den Tatsachen des Seins festhalten müssen, um die Heilung ans Licht zu bringen; aber es handelt sich einfach darum, beharrlicher als der Irrtum zu sein. Wir können uns immer entschließen, lieber fünf Minuten länger zu arbeiten, als fünf Minuten zu bald aufzuhören.
Was bedeutet das Erdbeben, das nach dem Bericht im 27. Kapitel des Evangeliums des Matthäus stattfand? Muß es nicht das gewesen sein, daß „der große Wegweiser das durch die Materie unbeschränkte, unbefleckte, ungefesselte Leben veranschaulichte“ (Miscellaneous Writings von Mrs. Eddy, S. 30); daß diese gewaltige Gedankenkraft die Grundlagen der Sterblichkeit so erschütterte, daß es den Vorhang im Tempel von obenan bis untenaus zerriß, den Vorhang des Fleisches, und bildlich enthüllte, daß der Mensch von der Körperlichkeit vollständig unabhängig ist?
Wenn man die Apostelgeschichte sorgfältig liest, hauptsächlich die ersten Kapitel, sieht man, daß die Auferstehung den Jüngern Jesu die mächtige Überzeugung gab, die zu einer Flut geistiger Macht führte. Es war bewiesen worden, daß der Tod nicht das Ende ist, daß das Leben ewig ist. Nach einer Überlieferung war der Gruß der ersten Christen, wenn sie zusammenkamen: „Der Herr ist auferstanden!“ Und die Erwiderung lautete: „Er ist in der Tat auferstanden!“
Heute gibt es viele Zeugen für die Tatsache, daß der Tod eine Trugvorstellung ist. Unsere Führerin weckte einen Angehörigen ihres Haushalts von den Toten auf. Ich selber habe letztes Jahr einen Mann getroffen, der durch die Christliche Wissenschaft von den Toten auferweckt worden ist, und dessen Zeugnis später in einer der Zeitschriften erschien. Eine Ausüberin arbeitete für einen Kranken, der am Verscheiden zu sein schien. Sie hörte auf, ihn still zu behandeln, und sagte mit großem Nachdruck zu dem Kranken: „Man braucht Sie!“ Er ging augenblicklich darauf ein. Manche Leidende sind versucht zu glauben, daß es ihnen irgendwo anders besser gehen werde, oder daß sie nicht nötig seien. Gott braucht den Menschen, und es gibt keinen andern Platz, an dem er sein kann, als das ewige Hier und Jetzt.
Der fortschreitende Christliche Wissenschafter nimmt an einer fortwährenden Auferstehung teil. Er steht beständig aus dem Grab der Materialität auf, erlangt neue und höhere Ideen des geistigen Daseins, und seine materiellen Annahmen weichen langsam oder schnell geistigem Verständnis.
In unserem Lehrbuch ist für Auferstehung folgende Begriffsbestimmung gegeben (S. 593): „Vergeistigung des Gedankens; eine neue und höhere Idee von der Unsterblichkeit oder dem geistigen Dasein; die materielle Annahme, die dem geistigen Verständnis weicht.“ Vergeistigung des Denkens ist eine beständige Selbsterziehung, die das menschliche Gemüt nur widerwillig unternimmt. Aber unsere Schwierigkeiten, unsere Kämpfe mit dem Irrtum zwingen uns, diese Selbsterziehung für unser eigenes Wohlergehen zu unternehmen, und als Ausüber unternehmen wir sie auch um anderer willen.
Die materiellen Sinne verneinen immer die Gegenwart Gottes, des Geistes, des Himmelreichs, denn die Materie macht geltend, daß sie die Gegenwart des Geistes ausschließe; daher muß der Kampf gegen das Sinnenzeugnis fortgesetzt werden, bis dieses Zeugnis den geistigen Tatsachen des Seins weicht. Diese Tatsache wurde durch die Auferstehung Jesu bewiesen. Sie war eine Leistung oder ein Beweis zum Wohl des ganzen Menschengeschlects. Früher oder später muß jeder beweisen, daß die Materie den Menschen nicht töten kann, daß sie ihm das Leben, das Gott ist, nicht rauben kann.
Ohne die Wissenschaft des Christentums wüßten wir nicht, wie wir dem Meister in seinem Beweis folgen könnten. Vor dem Kommen der Christlichen Wissenschaft beruhte geistiges Heilen zum größten Teil auf Glauben, anstatt auf einer Kenntnis der göttlichen Regel. In der Christlichen Wissenschaft haben wir das Prinzip und die wissenschaftliche Regel, auf die wir uns verlassen können, den vollkommenen Gott und das genaue Verständnis, was Gott ist und was der Mensch ist.
Die Allheit des einen unendlichen Gemüts und seiner Offenbarwerdung und die daraus folgende Unwirklichkeit des Bösen sollte die Grundlage unseres Denkens und Beweisens sein. Das altgläubige Christentum gründet seinen Begriff vom Menschen unbestreitbar auf das zweite Kapitel des ersten Buchs Mose, auf die Geschichte des aus einem Erdenkloß geschaffenen Menschen; die Christliche Wissenschaft dagegen gründet ihren Begriff auf den Bericht im ersten Kapitel des ersten Buchs Mose, das den zu Gottes Bild und Gleichnis erschaffenen Menschen enthüllt, und in dieser Hinsicht weicht die Christliche Wissenschaft wesentlich von vielen anderen Formen christlichen Glaubens ab.
Zur Erreichung der Auferstehung und der Himmelfahrt brauchen wir nicht nur das erste, sondern auch das zweite Kommen des Christus, und durch dieses doppelte Erscheinen des Messias, des Christus und der Christlichen Wissenschaft, erheben wir uns zu der Erkenntnis des geistigen, vollkommenen Zustandes des zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen, oder mit andern Worten, erwachen wir zur Erkenntnis der Wirklichkeit unseres Seins in Gott, dem unendlichen Ich Bin.
Wir dürfen nicht vergessen, daß unsere Gedanken aus der Annahme von Leben in der Materie zwar auferstehen müssen, daß aber unsere wahre, geistige Wesenheit das Reich der Wirklichkeit nie verlassen hat. Nichts hat der göttlichen Liebe je vorenthalten, daß wir Vollkommenheit ausdrückten und uns ihrer bewußt waren. Als Gottes Idee ist niemand je in den Traum von Leben in der Materie hinein geboren worden, und niemand macht als göttliche Idee je die Todeserfahrung durch. Der Mensch ist nie in diesen Traum gekommen, daher kann er natürlich auch nicht aus einem Zustand herauskommen, in dem er nie gewesen ist.
Der Psalmist schrieb (Ps. 139, 18): „Wenn ich aufwache, bin ich noch bei dir“, wie ein in den Armen seiner Mutter eingeschlafenes Kind vielleicht träumt, es sei von seiner Mutter getrennt, aber beim Erwachen findet, daß es noch geborgen ist. Die Christliche Wissenschaft weckt uns aus dem Traum von Leben in der Materie auf zur Erkenntnis unseres wirklichen geistigen Zustandes. Dieses Erwachen ist Auferstehung.
