Als die Schriftgelehrten und Pharisäer zu Jesus kamen und wissen wollten, warum er seinen Jüngern erlaube, den Überlieferungen ihres Volkes entgegen mit ungewaschenen Händen zu essen, wies er auf den großen Fehler hin, den sie begingen und der immer noch begangen wird, nämlich, die Becher und Schüsseln nur auswendig zu reinigen. Wohl war er dafür, daß das Äußere rein gehalten werde, wies aber vor allem darauf hin, wie wichtig es ist, mit dem Inneren zu beginnen, damit die Menschen nicht wie „übertünchte Gräber” seien, „welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totenbeine und alles Unflats!”
Jesu Worte sind klar und deutlich, wenn er sagt: „Denn aus dein Herzen kommen arge Gedanken: Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsch Zeugnis, Lästerung. Das sind die Stücke, die den Menschen verunreinigen.” Jeder ernststrebende Schüler der Christlichen Wissenschaft lernt bald einsehen, daß er diese vor alters erteilte Rüge willig hinnehmen und ehrlich und gewissenhaft sein eignes Bewußtsein durchforschen muß. Wenn er jeden irrigen Begriff durch einen Wahrheitsgedanken zu ersetzen lernt, erlebt er allmählich eine große Umänderung, mag seine Not bestehen worin sie wolle, mag sie sittlicher, körperlicher oder finanzieller Art sein.
Wie wahr ist es doch, daß ein Mensch so ist, wie er denkt! Bedenken wir jedesmal, wenn wir Gedanken der Selbstsucht, der Unehrlichkeit, der Selbstgerechtigkeit. des Neids, der Eifersucht, des Hasses, der Rache, hegen, daß wir den Christus genau so verraten, wie Judas den Meister verriet? Der Verrat des Judas brachte ihm selber das schwerste Leid. Auf Seite 210 von Miscellany sagt Mrs. Eddy: „Haltet euer Bewußtsein so mit Wahrheit und Liebe erfüllt, das Sünde, Krankheit und Tod nicht eindringen können. ... Gute Gedanken sind eine undurchdringliche Rüstung; damit angetan, seid ihr vor den Angriffen des Irrtums jeder Art völlig geschützt. Und nicht nur ihr selbst seid geschützt, sondern allen, auf denen eure Gedanken ruhen, wird dadurch geholfen.”
Hätte Judas sein Denken mit den Lehren des Meisters in Übereinstimmung gebracht, so wäre er nicht der Versuchung zum Opfer gefallen, ihn zu verraten. Als geistig rege Christen, die ihre Pflicht getreulich tun, werden wir uns niemals gegenüber dem Christus des Verrats schuldig machen. Wenn alle Menschen die Notwendigkeit und Möglichkeit erkennen würden, ihr Bewußtsein „mit Wahrheit und Liebe erfüllt” zu halten, und wenn sie ihrer ehrlichen Überzeugung gemäß lebten, so würde alle Bosheit und Zerstörungssucht, alles Elend und aller Krieg aufhören, und vollkommene Harmonie würde herrschen.
Als ich vor einiger Zeit sehr Schweres durchzumachen hatte, wurde mir klar, daß, solange ich an dem Gedanken von Gottes Schöpfung festhielt, ich mir der Allmacht der Wahrheit bewußt werden konnte, die jeden irrigen Zustand aufhebt. Sobald ich aber auf das Sinnenzeugnis hörte, schien der Weg finster zu sein, als ob Gott Seine Kinder verlassen hätte. Durch das feste Vertrauen, daß die Wahrheit Harmonie herstellen werde, verschwand die Dunkelheit, und ich gewahrte das Licht des Gemüts, dessen Strahlen die Finsternis des Zweifels immer mehr durchdrangen.
Gute Gedanken erzeugen niemals Sünde, Krankheit oder Tod, und schlechte Gedanken niemals auch nur das geringste Gute, denn Gleiches erzeugt immer Gleiches. Anzunehmen oder zu glauben, daß Sünde, Krankheit, Tod oder irgendein unharmonischer Zustand einem guten Zweck diene, heißt zugeben, daß Gott der Schöpfer des Bösen sei, und man betritt sonnt den breiten Weg, „der zur Verdammnis abführet.” Jeder schlechte Gedanke ist eine Einflüsterung des einen Bösen; er ist kein wahrer Gedanke, hat keine wahre Existenz. Jeder gute Gedanke aber hat in Gott seinen Ursprung, und da er von göttlicher Macht getragen ist, vermag er die scheinbare Macht des Bösen zu vernichten. Wenn unser Bewußtsein mit guten Gedanken erfüllt ist, wird das Übel entsprechend vermindert. Wir können kaum ermessen, wie viel Gutes durch jeden reinen Gedanken, den wir hegen, hervorgebracht wird.
Vielleicht drängt sich uns hier die Frage auf: „Wie können wir wissen, ob ein Gedanke irrig oder ob er wahr ist?” Jesus gab uns einen sicheren Maßstab mit den Worten: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.” Wenn ein Gedanke uns Gesundheit, Freude, Glück, Frieden und geistige Erhebung bringt, dann wissen wir, daß er von Gott kommt und daher wahr ist; wenn aber durch unsre Gedanken Selbstsucht, Furcht, Zweifel, Sünde, Krankheit und ein wirrer Gemütszustand erzeugt wird, so ist dies ein Beweis, daß sie nicht aus Gott hervorgehen, und sie sollten daher sofort ausgetrieben werden.
Als Christliche Wissenschafter lernen wir, daß die Wahrheit unablässig Läuterung, Reinigung und Vergeistigung unsres Denkens fordert. Hiermit beginnt denn auch unser Werk der Erneuerung. Bei dem Läuterungsprozeß wird jeder unmoralische, ungesunde und erniedrigende Gedanke ausgetrieben, und dadurch entsteht Raum für erhebende Gedanken, die sich, wenn sie beherbergt werden, vermehren, bis kein Platz mehr für schlechte Gedanken vorhanden ist. In dem Maße wie das Denken gereinigt wird, zeugt auch jede äußere Bekundung von Reinheit und Macht, und es wird offenbar, daß der Mensch und das Weltall die Wiederspiegelung Gottes sind. Wenn das Denken genügend vergeistigt ist, werden Materialität, Sinnlichkeit und Laster für uns nicht mehr bestehen, und wir werden erkennen, was Jesus mit den Worten meinte: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.”
