Die Christliche Wissenschaft ist zugleich ein Ansporn zur Sittlichkeit und ein Schutz derselben. Ja, sie erklärt die wissenschaftliche Grundlage der Sittlichkeit, indem sie zeigt, daß hohe ethische Bewußteseinszustände, wie Keuschheit, Ehrlichkeit, Wohlwollen und ein Freisein von aller Habgier, der Gottheit entstammen, und daß sie daher wirklich sind und beschützt werden müssen. Als Mary Baker Eddy zuerst das geistige Gesetz der Heilung entdeckte, nannte sie es oft „Moralwissenschaft“. Sie entdeckte die Allheit des Guten, erkannte, daß Gott die einzige Quelle des Guten ist, und bewies, daß Sündlosigkeit das demonstrierbare Geburtsrecht eines jeden ist.
Wenn jemand die Sittlichkeit in der Christlichen Wissenschaft so verstehen lernt, so wird sein Sittlichkeitsgefühl notwendigerweise immer mehr fortschreiten zur Demonstration der absoluten Geistigkeit des Menschen als des Ebenbildes Gottes. Wenn jedoch die Moralität der Intuition überlassen bleibt, ohne die Erklärung des göttlichen Prinzips, die ihre wissenschaftliche Grundlage darlegt, so können die aggressiven Täuschungen des sogenannten sterblichen Gemüts die Schärfe des Sittlichkeitsgefühls abstumpfen und sein Richtmaß herabsetzen. Ein jeder hat ein Recht auf sittliche Freiheit, und die Christliche Wissenschaft beweist die Macht des Allmächtigen, den Charakter des Menschen im Ebenbilde seines Schöpfers zu erhalten. Mrs. Eddy sagt in ihrer Predigt „The People's Idea of God“ (Die volkstümliche Auffassung von Gott, S. 3): „Laßt uns froh sein, daß der Regenbogen der Allmacht schon die moralischen Himmel mit Licht überspannt, und daß eine vergeistigtere Idee des Guten und der Wahrheit den alten materiellen Gedanken berührt wie eine Verheißung auf den Wolken, während sie in der heutigen Zeit dem Denken der Menschen eine metaphysischere Religion verleiht, die auf die Christliche Wissenschaft begründet ist.“
Als Moses der Menschheit das Moralgesetz gab, fügte er strafende Maßnahmen hinzu für diejenigen, die es nicht befolgen würden, und dies war notwendig, um das Gewissen zu wecken und ein primitives Volk zu lehren, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Christus Jesus hob nicht etwa die Zehn Gebote auf, sondern er lehrte, daß sie im Geiste der Liebe und des rechten Denkens erfüllt werden müßten. Auf diese Weise sollte die Gerechtigkeit seiner Nachfolger besser sein als die „der Schriftgelehrten und Pharisäer“ (Matth. 5:20). Nicht äußeres Benehmen, sondern innere Liebe und Reinheit sollten die individuelle Befolgung des Gesetzes Gottes bestimmen. Des Meisters Auslegung des Gesetzes im Sinne der Liebe hat den Fortschritt der Menschheit zum Geiste hin in großem Maße gefördert. In unserer Zeit gibt die Christliche Wissenschaft diesem Fortschritt neuen Antrieb; denn sie offenbart die absolute Vollkommenheit des Menschen als der unkörperlichen Idee des Gemüts, und durch ihre Demonstration der göttlichen Ordnung des Seins, geht das moralische Gute über in die göttliche Wirklichkeit.
