Jeder Versuch, eine christlich-wissenschaftliche Behandlung zu erklären, würde anmaßend sein, wenn ihm nicht klar die Absicht zugrunde läge, die Aufmerksamkeit auf das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy zu lenken. Besonders aufschlußreich in dieser Hinsicht ist ein Teil im Lehrbuch unter der Überschrift „Veranschaulichung der mentalen
Behandlung“ (S. 410–442). Hier können die jenigen, die den Rat des Paulus befolgen wollen, den „alten Menschen“ (des Irrtums) abzulegen und den „neuen Menschen“ (Gottes) anzuziehen, die Regeln für die wissenschaftlich metaphysische Behandlung finden.
Jeder erfahrene Christliche Wissenschafter wird durch Demonstration seine eigene erfolgreichste Anwendung der niedergelegten Regeln gefunden haben. Doch keiner wird haben, der die Regeln unbeachtet gelassen oder versucht hat, sie von neuem zu deuten. Seit Mrs. Eddy vor noch nicht einem Jahrhundert die Christliche Wissenschaft entdeckte, haben unzählige Menschen, die sich in guten wie in trüben Tagen an die Christliche Wissenschaft wandten, verstehen gelernt, wie wirkungsvoll das rechte Erfassen ihres Prinzips und ihrer Anwendung ist. Und sie haben reichen Lohn geerntet durch ihr Vertrauen auf die Worte Mrs. Eddys (Wissenschaft und Gesundheit, S. 1): „Das Gebet, das die Sünder umwandelt und die Kranken heilt, ist ein absoluter Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe.“
Behandlung in der Christlichen Wissenschaft bedeutet in der Tat Gebet; und die Heilung ist das Resultat ihrer offenbarenden Lehren hinsichtlich der wahren Natur des Gebets. Ein wichtiger Punkt im christlich-wissenschaftlichen Gebet ist das Behaupten der Vollkommenheit Gottes und Seiner Schöpfung — der untrennbaren Verbundenheit des Menschen mit dem Leben selbst. Bejahend zu beten, bedeutet, sich immerwährend mit der individuellen geistigen Idee Gottes zu identifizieren, die das Höchste Wesen zum Ausdruck bringt. Bejahendes Gebet gründet sich auf das Verständnis, daß es nur ein allumfassendes Gemüt gibt, und daß der Mensch die nieirrende Intelligenz widerspiegelt, die die uranfängliche Eigenschaft dieses Gemüts ist. Bejahendes Gebet schließt die Bereitwilligkeit in sich, die Eigenliebe dem segnenden Einfluß der Liebe unterzuordnen, die Gott ist. Es ist ein selbstaufopfernder Wunsch, mehr von Gott als Seele widerzuspiegeln und so die Seeleninspirierten Eigenschaften des Scharfsinns, der Huld und der Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.
Wie der Wissenschafter bemerkt hat, finden solche Gebete ihren Lohn in Wirkungen, die augenblicklich im menschlichen Leben wahrgenommen werden können. Denn wissenschaftlich zu beten, bedeutet, praktische Ergebnisse zu sehen. Wissenschaftliches Beten bringt geistige Erneuerung und erlöst die Menschen von ihren falschen Gefühlen des Kummers, der Begrenzung und der Sinnlichkeit; und es stellt die normale Tätigkeit des menschlichen Gemüts und Körpers wieder her.
Der Christliche Wissenschafter sollte, wie Mrs. Eddy rät, jede Behandlung damit beginnen, daß er die Furcht des Patienten beschwichtigt — die Furcht, die von den allgemeinen Annahmen herrührt, das das Böse ebenso wirklich sei wie das Gute, daß es viele Quellen der Intelligenz und daher viele Gemüter gebe, und daß das, was als „Materie“ bekannt ist, wirklich ein Ding an sich sei, statt nur ein Name für eine falsche Auffassung von Substanz. Der Wissenschafter beschwichtigt diese Furchtgefühle, indem er die Allheit Gottes und die Einheit Seiner Schöpfung anerkennt. Er hält fest an der Unteilbarkeit Gottes, der erhabenen Ursache, und der Vollkommenheit Seines Weltalls, einschließlich des Menschen. Er weiß, daß eine Verwandtschaft zwischen allen Ideen besteht, die ihren Ursprung in dem einen Gemüt haben; und daß er, da diese Idee gut sind, von nichts Gutem abgetrennt werden.kann. Er besteht auf der Tatsache, daß sein individuelles Bewußtsein in seiner Reinheit die Widerspiegelung des göttlichen Bewußtseins ist, des Gemüts und des Geistes. In dem Verhältnis, wie er an diesen Grundwahrheiten festhält, bekundet er ganz natürlich die geistig mentalen Eigenschaften der Gesundheit, Vernunft, Ehrlichkeit, erfolgreichen Tätigkeit, Stärke und Fülle.
