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Feature-Serie: Gerechtigkeit

Rechtsanwälte als Schutzengel

Aus der Februar 2004-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der vierte Stock in der W. Odgen Ave. Nr. 2245 in Chicago ist ein spannender Ort. Hier ist Cook County Public Guardian zu Hause, die Abteilung des Jugendgerichts. Hier arbeiten ungefähr 200 Angestellte. Etwa 100 davon sind Rechtsanwälte, die die Rechte von mehr als 10.000 Kindern — im Alter von ein paar Minuten bis zu 21 Jahren — schützen.

Es gibt keinen Routine-Tag im Jugendgericht. Rechtsanwälte wie Heather Boehm verbringen fast jeden Tag im Gericht und sonst dort, wo ihre Klienten, also die Kinder, wohnen, um die Bedingungen zu beurteilen unter denen ein Kind leben muss.

Heather Boehm besuchte die Chicago Kent Universität und dachte, sie würde sich als Rechtsanwältin selbstständig machen und eine Menge Geld verdienen. Ein Jahr später jedoch werde ihr klar, dass sie es überhaupt nicht mochte, und sie dachte daran, aufzuhören. Zu der Zeit bekam sie einen Artikel in der Chicago Tribune über das Jugendgericht in die Hände. Sie wusste augenblicklich, dass sie genau dort arbeiten wollte.

Für Heather kann ein Tag damit beginnen, dass sie einen Rollwagen für den Gerichtssaal mit Fällen belädt, angefangen von der Begutachtung der Sicherheit, des Wohlergehens und der Erziehung eines Kindes bis dahin, ob ein Kind einen warmen Wintermantel hat oder nicht.

Ihr Tag kann von dem Anruf eines Sachverständigen der Kinder-Sicherheits-Hotline unterbrochen werden. Die Hotline ist eine gebührenfreie Nummer, die von Leuten angerufen wird, um darüber zu berichten, wenn sich ein Kind in einer gefährlichen Situation befindet oder missbraucht wird. Wenn das passiert, bleibt alles andere liegen und die Aufmerksamkeit und Energie konzentriert sich darauf, das Kind zu schützen.

An Tagen, die sie nicht im Gericht verbringt, fährt Heather Boehm auch in unsichere Gegenden von Chicago. Sie möchte ein Gesicht zu dem Namen eines Falles kennen, für den sie arbeitet.

„Ich habe alles schon gesehen — von Folter bis zu Verwahrlosung.”

Als Heather diese Arbeit anfing, hatte sie eine sehr konservative Einstellung. Sie wollte einfach nur sicherstellen, dass das Kind aus der missbrauchenden Familie herausgenommen wurde und in eine neue Umgebung kam, wo er oder sie aufblühen konnte.

Heute hat Heather eine offenere Ansicht. Sie möchte nun sicher gehen, dass die Eltern die nötige Hilfe bekommen, um gute Eltern zu werden.

„Was mich überraschte, war, dass egal, was ein Elternteil dem Kind angetan hatte, das Kind dieses Elternteil trotz allem noch liebte und dort wohnen bleiben wollte.”

Also versucht sie Wege zu finden, den Eltern zu helfen. Ihr größter Wunsch ist, die Kinder zu schützen. „Sicherheit ist meine größte Sorge. Kinder müssen an einem Platz sein können, an dem sie sich geliebt fühlen.”

Heather erzählt von einem Fall: Einmal hatte der vorhergehende Betreuer das siebenjährige Kind zu seinem Vater nach Hause geschickt. Später kam ein Anruf vom Cook County Krankenhaus, dass der Junge mit eigenartigen Stellen auf seinen Handgelenken bei einem Arzt gewesen wäre. Die Akte des Jungen wurde wieder geöffnet und der Fall kam zu Heather. Der Vater sagte, sein Sohn habe mit Plastik Handschellen gespielt und diese zu eng angelegt. Das fand Heather merkwürdig. Als sie mit dem Arzt sprach, erklärte er, wie die Stellen wirklich den Handgelenken zugeführt wurden.

„Das hat mich verrückt gemacht. Es fällt mir noch immer schwer, nicht wütend zu sein.”

Obwohl der Vater bei seiner Darstellung bleibt, sagte Heather, dass sie für die Sicherheit des Kindes kämpfen wird. Sie kann nicht verstehen, warum jemand ein Kind verletzen möchte.

„Ich versuche immerzu das Gute in den Menschen zu sehen, aber manchmal geht das nicht, wenn die Sicherheit eines siebenjährigen Kindes gefährdet ist. Richtig toll an meinem Job ist, dass ich die Kinder vertreten kann. Sie sind unschuldig, sie haben nichts Falsches getan, und das ist die wundervollste Sache, die man vertreten kann.