Wenn man von der Grundlage ausgeht, daß Gott der einzige Schöpfer oder Urheber ist, und der Mensch Sein vollkommenes Kind, so ist es einem möglich, allmählich den geistigen Charakter zu demonstrieren, der einem tatsächlich zu eigen ist. Die Offenbarungen der göttlichen Wissenschaft liefern uns ein Richtmaß, an dem jeder menschliche Gedanke bemessen werden kann, um seine Richtigkeit festzustellen, und zu entscheiden, ob er Gott oder dem angeblichen sterblichen Gemüt entstammt. Mit diesem vollkommenen Richtmaß vor Augen lernen wir bald verstehen, daß es keine Entschuldigung für Unvollkommenheit oder Lockerheit der Moral in irgendwelchem Maße gibt. Selbst die kleine Lüge, die schlaue Übertreibung, die einen falschen Eindruck erweckt, die sinnliche Unreinheit, die sich in schlüpfriger Sprache verrät, die Neigung zum Geiz — sie alle werden klar von dem erkannt, der sich ernstlich mit der Idee Gottes zu identifizieren strebt; und gar bald finden diese verfinsternden Gedanken keinen Kanal mehr, durch den sie die Wahrheit von der Vollkommenheit des Menschen trüben können.
Moralische Eigenschaften sind relativ oder verhältnismäßig, denn sie stellen die Eigenschaften des göttlichen Gemüts so dar, wie sie menschlich wahrgenommen werden. In moralischen Gemütszuständen wird das Gute anerkannt als wahr und wünschenswert, obwohl der Mensch immer noch für einen Sterblichen gehalten wird, der dem Tode unterworfen ist. Aber so lange noch das Wahnbild einer materiellen Persönlichkeit in Gedanken beherbergt wird, müssen die moralischen Eigenschaften des Glaubens und der Ehrlichkeit und der Menschlichkeit mit Hilfe der absoluten Wissenschaft gepflegt und genährt werden.
Gegenwärtig ist unsere Gesundheit sowohl wie unser Frieden abhängig von unserm Ausdruck moralischer Eigenschaften, denn durch diese erreicht und segnet das göttliche Gesetz die Menschheit. Die Harmonie des Menschengeschlechtes wird durch sie befestigt. Sie sind erforderlich für den Fortschritt der Menschheit aus der Materialität. Die Wetterverhältnisse, die Fruchtbarkeit der Erde, ja die Harmonie des Weltalls werden von moralischen und geistigen mehr als von physischen Kräften beherrscht. Mrs. Eddy sagt in ihrem Werk „Anfangsgründe der Göttlichen Wissenschaft“ (S. 4): „Alle wahre Wissenschaft stellt eine sittliche und geistige Kraft dar, die die Erde in ihrer Bahn hält.“ Die sittliche Rechtschaffenheit herabzusetzen, bedeutet, zu allen Übeln des Menschengeschlechts beizutragen.
Wenn jemandes Sittlichkeitsgefühl widerspruchsvoll und begrenzt zu sein scheint, wenn er ehrlich ist aber reizbar, barmherzig aber sinnlich, mäßig aber hochmütig, so kann dieser Bewußtseinszustand berichtigt werden durch die Vergegenwärtigung, daß der Mensch Gott, den Geist, in aller Fülle widerspiegelt. Jede göttliche Eigenschaft wird vom Menschen offenbart und muß ausgedrückt werden, ehe das Menschliche abgelegt und das Göttliche in seiner ewigen Vollkommenheit enthüllt werden kann.
Durch die Christliche Wissenschaft müssen Menschenliebe, Wohlwollen und Barmherzigkeit sich steigern und ausbreiten, bis sie in ihrem Prinzip, der göttlichen Liebe, erfunden werden. Ehrlichkeit muß der wissenschaftlichen Redichkeit weichen, Hoffnung und Glauben müssen sich in Seelen-Sinn auflösen, Demut in Verständnis, und Mäßigkeit muß von der Intelligenz gelenkt werden, die alle Wirklichkeit beherrscht. Paulus mahnt seine Nachfolger in Ephesus, „durch die Liebe eingewurzelt und gegründet [zu werden] ... und [zu] erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft, auf daß [sie] erfüllt werden mit allerlei Gottesfülle“ (Eph. 3:17, 19).
Durch gute Sitten wird die Menschheit zur Fülle der Vollkommenheit des Menschen in der göttlichen Wissenschaft erweckt. Sie fördern die menschliche Läuterung, die der Demonstration des vollkommenen Lebens im Geist vorausgehen muß. Sie erfüllen des Vaters Erlösungsplan, den Christus Jesus veranschaulichte, und den die Christliche Wissenschaft in Demut und Gehorsam zu befolgen mahnt.
