Die Ausübung der Christlichen Wissenschaft ist die Vergegenwärtigung der Allheit Gottes und der Beständigkeit, Ordnung, Vollständigkeit und ewigen Fortdauer Seiner Schöpfung. Diese Ausübung bedeutet beständige Betrachtung und Erwartung des Guten allein und das Verneinen und Überwinden jeder Form des Irrtums als unwirklich. Gott ist gut und der einzige Schöpfer; daher ist alles, was Er gemacht hat ebenso wie Er — gut. Nichts außer dem Guten hat Wirklichkeit, Macht oder Dasein. Obgleich das Böse zu Zeiten in menschlichen Angelegenheiten gegenwärtig zu sein scheint, ist es doch stets das Ergebnis falschen Denkens, das der Berichtigung bedarf.
Mary Baker Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 186): „Das Böse ist eine Verneinung, weil es die Abwesenheit der Wahrheit ist. Es ist nichts, weil es die Abwesenheit von etwas ist. Es ist unwirklich, weil es die Abwesenheit von Gott, dem Allmächtigen und Allgegenwärtigen, voraussetzt. Jeder Sterbliche muß begreifen lernen, daß das Böse weder Kraft noch Wirklichkeit besitzt.“
Der Irrtum mag mit einem Fehler in der Mathematik verglichen werden. Ein kleiner Fehler bringt nicht nur unsere Bücher in Unordnung, sondern verursacht Stunden des Suchens, bis er gefunden und richtiggestellt worden ist. Dann verschwindet der Fehler, wohingegen das, was wahr ist, bleibt. Ebenso verhält es sich mit jedem Fehler oder Irrtum in der menschlichen Erfahrung. Nur das Gute ist wirklich und fortdauernd.
Ein oft zitierter Vers aus der Bibel hat hierauf unmittelbar Bezug. Er ist aus dem Buch des Predigers (3:15): „Was geschieht, das ist zuvor geschehen, und was geschehen wird, ist auch zuvor geschehen; und Gott sucht wieder auf, was vergangen ist.“ Nach der englischen Bibel lautet dieser Vers: „Was zuvor gewesen ist, ist jetzt; und das, was sein wird, ist schon gewesen; und Gott fordert das, was vergangen ist.“ Zuerst war dem Verfasser dieses Artikels die volle Bedeutung des Bibelverses nicht klar, besonders nicht die Bedeutung des letzten Satzes: „Gott fordert das, was vergangen ist.“ Eine falsche Erklärung, die er vor Jahren gehört hatte, blieb in seiner Erinnerung haften und machte die Sache um so schwieriger. Diese Erklärung lief darauf hinaus, daß Gott sorgfältig Buch führt über unsere Sünden, über das, was wir unterlassen oder begangen haben, und uns die Gesamtsumme eines Tages vorhalten wird. Dies wäre eine beängstigende Aussicht. Unwillkürlich wird man an den Vers aus den Psalmen erinnert (130:3): „So du willst, Herr, Sünden zurechnen, Herr, wer wird bestehen?“
Wenn auch ein jeder das Vorrecht hat, sich seine eigene Auslegung von Bibelversen zu machen und ermutigt werden sollte, dies zu tun, so ist doch die folgende Auslegung für den Verfasser sehr hilfreich gewesen, und er glaubt zuversichtlich, daß sie sich auch andern als hilfreich erweisen wird. Eines Tages wurde er dazu geführt, den betreffenden Vers auf folgende Weise niederzuschreiben: „Was zuvor [gut] gewesen ist, das besteht jetzt; und was [gut] sein wird, das hat schon bestanden; und Gott [das Gute] fordert das, was vergangen ist.“ Die Entfaltung dieses Gedankens war von einer Flut des Lichtes begleitet.
Gott, das Gute, erfüllt die Vergangenheit ganz und gar mit Seiner Güte, ebenso wie Er die Gegenwart damit erfüllt und die Zukunft damit erfüllen wird. Es hat niemals eine Zeit gegeben und wird nie eine Zeit geben, da Gott nicht allerhaben ist, da Seine Macht nicht die Oberhand über das Böse hat und da die göttliche Liebe sich nicht wie das Sonnenlicht zum Wohle der ganzen Menschheit ergießt. Das Böse ist nicht wahr noch wirklich, wird niemals wahr noch wirklich sein und ist überdies niemals wahr noch wirklich gewesen. Das Böse hat keinen Anfang, keine Entwicklung, keine Geschichte, sondern ist immer eine Täuschung. Das Gute allein ist wirklich. Gott, das Gute, herrscht in alle Ewigkeit. Es wird von uns gefordert, diese Tatsache zu erkennen, wenn auch einige bittere persönliche Erfahrungen sie nicht zu bestätigen scheinen.