Ich sage zu den jüngeren Kindern: Ich bin nicht nur dein Anwalt, sondern auch dein Schutz ad leidem, und meine Aufgabe ist es, deine Stimme zu sein und dem Richter zu sagen, was du brauchst. Als dein Schutz ad leidem muss ich aber das tun, was das Beste für dich ist. Du könntest zum Beispiel sagen:, Ich möchte auf dem Mond leben' und ich müsste vor den Richter treten und ihm sagen:, Hohes Gericht, Johnny möchte auf dem Mond leben, aber als sein Schutz ad leidem denke ich, dass das keine gute Idee ist.' Einige Kinder kommen mit dem lateinischen Namen nicht zurecht und sagen deshalb Schutzengel.

Es wird schwieriger, wenn der Klient ein Teenager wird, aber einige meiner Teenager-Klienten sind trotzdem meine Favoriten. Es kann sein, dass ich die einzige zuverlässige Person in ihrem Leben bin. Einige rufen mich jeden Tag an, wegen Kleidungsgutscheinen oder anderen Angelegenheiten. Sie wissen, dass ich sie ihnen nicht geben kann. Aber in Wirklichkeit rufen sie an, um sicher zu sein, dass jemand für sie da ist und dass sich jemand um sie kümmert.”

„Ich weiß, ich bin kein Berater, aber ich habe mit ihnen darüber geredet, in der Schule zu bleiben und bin zu ihrem Schulabschluss gekommen, weil sonst niemand gekommen ist.

Im Oktober 2000 hatte ich einen Fall, da war ein Jugendlicher weggelaufen. Sie fanden ihn in Florida mit seiner Mutter und seinem Bruder. Die Mutter entschied sich, zurück nach Chicago zu gehen. Sie hatte jedoch nicht genug Geld und ließ deshalb ihre beiden Kinder an der Bushaltestelle zurück. Der Junge sagte der Busgesellschaft, wo sie herkamen und so wurden sie nach Chicago zurückgeschickt.

Ich werde nie den ersten Anruf von diesem Jungen vergessen. Er fluchte rum, er wolle keinesfalls in eine Pflegefamilie und wollte wissen, warum sich jeder in sein Leben einmischt.”

Heather merkte, dass der Junge sie testete. Sie telefonierte zweieinhalb Stunden mit ihm. Und sie gab nicht auf. Während der nächsten paar Jahre führten sie Gespräche über Religion, Politik und andere ernsthafte Angelegenheiten. Im März bekam sie dann einen Anruf, dass er im Gefängnis sei. Das war ein wirklicher Tiefpunkt in ihrem Leben.

„Ich habe mich gefragt, ob ich eigentlich tatsächlich etwas verändern kann oder nicht.”

Während er im Gefängnis war, hörte dieser Teenager auf zu trinken und zu rauchen und machte seinen GED (General Education Development ist ein Abschluss für Leute, die ihren Schulabschluss nachholen). Er rief Heather an und sagte, er wolle zur Uni gehen. Sie ging zu einem Buchladen, um das richtige Studienbuch für ihn zu suchen. Sie brachte es ihm ins Gefängnis, in dem schon allein die Sicherheitschecks zwei Stunden dauern. Der Teenager rief sie jeden Tag an, weil er sich fürchtete, nicht zu bestehen. Im Oktober erhielt er seine Testergebnisse. Er hatte bestanden.

Kürzlich brachte Heather ein paar Kinder zu deren Mutter nach Hause, die die Elternberatungskurse absolviert hatte. Kurz darauf begann sich einer der Jungen in der Schule gewalttätig zu verhalten. Die Mutter rief Heather an und Heather versprach zu helfen. Sie mochte diese Mutter und fühlte, dass sie wunderbare Fortschritte machte.

Der Richter sagte später, dass die Mutter kompetent genug sei, um die Schulangelegenheiten ohne Mitsprache des Gerichts klären zu können. Die Akte wurde geschlossen.

„Das machte mich traurig, denn ich wusste, dass ich die Mutter wohl nie wiedersehen würde. Dann schlang die Mutter mitten im Gerichtssaal ihre Arme um mich und drückte mich.” Die Mutter drehte sich zu dem Richter um und sagte: „Sie ist großartig!” Seitdem konnte die Mutter die nötige Unterstützung für ihren Sohn bekommen.

„Viele Tage und Nächte ringe ich um richtige Entscheidungen. Wenn ich dann höre, dass Kinder sogar zur Uni gehen, macht mich das sehr stolz.”

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