Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Mary Baker Eddy Bibliothek

Die Wissenschaft im 19. Jahrhundert

Aus der Februar 2004-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn man die Anschauungen der Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts verstehen will, hilft es, sich mit ihren Vorgängern zu beschäftigen. Es gibt natürlich eine ganze Anzahl von Vorgängern, doch die wichtigsten für uns hier, meine ich, sind die Lehren und Schriften von René Descartes aus dem frühen 17. Jahrhundert. Descartes war der Mann, der durch seinen Ausspruch: „Ich denke, also bin ich” berühmt wurde. Mit diesem Satz nahm eine besondere Art des Skeptizismus ihren Anfang. Und von diesem Gedanken ausgehend argumentierte Descartes, dass Geist und Materie aus völlig unterschiedlichem Stoff geschaffen sind: Geist sollte das Thema der Religion werden, Materie das Thema der Wissenschaft, und man würde sie getrennt studieren.

Diese Anschauungsweise, dieser Gedankengang des wissenschaftlichen Dualismus, brachte einen großen Wandel im intellektuellen Leben mit sich. Wenn wir beim 19. Jahrhundert anlangen, stellen wir fest, dass mit Wissenschaft die systematische Beobachtung, Erklärung und das Voraussagen natürlicher Vorgänge gemeint ist. Mit Natur ist alles Materielle gemeint, mit Religion alles Spirituelle.

Mit dieser Betrachtungsweise der Wissenschaft macht die Technologie Riesenfortschritte. So haben wir die Lokomotiven, die Baumwollentkörnungsmaschine, ja alle möglichen technologischen Entwicklungen, die auf unserem Verständnis von der Naturwissenschaft basieren. Mit diesen Entwicklungen gewinnt die Wissenschaft einen sehr hohen Ruf. Und sie beeinflussen das Denken weiter. Im ganzen 19. Jahrhundert wird das Verständnis von der Welt zunehmend durch wissenschaftliche Methoden auf die Materie reduziert.

Am Ende des 19. Jahrhunderts tun sich dann allerdings manche Menschen schwer damit, der Materie so viel Bedeutung beizumessen, alles auf sie zurückzuführen, und das traf ganz besonders auf Mary Baker Eddy zu, die alles in die entgegengesetzte Richtung zurückführt und das ganze Verständnis vom Weltall auf Geist aufbaut.

Das Dilemma des gottesgläubigen Wissenschaftlers

Den gottesgläubigen Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts stürzte dieses Thema sicher in innere Konflikte. Im 19. Jahrhundert waren viele Wissenschaftler religiös und sie sahen sich auf den Gebieten, die ich gerade nannte, in einem Zwiespalt.

Charles Darwin war wohl der einflussreichste Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Seine Evolutionstheorie und vor ihm die Entdeckungen in der Astronomie (dass sich die Erde um die Sonne bewegt, anstatt das Weltall um die Erde) wie auch die Erkenntnisse in der Geologie (dass die Erde viel älter ist, als es in der Bibel steht) hatten zur Folge, dass die Menschheit sich nicht mehr als den Mittelpunkt des Weltalls ansah. Mit Darwins Evolutionstheorie fiel das jetzt schwerer. Auch schien das Weltall hiermit seinen Zweck verloren zu haben. Bis zum 19. Jahrhundert hatten die Wissenschaftler geglaubt, das Weltall sei zu einem Zweck geschaffen worden und bewege sich auf ein Ziel hin. Darwin sagte, oh nein, selbst das Leben tue das nicht. Es sei das Ergebnis willkürlicher Kräfte, willkürlicher Naturkräfte, materieller Kräfte. So ergab sich die Vorstellung, dass Leben allein durch die Wechselwirkung materieller Dinge und nicht durch Geist zustande käme.

Auf diesen Gedanken reagierte man auf verschiedene Weise. Im 19. Jahrhundert bauen viele Intellektuelle eine ganze Philosophie auf der Evolution auf. Auguste Comte, der Gründer der Soziologie, behauptete, dass Kulturen eine Evolution durchmachten, die mit einem primitiven Stadium des Glaubens an Gott beginnt. Sie entwickle sich zur Philosophie weiter und gelange dann letztendlich zu einem Zustand, den Comte glaubte voraussehen zu können und den er das „positive Stadium” nannte, in dem Wissenschaft und Mathematik zur Religion der Gesellschaft werden würden.

Mit diesen Entwicklungen ging die Erkenntnis einher, dass die Sinne des Menschen für die in der Wissenschaft erforderlichen Beobachtungen nicht mehr ausreichen. Man brauchte Teleskope, Stethoskope, Mikroskope. Und damit zeigt sich, dass die Beobachtungen gewöhnlicher Menschen nicht mehr zählen, wenn es um den Sinn des Lebens geht. Und das räumt der Wissenschaft eine Vorrangstellung ein, gibt ihr fast den Rang einer Religion in der Gesellschaft.

Religion und die Sprache der Wissenschaft

Die Wissenschaft wird nun im Zusammenhang mit dem Fortschritt der Menschheit als Quelle einer Art Erlösung betrachtet. In der damaligen Zeit gebräuchliche Ausdrücke zeigen, dass die Wissenschaft als die Erlösung von einem niedrigen intellektuellen Niveau, von primitiven Lebensformen angesehen wurde und als eine Form von Fortschritt, an den die Menschen wie an eine Religion glaubten. Den Fortschritt begrüßte man als materielle Verbesserung, von der viele Leute meinten, dass sie zu einem Himmel auf Erden führen würde. Im gleichen Zusammenhang wird das Wort „Wunder”, das bisher Gottes Werk bezeichnete, zur Beschreibung von hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen verwendet: „ein Wunder der Wissenschaft.”

