Gott über alles zu lieben und unseren Nächsten wie uns selbst, sei das Wesen der Zehn Gebote, sagte Jesus. Er wußte, daß Gott als das göttliche Prinzip, die Liebe, das Universum einschließlich des Menschen beherrscht und es regiert. Sein geistiger Standpunkt befähigte ihn, die wissenschaftliche Anwendung der göttlichen Gebote auf menschliche Probleme zu verstehen.
Die Zehn Gebote, die Moses als Gesetz offenbart wurden, legen die Pflichten des Menschen gegen Gott dar, und sie gewähren die höchsten Möglichkeiten für harmonische menschliche Beziehungen. Moses erklärte den Israeliten, ohne Furcht vor Widerspruch oder Umkehrung (5. Mose 5:30 [33]): „Wandelt in allen Wegen, die euch der Herr, euer Gott, geboten hat, auf daß ihr leben möget und es euch wohl gehe und ihr lange lebet in dem Lande, das ihr einnehmen werdet.“
Unter Moses' Führung erlebten die Israeliten viele Beweise von Gottes liebevoller Fürsorge. Die Wolkensäule bei Tag und die Feuersäule bei Nacht führte sie durch die Wüste; das Rote Meer teilte sich und bot ihnen einen sicheren Durchgang; die Wasser zu Mara wurden süß, Wachteln wurden ihnen geschickt, und Manna fiel herab. Der Gehorsam gegen Gottes Gesetz brachte die Möglichkeiten der Liebe ans Licht.
Christus Jesus erfüllte Gottes Gesetz in Rechtschaffenheit, indem er Irrtum zerstörte, Sünder erlöste, Kranke heilte und Tote erweckte. Er legte den Menschen das Gesetz der Liebe und der Barmherzigkeit dar und sagte (Joh. 15:12): „Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebet, gleichwie ich euch liebe.“ Der Meister bewies, daß dieses Gesetz wirksam und machtvoll ist, wenn es mit geistigem Verständnis angewandt wird.
Mary Baker Eddy schreibt in „Nein und Ja“ (S. 38): „In dem Verhältnis, wie sich die Sterblichen dem Verständnis der Christlichen Wissenschaft nähern, ergreifen sie die Harmonie, und die materielle Last verschwindet. Einen Gott, ein Gemüt, ein Bewußtsein haben — das nur Gottes Natur in sich schließt — und den Nächsten lieben wie sich selbst, macht den Inhalt der Christlichen Wissenschaft aus, die die Nichtigkeit irgendwelcher anderen Zustände oder Stadien des Seins beweisen muß.“ Die eine göttliche Gegenwart, das eine allumfassende Bewußtsein, schließt das ICH BIN des Seins in sich. Der zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Mensch ist im Gemüt als Idee vorhanden, vollkommen und ewig; er bringt das Wesen der Wahrheit, des Lebens und der Liebe zum Ausdruck.
Der Eigenwille scheint der Güte Gottes zu widersprechen und sie umzukehren und mentale Behinderungen zu verursachen, die der Gesundheit und Harmonie schaden. Verdruß, Enttäuschung und Groll sind nur einige der Gefühle, die in dem furchtsamen sterblichen Denken herrschen. Doch der sterbliche Sinn löst sich in Nichts auf vor der wahren Identifizierung des Menschen. Wenn man den rechten Begriff von der Wahrheit im Denken festhält, wird der Irrtum ausgerottet. Das Anerkennen des göttlichen Prinzips — der Liebe — als Gott, den einzigen Gesetzgeber, befreit die Menschheit von Sünde und heilt das hartnäckigste Übel.