Die Menschen neigen dazu, alte Irrtümer so sehr als ein Ding der Vergangenheit anzusehen, daß es zu spät scheint, diesbezüglich irgend etwas zu tun. Wir mögen versuchen, sie zuzudecken und zu vergessen, und uns zur selben Zeit bemühen, die Irrtümer der Gegenwart auszumerzen. Doch der gesamte Irrtum muß gehandhabt und zerstört werden; und von uns wird verlangt, dies für die Vergangenheit ebenso wie für die Gegenwart und die Zukunft zu tun. Was würde man von einem Geschäftsmann denken, der sagt: „Meine Bücher geben kein wahres Bild über meine Geschäftslage, weil in der Vergangenheit falsche Eintragungen gemacht wurden, aber ich kann nichts mehr daran ändern.“
Wenn auch menschliche Ereignisse, die sich schon zugetragen haben, nicht mehr geändert werden können, so kann doch unser Denken hinsichtlich dieser Ereignisse geändert werden, und oft ist ein solcher Wandel des Denkens nötig. Mrs. Eddy sagt uns in „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 79): „Die Wissenschaft muß sich über das ganze Feld erstrecken und jedes Samenkorn, das der Irrtum gesät hat, ausgraben.“ Gottes Gesetz fordert von uns, daß wir jedes Element des Bösen in einer zurückliegenden Erfahrung als unwirklich zurückweisen und uns vergegenwärtigen, daß ewiglich nur das Gute zum Menschen gehört.
Die Wissenschaft anzuwenden, um „jedes Samenkorn, das der Irrtum gesät hat“, auszugraben, ist natürlich eine individuelle Handlung, die jeder einzelne allein für sich vollbringen muß. Dies mag sich als eine umfangreiche und mühsame Aufgabe herausstellen, aber sie zu erfüllen, ist eine göttliche, nicht eine menschliche Forderung. Gott ist derjenige, der „fordert, was vergangen ist“ — die Anerkennung von der Nichtsheit des Bösen und der Allheit des Guten. Die Belohnungen, jedoch, für die Erfüllung dieser Aufgabe sind ungezählte, geistige Segnungen.
Man sollte nicht zulassen, daß Irrtümer im Bewußtsein verbleiben und so die Gegenwart erschweren und lange Schatten auf die Zukunft werfen. Blicken wir zurück auf eine unglückliche Kindheit, bittere Enttäuschungen und fruchtlose menschliche Begegnungen? Beherbergen wir in unserem Denken verletzte Empfindungen, Groll oder Haß? Projizieren wir alte Furchtvorstellungen, Unduldsamkeiten oder Vorurteile in unser gegenwärtiges Leben? Gibt es einen Charakterfehler, den wir unser ganzes Leben mit uns herumgetragen haben, ohne jemals versucht zu haben, ihn zu berichtigen? Vielleicht beunruhigt uns eine andauernde Furcht vor Krankheit oder eine medizinische Diagnose, die ein düsteres Bild für unsere Zukunft entwarf.
Was auch immer das Problem sein mag, jeder von uns ist dazu berufen, in seinem eigenen Denken die Berichtigung vorzunehmen, die den Irrtum zerstören und die Immergegenwärtigkeit und Allheit des Guten bestätigen wird. Wenn eine solche Berichtigung nicht gemacht wird, werden halbvergessene Irrtümer unsern geistigen Fortschritt hindern. Dies mag der Grund sein, weshalb gewisse Heilungen nicht schnell erlangt werden, obgleich beharrlich dafür gearbeitet wird.
Wenn auch jeder Fall für sich und individuell gehandhabt werden muß, so gibt es doch einige allgemeine Regeln, die angewandt werden können und sich als hilfreich erweisen werden. Jeder hat das Vorrecht, mehr zu lieben. Es ist unser Recht und unsere Pflicht, die zu lieben, die uns in der Vergangenheit Unrecht getan haben, und nach der Erkenntnis zu streben, daß alle Menschen in Wahrheit Gottes Kinder sind. Wenn wir freimütig Liebe ausstrahlen, werden wir sie auf mannigfache Weise wiederempfangen, und es mag uns überraschen, wenn sie von ganz unerwarteter Seite kommt.
Dem Irrtum sollte jeglicher Anspruch auf Existenz abgesprochen werden. Es ist das Wesen des Irrtums, sich selbst aufzublasen; wichtig zu erscheinen; danach zu trachten, sich zum Mittelpunkt des Geschehens zu machen und das sterbliche Denken so zu beherrschen, daß alles Rechte und Gute keinen Platz mehr darin findet. Laßt uns klar erkennen, daß der Irrtum, in welcher Form er auch erscheinen mag, keine wirkliche Bedeutung hat, ganz gleich wie laut und mächtig er sich darzustellen sucht. Etwas, das keine Wirklichkeit hat, kann nicht wichtig sein. Die Wahrheit ist wichtig, weil sie wahr ist; der Irrtum ist unwichtig, weil er unwahr ist. Das Denken sollte über die Hypnose des Irrtums zu den ewigen Tatsachen des Seins erhoben werden. Das Verständnis, daß Gott, das Gute, allen Raum erfüllt, läßt keinen Platz und keine Zeit übrig, wo der Irrtum existieren kann. Wenn man die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Licht der Wissenschaft betrachtet, geben sie dem Bewußtsein des immergegenwärtigen Guten Raum.
Laßt uns unser Erbe als Kinder Gottes beanspruchen. Wie Christus Jesus lehrte, hat der Mensch ein Geburtsrecht auf Gesundheit, Harmonie, Frieden, Vollkommenheit und Herrschaft. Laßt uns unsere vollkommene Gotteskindschaft erkennen und so beweisen, daß Gott, das Gute, das „fordert, was vergangen ist“.