Der Christliche Wissenschafter betet jedoch nicht für sich allein. Er weiß, daß das, was in bezug auf ihn selbst göttlich wahr ist, auch göttlich wahr in bezug auf seinen Nächsten ist, wie Christus Jesus im zweiten seiner großen Gebote andeutete: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matth. 22:39). In Befolgung dieses Gebotes heilte der Meister die Kranken und erlöste er die Sünder. Mrs. Eddy schreibt in ihrem Lehrbuch (Wissenschaft und Gesundheit, S. 476): „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eignes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“
Jesus liebte sich selbst als das Ebenbild und Gleichnis des Vaters, und er liebte seinen Nächsten, indem er ihm denselben Stand zusprach. Er erkannte seine eigenen Gaben und Eigenschaften, ebensowohl wie die seines Nächsten, als Gottes Ausdruck Seiner selbst durch den Menschen. Jesus ist unser Beispielgeber. Der Wissenschafter hat die Fähigkeit, sich selbst und andere zu heilen, in dem Verhältnis wie er, Jesu gleich, „den volkommenen Menschen“ sehen kann, wie Gott ihn erschaffen hat, den Menschen, ohne den Gott unausgedrückt bliebe.
Bei seiner Behandlung übersieht der Wissenschafter nicht den Anspruch des Irrtums, so wirklich wie das Gute zu sein. Wenn die Menschen bekümmert, krank oder in Schmerzen zu sein scheinen, was ist dann die besondere Behauptung des Irrtums? Was ist die besondere Wahrheit, die notwendig ist, um den Irrtum zu zerstören? Wenn wir unsere eigene Vollkommenheit oder die eines anderen als des Kindes Gottes, erschauen, dann ist der Irrtum aufgedeckt, um zerstört zu werden. Dann ersetzen wir die falsche Annahme durch ihre berichtigende Gegentatsache.
Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 428): „Den Gedanken falscher Stützen und des materiellen Augenscheins zu entkleiden, damit die geistigen Tatsachen des Seins erscheinen können — das ist die große Errungenschaft, durch die wir das Falsche wegfegen und dem Wahren Raum geben werden.“ Ist das nicht eine vollkommene Darlegung des Zieles, das der Ausüber zu erreichen sucht? Und zeigt es nicht auch in gewissem Maße die Methode an, durch die er es erlangen kann?
Der Christliche Wissenschafter, der die einheitliche Beziehung der Ideen des Gemüts versteht, bestrebt sich, die Goldene Regel zu befolgen. Er weiß, daß er in jedem Falle das Wohlergehen dessen im Sinne haben muß, der um Unterstützung und Heilung gebeten hat. Er bemüht sich, barmherzig die Gedanken des Patienten von den falschen Gefühlen des Leidens abzulenken. Er sollte den Leidenden nicht mit Erklärungen beschweren, für die er noch nicht aufnahmebereit ist. Er weiß, daß die Christus-Wahrheit sich dem Patienten unmittelbar offenbaren wird, und daß seine Aufgabe darin besteht, ein Zeuge der Wahrheit zu sein — nicht als Vermittler zu wirken.
Wenn der Augenschein des Irrtums sehr wirklich zu sein scheint, so hält der Wissenschafter um so mehr an der Tatsache fest, daß es in Wirklichkeit keine Krankheit gibt, die geheilt, nur ein Standpunkt, der geändert werden muß. Bei jedem Schritt auf seiner Wanderung muß der Bekümmerte mit der Versicherung gestützt werden, daß der Christus, die Idee Gottes, immer gegenwärtig ist und zu dem aufgeschlossenen menschlichen Bewußtsein spricht. In dem Maße, wie dies Bewußtsein von dem Christus erleuchtet wird, wird es sich der Vollkommenheit des Menschen bewußt — seiner Verbundenheit, seines Einsseins mit Gott. „Falsche Stützen“ werden aufgegeben, und der „materielle Augenschein“ wird umgewandelt. Die Annahmen der Krankheit, der Einsamkeit, des Mangels an Gutem verschwinden wie Phantome — die sie ja auch tatsächlich sind. Das bedeutet Heilung — den sicheren Erfolg eines richtigen und vertrauensvollen Anwendens der Regeln für die Behandlung, wie sie im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch angegeben sind.
