Die Christliche Wissenschaft bringt eine Entfaltung der Wahrheit im menschlichen Bewußtsein mit sich und wirkt als eine moralisch treibende Kraft. Diese Entfaltung vollzieht sich in so ruhiger und unauffälliger Weise wie das Sichbilden des Taues oder das Sichöffnen einer Rosenknospe. Wenn wir der Ermahnung gehorchen: „Sei stille dem Herrn und warte auf ihn,” werden wir den Herrn „in heiligem Schmuck” sehen und Seinen belebenden Einfluß fühlen. Ungeduld und Zweifel verzögern die gnadenreichen Gaben der göttlichen Liebe. In dein Maße wie wir diese Irrtümer erkennen und berichtigen, können wir, wie Jakob in Pniel, Gott „von Angesicht” sehen. Die Wahrheit ist uns alsdann viel handgreiflicher, und wir können ihre Macht besser verstehen; ja noch mehr, wir fangen an einzusehen, daß das normale Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen gleichbedeutend ist mit dem Verhältnis zwischen der göttlichen Liebe und ihrer heilenden und segnenden Offenbarwerdung oder Wiederspiegelung.
Das menschliche Denken hat von jeher die Neigung gehabt, diejenigen Werke Gottes, die der gewohnten Ordnung der Dinge scheinbar zuwiderlaufen, als wunderbar oder übernatürlich zu bezeichnen, und selbst in der heutigen aufgeklärten Zeit macht sich diese Neigung in mancher Hinsicht sehr bemerkbar. Sogar Christliche Wissenschafter kommen zuweilen in Versuchung, ihrer Verwunderung Ausdruck zu geben, wenn die Wahrheit ihr Werk verrichtet, indem sie Irrtum aufdeckt und zerstört, Krankheit durch Gesundheit ersetzt und moralische Wiedergeburt bewirkt, wo früher Sünde herrschte. Sollten wir nicht vielmehr erstaunt sein, wenn das Sichvergegenwärtigen der Wahrheit diese Ergebnisse nicht herbeiführt? Können wir uns vorstellen, daß Jesus je erstaunt war, wenn kraft seines klaren Erkennens der Vollkommenheit geistiger Wirklichkeiten die Lahmen wieder gehen konnten, die Blinden sehend, die Tauben hörend und die Aussätzigen rein wurden, und sogar die Toten erstanden? Sein unbedingtes Vertrauen auf den Vater ließ nie einen Zweifel aufkommen an der Allmacht des göttlichen Gemüts und dessen Fähigkeit, alle Sünde und Krankheit zu überwinden. Seine Heilungen waren die Erfüllung des ihm von Gott anvertrauten Werkes, und dieses Werk liegt uns allen ob.
Der Christus weilt auch heute noch unter uns. Er ist der Erlöser, Heiler und Tröster unser aller. Die Macht über den Irrtum, welche die unmittelbaren Nachfolger Jesu besaßen, ist ein Vorrecht, das nie widerrufen oder aufgehoben worden ist. Von dem Meister lernten die Urchristen die Rechtmäßigkeit und Natürlichkeit der Güte und Reinheit, der Gesundheit, des Friedens und des Freiseins von Furcht. Allerorten teilten sie diese Segnungen andern mit, und wir können uns leicht denken, daß sie trotz aller Verfolgung und alles Mühsals die glücklichsten Menschen von der Welt waren. Sie lebten, wie ihr Meister, vermöge der Macht des Geistes der Wahrheit und brachten sie überzeugungskräftig zur Veranschaulichung. Ihr Glaube war einfach aber unerschütterlich. Die von Paulus an Agrippa gerichtete Frage: „Warum wird das für unglaublich bei euch geachtet, daß Gott Tote auferweckt?”, das augenblickliche Heilen des Lahmen vor des Tempels Tür, die vielen andern, in der Apostelgeschichte aufgezeichneten Vorfälle, sowie die in den Episteln enthaltenen tief-geistigen Lehren zeigen uns, welch vorgeschrittene Christliche Wissenschafter die Jünger waren.
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