In ihrer Botschaft an Die Mutterkirche von 1901 sagt Mrs. Eddy (S. 1): „Als Christliche Wissenschafter sucht ihr Gott eurem eigenen Bewußtsein zu erklären, indem ihr das Wesen und die praktischen Möglichkeiten der göttlichen Liebe fühlt und anwendet: um so die absolute und erhabene Gewißheit zu erlangen, daß das Christentum heute das darstellt, was Christus Jesus lehrte und demonstrierte — Gesundheit, Heiligkeit, Unsterblichkeit.“ Das Wesen der Liebe wird ausgedrückt durch lieben, das heißt durch das Wahrnehmen des richtigen Begriffs von uns selbst und von anderen als dem ewigen Ausdruck des reinen Gemütes. Gott über alles zu lieben und den Menschen als Sein geistiges Gleichnis zu erkennen, erfüllt das Gesetz und demonstriert absolutes Christentum.
Eine Christliche Wissenschafterin bewies dieses Gesetz in der Praxis, indem sie ein Problem von unharmonischen menschlichen Beziehungen löste, als sie in ein neues Haus einzog. Die unmittelbaren Nachbarn erschienen unfreundlich und richteten zwischen den beiden Grundstücken einen anderthalb Meter hohen Zaun auf, den sie bis an die Straße heranzogen. Heftiger Groll schien die Wissenschafterin zu überwältigen, und dazu entwickelte sich eine akute Arthritis in den Händen. Als sie erkannte, daß dieser schmerzhafte Zustand das Ergebnis bösartigen Denkens oder des tierischen Magnetismus war, arbeitete sie, um aus ihrem eignen sich auflehnenden Denken das auszumerzen, was scheinbar die geistige Kraft von Gottes Gesetz auf Erden, das Wohlwollen unter den Menschen zum Ausdruck bringt, hemmte.
Als Antwort auf ihr hingebungsvolles Gebet kam ihr die Engelsbotschaft: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, doch vor allem: Erkenne dich selbst.“ Den Weisungen dieser geistigen Eingebung folgend erkannte sie die Gegenwart des einen Gottes, des einen göttlichen Urquells oder Prinzips, und seiner Ideen an. Sie vergegenwärtigte sich, daß die wirkliche Wesenheit eines Menschen nicht die falsche Identifizierung anderer Menschen einschließen kann. Die zusammengesetzte Idee des Gemüts bringt alles Gute zum Ausdruck, die Freundlichkeit der Seele, die glückliche und freudige Tätigkeit des Lebens und den Frieden der Liebe.
Diese Vergegenwärtigung, daß die allmächtige Liebe alles innerhalb ihres unendlichen Bereichs beherrscht, durchflutete das Bewußtsein der Christlichen Wissenschafterin. Verletzter Stolz und Empfindlichkeit verschwanden; bald darauf folgte die Befreiung von körperlichen Beschwerden, da die göttliche Liebe die Befreierin von allem ihr Ungleichen ist. Auch wurde der Zaun entfernt. Die falsche Vorstellung von Schranken, die sich noch in der Annahme von vielen Gemütern außerhalb Gottes behauptet, wurde durch eine aufrichtige und dauernde Freundschaft ersetzt.
Was auch immer das scheinbar unüberwindliche Hindernis zu sein scheint, es gründet sich stets auf die Illusion von Personen, Orten und Dingen, die getrennt von Gott und außerhalb der wirkenden Harmonie der göttlichen Energien des Geistes existieren. Das Verständnis von der Wahrheit des Seins, wie es in der Christlichen Wissenschaft gelehrt wird, zerstört die falschen Darstellungen des persönlichen Sinnes und enthüllt wahre Begriffe oder geistige Wahrheiten.
Es gibt keine unlösbaren Probleme in menschlichen Beziehungen, wenn wir die mutige Gerechtigkeit des Moses und das Erbarmen Jesu bekunden. Die scheinbare Größe eines Problems ist ohne Bedeutung, wenn wir die allumfassende Liebe verstehen und zum Ausdruck bringen. Die Liebe ist ein zwingendes Gesetz mit vielen praktischen Möglichkeiten, wenn sie entsprechend der Einfachheit und Unmittelbarkeit der Lehren der Christlichen Wissenschaft betätigt wird.