Gewiss hat der Darwinismus im wissenschaftlichen Denken den Stellenwert eines Dogmas. Und aus diesem Dogma entwickelte sich eine Art Moral — der Sozialdarwinismus —, der den rücksichtslosen Daseinskampf als die eigentliche Grundlage der Gesellschaft versteht. Und all das schritt mit einem Eifer voran, der mit dem Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt wurde. Um es noch einmal zu sagen: Man erwartete, dass diese Veränderungen einen utopischen Lebensstandard herbeiführen würden.

Wissenschaftliches Denken und Medizin

Man kann nicht sagen, dass es im 19. Jahrhundert spezifisch amerikanische Heilmethoden gab. Es gab alle möglichen Methoden: Homöopathie, Chiropraktik, magnetisches Heilen usw. Ärztliche Ausbildungsstätten waren im 19. Jahrhundert im Großen und Ganzen nur Diplomausgabestellen. Bis in die 1870er Jahre waren es schlechte Schulen mit ziemlich schlechten Studenten. Dann übernahm das Johns Hopkins Krankenhaus (und danach die Universität und Medizinische Fakultät) das deutsche Modell der medizinwissenschaftlichen Ausbildung für Ärzte. Damit begann eigentlich eine umfassende Reform der allopathischen Medizin, die sich ausdrücklich mit der Naturwissenschaft identifiziert. Die Ausbildung findet in Laboratorien statt und im Grunde genommen in den Wissenschaften. Die Medizin löst sich von ihren religiösen und spirituellen Bindungen. Die alternativen Methoden im 19. Jahrhundert, Homöopathie und so weiter, waren in manchen Fällen ganz klar eine spirituelle Methode, und wenn nicht, dann waren sie zumindest einem spirituellen Verständnis gegenüber aufgeschlossen. Die moderne Medizin distanzierte sich nachdrücklich von alledem. Gleichzeitig versprach sie gewissermaßen, alle Krankheiten durch diese Hinwendung zu wissenschaftlichen Methoden auszurotten.

Die Verheißung des 19. Jahrhunderts im Licht des 20. Jahrhunderts

Im 20. Jahrhundert setzte sich dieser Wandel fort und das Meiste davon, meine ich, sehen wir als Fortschritt an. Trotzdem haben wir noch nicht den Himmel auf Erden. Wir haben immer noch Probleme. Die Krankheiten sind nicht ausgerottet. Es gibt neue Krankheiten. Alte Krankheiten warten mit neuen Problemen auf. Und weil man sich zunehmend der Grenzen und der Kosten der Technologin und der Wissenschaft bewusst ist, stellt sich gleichzeitig Skepsis gegenüber der Wissenschaft ein. Man lehnt die Wissenschaft nicht ab, sondern gibt die Vorstellung auf, dass uns die Naturwissenschaft „die Wahrheit” vermitteln kann. Das ist unbedingt Teil dieses Wandels.

Wenn man sich die Geschichte am Ende des 20. Jahrhunderts und die Erwartungen der Menschen am Ende des 19. Jahrhunders ansieht, so fällt auf, dass wir ein Wiederaufleben der alternativen Medizin haben, wie sei im 19. Jahrhundert populär war und nie ganz aufgegeben wurde. Gleichzeitig gibt es eine große spirituelle Erweckung. In der Moderne, in den letzten beiden Jahrhunderten, gab es wiederholt spirituelle Erweckungsbewegungen. Im Augenblick befinden wir uns möglicherweise in der größten weltumspannenden Erweckung, zumindest in der amerikanischen Gesellschaft. Es ist keine vollständige Umkehr, aber gewiss ist es nicht der Wandel, den die Menschen am Ende des 19. Jahrhunderts erwarteten.

Geist als die Grundursache

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts suchte eine Anzahl von Wissenschaftlern Geist und Wissenschaft wieder zu vereinen und eine Theorie aufzustellen, die Geist als die große Grundursache beibehielt. Soviel ich weiß, vollbrachte keiner von ihnen etwas, was von Dauer war. Doch Mary Baker Eddy gelang eben das. Und soweit ich es verstehe, wird Christian Science deshalb Christian Science (Christliche Wissenschaft) genannt. Es sollte eine wissenschaftliche Spiritualität sein mit Forschung und Experiment als wesentlichen Elementen: Versuche unternehmen und sehen, wie sie ausgehen. Eddy hat ihr Leben lang Forschungen angestellt und Ergebnisse angestrebt, die nachweisbar und wiederholbar waren. Auch arbeitete sie an der Entwicklung einer klaren Sprache — dem Kennzeichen der Wissenschaft einer Sprache —, mit deren Hilfe Menschen über kulturelle Schranken, über religiöse Schranken hinweg über diese Themen sprechen konnten. Und Christian Science sollte praktische Ergebnisse bringen, denn gerade durch den praktischen Nutzen erhielt die Wissenschaft, die Naturwissenschaft, im 19. Jahrhundert ungeheuren Auftrieb. Wissenschaftliche Spiritualität in diesem Sinne wäre auch etwas, was nicht nur zu metaphysischen Schlüssen führt, sondern zu praktischen Ergebnissen im Leben.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Februar 2004

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.