Matthäus, Markus und Lukas berichten alle drei von einem Geschehen in der Heiltätigkeit Christi Jesu, das von jedem gern gelesen wird. In einer Volksmenge, die dem Erlöser folgte, war eine Frau, die seit zwölf Jahren an einer qualvollen Beschwerde litt. Markus berichtet: „Da die von Jesus hörte, kam sie im Volk von hinten herzu und rührte sein Kleid an. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur seine Kleider könnte anrühren, so würde ich gesund“ (Mark. 5:27, 28). Aus dem Bericht geht hervor, daß sie sofort geheilt wurde.
Wodurch wurde die Heilung herbeigeführt? War die göttliche Macht aufgrund von körperlicher Berührung durch Jesus übernatürlich übertragbar? Nein, denn die Bibel berichtet, daß Jesus sagte: „Dein Glaube hat dich gesund gemacht.“ War es blinder Glaube, oder war es eine tiefe, aufrichtige Empfänglichkeit oder wahre Empfindsamkeit für den Seelen-Sinn, der den Gedanken mit der Gegenwart Gottes, des göttlichen Gemüts, vereinigt?
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft [Christaian ScienceSprich: kr’istjən s’aiəns.], erklärt, was vor sich ging. Von geistigem Weitblick inspiriert, schreibt sie (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S.86): „Jesus fragte einst:, Wer hat mich angerührt?‘ Da seine Jünger meinten, daß diese Frage allein durch körperliche Berührung veranlaßt worden sei, antworteten sie:, Das Volk drängt ... dich.' Jesus wußte, was die anderen nicht wußten, nämlich, daß es nicht die Materie, sondern das sterbliche Gemüt war, dessen Berührung nach Hilfe verlangte. Als er seine Frage wiederholte, antwortete ihm der Glaube eines kranken Weibes. Sein schnelles Erfassen dieses mentalen Rufes veranschaulichte seine Geistigkeit.“
Ein wesentliches Element geistigen Heilens ist Empfindsamkeit oder Empfänglichkeit für das Gute. Wir sollten diese Eigenschaft der Seele, Gottes, besser verstehen. Wenn im Denken des Ausübers wie in dem des Patienten genügend wahre Empfindsamkeit ist, kann die Heilung spontan und schnell geschehen. Der Grund dafür ist der, daß Empfindsamkeit für das Gute Empfänglichkeit für den Christus, die Wahrheit, bedeutet, der immer gegenwärtig ist. Wenn derjenige, der der Hilfe bedarf, sehr empfindsam für geistige Ideen ist, wird derjenige, der die Not am besten stillen kann, ins Blickfeld kommen. Wenn derjenige, der in der Lage ist, anderen Menschen zu helfen, erfüllt ist von der Zartheit geistigen Empfindens, wie sie in einem gegebenen Fall erforderlich ist, wird derjenige, der dafür bereit ist, zu ihm hingezogen.
Die göttliche Liebe ist immer hier, ist überall. Diese Liebe, oder Seele, ist gerade das innerste Wesen und die Quelle der zarten Empfindsamkeit, die einem und allen zur Verfügung steht.
Wahre Empfindsamkeit, oder innige Empfänglichkeit für das Gute, ist nicht nur darin zu finden, daß man göttliche Ideen kennt, sondern daß man auch ihre liebevolle Gegenwart spürt. Man könnte sagen, daß wir die Gedanken des göttlichen Gemüts kennen, daß wir aber den Seelen-Sinn spüren, der sie zum Ausdruck bringt.
In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß der zu Gottes Gleichnis geschaffene Mensch nur für das Gute empfänglich ist, denn Gott ist gut. Es ist etwas Herrliches zu wissen, daß mit Gott und dem Menschen alles gut ist, und es ist wohltuend zu spüren, daß dies so ist. Heilung wird spontan erfolgen, wenn der Christus, die Wahrheit, die wir kennen, und die göttliche Liebe, die wir spüren, im Bewußtsein eins sind.
Mrs. Eddy hat auf die Heilung der kranken Frau noch ein weiteres inspirierendes Licht geworfen. Auf Seite 57 ihres Buches „Die Einheit des Guten” schreibt sie: „Als Jesus sich umwandte und sagte:, Wer hat mich angerührt?‘, muß er den Einfluß, der von dem Gedanken des Weibes ausging, gefühlt haben; denn es steht geschrieben, daß er die Kraft fühlte, ,die von ihm ausgegangen war'. Sein reines Bewußtsein unterschied klar und fällte dieses untrügliche Urteil; aber er nahm ihren Irrtum weder aufgrund von Zuneigung noch Schwäche an, denn der Irrtum wurde aufgedeckt und verworfen.“
Wir müssen die Annahme überwinden, daß wir für den Irrtum zugänglich oder für ihn empfänglich sind. Aufgrund von Erblichkeit oder Temperament scheinen manche Menschen empfänglicher für den Irrtum zu sein als andere. Diese falsche Empfindsamkeit zeigt sich manchmal als eine schwache Konstitution, eine passive Natur, eine zu starke Unterwürfigkeit dem Willen anderer gegenüber oder als eine Empfänglichkeit für die Suggestionen chronischer Furcht. Wenn wir es mit einem dieser Fälle zu tun haben sollten, brauchen wir uns nur immer wieder mit dem Gedanken zu ermutigen, daß Gott „unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten“ ist (Ps. 46:2).
Einer der einfachsten und logischsten Wege, die weitverbreitete Annahme von Empfänglichkeit für den Irrtum zu überwinden, ist der, es aufzugeben, sich fortwährend mit dem Irrtum zu beschäftigen. Wir sollten uns täglich gründlich an die Arbeit machen, alles Grübeln und Schwatzen über Berichte von Krankheit, Verdruß, Unglück oder Disharmonie — oder das Anhören solcher Berichte — auszulöschen. Und um dies zu tun, müssen wir gottähnliche Gedanken beherbergen, eine gütige Einstellung und eine Empfindsamkeit für das Gute haben.
Wenn man täglich die Lektionspredigten studiert, die im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissensschaft dargelegt sind, ihre Wahrheiten in die Praxis umsetzt und in wissenschaftlicher Weise für sich und die Welt betet, legt man die Grundlage für fortgesetztes Wohlsein und für ständigen auf Gott gerichteten Fortschritt.
Wahre Empfindsamkeit wird in bewundernswerter Weise von unserer Führerin in „Wissenschaft und Gesundheit“ zusammengefaßt, wo sie sagt (S. 569): „Wer den Saum des Gewandes Christi berührt und seine sterblichen Annahmen, das tierische Wesen und den Haß, meistert, das erfreut sich des Beweises des Heilens, eines süßen und gewissen Sinnes, daß Gott Liebe ist.“