Auf Seite 79 von „Retrospection and Introspection“ schreibt unsre Führerin: „‚Lerne arbeiten und warten!‘ Vor alters wurden die Kinder Israel durch geduldiges Warten erlöst.” Es gibt eine mechanische Vorrichtung, die Sperrklinge genannt wird und die ein Rad oder eine Scheibe daran hindert, sich rückwärts zu drehen. Jeder Christliche Wissenschafter sollte beim Erforschen der Wahrheit, bildlich gesprochen, mit einer Sperrklinge versehen sein. Er muß jede zum Fortschritt beitragende Gelegenheit benutzen, darf aber nie rückwärts gehen. Stets muß er sich der Wahrheit des Seins bewußt bleiben und somit auf der Hut sein, damit er keine Gelegenheit zum Vorrücken verpasse, handle es sich auch um noch so kleine Distanzen.
„Warten” in dem Sinn, wie Mrs. Eddy das Wort braucht, soll heißen, daß wir fortfahren sollen, unsre Arbeit gewissenhaft zu verrichten, ohne Rücksicht auf Belohnung, ja sogar wenn es den Anschein hat, als ob die Arbeit überhaupt nicht zähle. Wir müssen besonders darauf achten, ob wir uns auch in der rechten Richtung bewegen. Solange das ersehnte Ziel nicht erreicht ist, darf man nicht stillstehen. In bezug hierauf ist Mrs. Eddys Zeugnis auf Seite 426 von Wissenschaft und Gesundheit von besonderem Interesse. Es heißt da: „Die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft findet den Weg weniger schwierig, wenn sie das hohe Ziel beständig vor Augen hat, als wenn sie ihre Fußtapfen zählt in ihrem Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.”
Wenn der Christliche Wissenschafter das sich angeeignete Verständnis vom geistigen Sein nicht anwendet, so verwirkt er den Gewinn, der ihm bereits aus diesem Verständnis erwachsen ist. Als die Kinder Israel die Mauern Jerusalems ausbesserten, hielten sie in der einen Hand die Kelle und in der andern das Schwert. Der Christliche Wissenschafter hat sowohl vor dem Feind von innen als auch von außen auf der Hut zu sein, d. h. er hat neben dem Irrtum, der von außen eindringen möchte, noch seine eignen Fehler zu überwinden. Sein Verteidigungsmittel ist die Erkenntnis, daß er von der immer gegenwärtigen Liebe beschützt wird. Um seine Zeit möglichst gut auszunützen, muß er diese Waffe stets bereit halten. Währenddem er an der Besserung seiner eignen Lage arbeitet und sich gleichzeitig gegen Eindringlinge verteidigt, die die Breschen vergrößern oder ihn von seiner vorgerückten Stellung verdrängen möchten, muß er sich der Tatsache stets bewußt sein, daß Gott allgegenwärtig ist.
Es ist klar, daß man nicht warten gelernt hat, wenn einem das Kriegführen mühsam erscheint und man in Versuchung kommt, die Ermahnung, Gutes zu tun und nicht müde zu werden, außer acht zu lassen. Mit andern Worten, man lebt im Bewußtsein des Kampfes anstatt sich jenes Bewußtsein geistiger Wahrheit zu wahren, welches die Fähigkeit verleiht, nicht nur die Zustände, gegen die man arbeitet, zu überwinden, sondern sich auch über den Kampf selbst zu erheben.
Schreiber dieses erinnert sich lebhaft, wie er als Schulknabe bei der Ausarbeitung der ihm sehr schwer erscheinenden Rechenexempel oft ein Lied pfiff. Wenn nun ein Schulknabe bei der Lösung schwieriger Aufgaben pfeifen oder singen kann, so sollte doch der Christliche Wissenschafter in seinem Bestreben, „die Welt, das Fleisch und den Teufel” zu überwinden, auch imstande sein, sich stets ein Gefühl der Dankbarkeit zu wahren, da er ja weiß, daß „alles ... unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung” ist (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468). Nur wenn er dies tut, ist er frei von der Sinnenerschlaffung, die so leicht das christliche Streben lähmt.
Die Christlichen Wissenschafter müssen sich streng an die Lehre halten, daß das Gute die Wirklichkeit ist, und daß das Böse, da es nicht unter die von Gott „sehr gut” geschaffenen Dinge gehört, keine wahre Existenz hat. Wenn sie das tun, werden sie finden, daß es nichts gibt, was sie zu stören oder zu belästigen vermöchte, und sie können dann mit dem Meister sagen: „Es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an mir.”
Die Christliche Wissenschaft ist von hohem praktischem Wert. Sie bringt uns Friede und Harmonie. Sie erhält uns gesund und froh. Aber, wie die Mathematik, so arbeitet auch sie nicht von selbst; sie muß verstanden und angewendet werden. Ferner dürfen wir nicht den Gedanken nähren, daß der Kampf hart und lang sei, sondern müssen an der Versicherung festhalten, daß Gott „überschwänglich tun kann über alles, das wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirket.”
Wollen wir Christen sein, so lasset uns zusehen, was für Kraft und Tugend in uns gewachsen sei. z. B., was für Demut in guten Tagen? Was für Geduld in bösen Tagen? Was für Sanftmut bei Beleidigung? —