Wenn man einen Christlichen Wissenschafter fragt, was denn eigentlich in der Christlichen Wissenschaft die Kranken heilt, so antwortet er wohl ohne Zögern, daß geistige Erleuchtung solches bewirke. Für diese Erklärung gibt es in der Heiligen Schrift mancherlei Belege. Die Aufgabe des Christus wird in den folgenden prophetischen Worten des Zacharias genannt: „Daß er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes.” Viele Jahre vor ihm, als es dem sterblichen Sinn zufolge sehr dunkel unter den Völkern zu sein schien, hatte Jesaja gesagt: „Mache dich auf, werde Licht! denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn gehet auf über dir.” Und etwas später sagt er: „Der Herr wird dein ewiges Licht ... sein.”
Letztgenannte Verheißung ist ein wichtiges Element in der Erfahrung derer, die in der Christlichen Wissenschaft geheilt werden, denn sie sind „Kinder des Lichts”— ein Ausdruck, der von verschiedenen neutestamentlichen Verfassern gebraucht wird. Wie uns drei der Evangelisten erzählen, war Jesus auf dem Verklärungsberg in solch hohem Grade ein Durchscheinbild für das göttliche Licht, daß selbst seine Kleider leuchteten. Als er am folgenden Tage vom Berge herabkam, brachten die Strahlen dieses Lichtes dem an der Fallsucht leidenden Knaben Heilung, zum Beweis, daß es in der Tat das Leben der Menschen ist. Es ist unsre Aufgabe, dieses Licht scheinen zu „lassen,” bis alle Finsternis des sterblichen Sinnes vertrieben ist.
In Wissenschaft und Gesundheit (S. 464) legt Mrs. Eddy deutlich dar, daß nicht der menschliche Wille die Kranken heilt. Sie sagt: „Nicht menschliche Plattheiten, sondern göttliche Seligpreisungen spiegeln das geistige Licht und die geistige Macht wieder.” Unser Meister erklärte: „Wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.” Wer in den Banden seines eignen Glaubens und des Glaubens andrer Leute an Krankheitsgesetze liegt und infolgedessen früher oder später leiden muß, folgt nicht Christus Jesus in der von ihm angedeuteten Weise. Ein solcher sitzt oft in der tiefsten Finsternis und wartet auf das Urteil des blinden Schicksals hinsichtlich des Ausgangs einer Krankheit. Glücklicherweise hat aber die Christliche Wissenschaft bereits den Glauben, daß Gott für die Finsternis, welche Krankheit verursacht, verantwortlich sei, zum großen Teil vertrieben, und dies ist für die Menschheit von hoher Bedeutung. Licht verbreitet sich nicht nur, sondern dringt auch ein. Seine Strahlen finden oft einen Riß in den Gefängnismauern des sterblichen Sinnes und bringen die Verheißungen der Freiheit. Alsdann wächst der Mut, im Namen Gottes und Seines Christus gegen ein ungerechtes Urteil Einspruch zu erheben, und dies hilft die Gefängnistore öffnen. Nach Gottes Weise und oft ganz unerwartet folgt darauf die heilende Wahrheit, und der Glaube an die Krankheit samt seinen äußeren Bekundungen „schwankt, bis [er] vor der Streitaxt der Wissenschaft fällt” (Wissenschaft und Gesundheit. S. 389). Die unwirklichen Mauern der Materialität, an die man von alters her geglaubt hat, verschwinden wie ein Traum vor dem Licht des wahren Seins, und alles ist neu, wie Johannes in einem Gesicht sah.
Ein jeder, der in der Christlichen Wissenschaft Heilung erlangt, wird sich in gewissem Maße der göttlichen Macht und Gegenwart bewußt und fühlt etwas von dem Licht und der Wärme der Liebe und Wahrheit. Selbst ein Kind, das zu jung ist, um Urteilskraft zu besitzen, ist, wie eine Blume, für das Licht empfänglich und spiegelt es durch fröhliches, liebevolles Wesen und durch Gesundheit wieder. Der Blindgeborene, den Jesus heilte, wußte zunächst nur, daß er sehen konnte. Das Licht und die Dinge um ihn her waren stets da gewesen, aber er konnte sie nicht wahrnehmen, denn er befand sich körperlich und geistig im Dunkeln, wie auch heute so viele Leidende. In der sterblichen Erfahrung scheint sich das Denken auf Dinge zu richten und das Licht außer acht zu lassen; wer aber in der Christlichen Wissenschaft Heilung gefunden hat, denkt unwillkürlich an das Licht, das ihn geheilt hat, und vergißt die Dinge — die Schattenbilder, welche die Dämmerung erfüllt hatten.
Jesus fragte den vormaligen Blinden, ob er an den Sohn Gottes glaube. Und als dieser den Sohn Gottes geistig sah, betete er in Demut an. Wer in der Christlichen Wissenschaft Heilung erlangt hat, sieht bald ein, daß er ohne Aufschub die erhabene Aufgabe erfüllen muß, den Menschen als Gottes Idee zu sehen und diese Idee andern so klar kund zu tun, daß sie sie sehen können und unsern Vater im Himmel preisen. Johannes sagt in seiner Beschreibung der himmlischen Stadt, in welcher Sünde, Krankheit und Tod keinen Raum finden: „Und die Heiden [Völker], die da selig werden, wandeln in demselbigen Licht.” Wie viele Mitmenschen bringen wir unter die Strahlen dieses Lichtes?