Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Trägheit

Aus der November 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die meisten Leute, die gefragt werden, was sie unter Trägheit verstehen, antworten: „Untätigkeit,” und betrachten diese Definition als vollständig. Auch die Verfasserin war solcher Ansicht, bis sie eines Tages eines Besseren belehrt wurde. Sie befand sich im Gespräch mit Schülern einer höheren Lehranstalt, die sich dem scheinbar kindischen Vergnügen hingaben, mit einem Kreisel zu spielen, und sie war sehr überrascht, als einer der Knaben sie fragte, ob dieses Spielzeug nicht ein herrliches Beispiel von dem Wirken des Gesetzes der Trägheit liefere.

Schreiberin betrachtete den surrenden Kreisel, der ihr eher als ein Beispiel ununterbrochener Bewegung vorkam, und gab auf die scheinbar vernunftwidrige Frage die Antwort: „Das ist ja gar kein Beispiel von Trägheit!” Daraufhin zitierte einer der Schüler folgende Definition von Trägheit, die er für sein Physikexamen auswendig gelernt hatte: „Trägheit oder Beharrungsvermögen ist die Eigenschaft der Körper, auf Grund deren sie sowohl in dem Ruhezustand wie in dem Bewegungszustand beharren, in welchem sie sich einmal befinden, bis eine äußere Ursache diesen Zustand abändert.” Die scheinbare Sinnwidrigkeit obiger Frage wurde durch die Erklärung beseitigt, daß, wenn der Kreisel nicht durch den Widerstand der Luft und durch Reibung allmählich aufgehalten würde, er kraft des Gesetzes der Trägheit auf ewig in Bewegung bleiben müßte.

Die Verfasserin dachte lange nach über diese ausgezeichnete Veranschaulichung des sterblichen Gemüts und seiner Stellung zu sich selber und seinen Problemen. Vom metaphysischen Standpunkt aus ist die Parallele unverkennbar; denn wie entschlossen ist doch das fleischliche Gemüt, seinen Sinn durchzusetzen, wie zähe beharrt es „in dem Ruhezustand wie in dem Bewegungszustand,” in welchem es sich einmal befindet—in dem Zustand selbstzufriedener mentaler Gleichgültigkeit oder irregeleiteter Tätigkeit—bis es durch die „äußere Ursache” richtigen geistigen Denkens seinen Zustand ändert—zum Gehorsam gegen den Christus-Sinn erweckt wird. Sünde, Krankheit und Tod, der Glaube an Schmerz oder Lust in der Materie, unharmonische Vorstellungen irgendwelcher Art sind nichts andres als verschiedene Phasen der Trägheit des sterblichen Gemüts, das wegen seines Starrsinns und seiner Furcht stets dazu neigt, in der geraden Linie der Sinnenbeschränkung, oder, wie Mrs, Eddy auf Seite 189 von Wissenschaft und Gesundheit schreibt, „in direkter Linie mit der Materie,” zu verharren, es sei denn, es werde auf dieser Bahn der Selbstvernichtung wissenschaftlich aufgehalten und durch die Wahrheit gezwungen, von seinem irrigen Verfahren zu lassen.

Hat nicht oft der entschlossene, übereifrige Versuch, das sterbliche Gemüt aus seiner Trägheit der Sinneubefriedigung und Gleichgültigkeit gegen geistige Dinge zu wecken, zur Folge gehabt, daß die zarte Verbindung zwischen einem Menschen und der Wissenschaft des Seins, die möglicherweise durch eine Heilung entstanden war, wenigstens zeitweilig unterbrochen wurde? Eine solche Erfahrung bringt manchem von uns die verspätete Erkenntnis, daß die einzige Art, auf die das menschliche Gemüt von seiner trägen Unwissenheit und seinen selbstsüchtigen Beweggründen getrennt werden kann, die sanfte Christus-Art ist, die darin besteht, daß wir unser Denken über irdische Wünsche emporheben und das göttliche Wesen wiederspiegeln; daß wir jene erhabene Denkweise bekunden, die, wie Jesus sagte, alle Menschen zu sich ziehen wird, zu der wissenschaftlichen Erkenntnis der Wahrheit.

Die Frage, die sich uns hier aufdrängt, ist die: „Da die Naturwissenschaft Trägheit als eine Eigenschaft anerkennt, die einen Körper entweder im Ruhe- oder im Bewegungszustand beharren läßt, und die auf allen Gebieten des sterblichen Daseins zum Ausdruck kommt, was ist dann das geistige Gegenteil dieser Eigenschaft? Mit andern Worten, welche Eigenschaft der Wirklichkeit, welche Tätigkeit des göttlichen Prinzips, der Ursache aller Bewegung und schöpferischen Kraft, aller Harmonie und Ruhe ist hier so geschickt nachgeahmt?” Kann es etwas andres sein als die Liebe, das ureigenste Wesen Gottes—die Liebe, die so allumfassend ist, daß sie alle sich offenbarenden Eigenschaften des göttlichen Gemüts in sich schließt, gleichwie das Sonnenlicht alle Regenbogenfarben enthält?

Die Liebe bringt ununterbrochen und ungehindert auf ewig die lebenspendende, liebevolle Tätigkeit des göttlichen Gesetzes zum Ausdruck, die alle diejenigen heilt und erneuert, die sich rückhaltlos der Wahrheit um Erlösung zuwenden. Es gibt keine Ursache, die größer und mächtiger wäre als die Liebe, denn nichts kann die Liebe, die Gott ist, umkehren oder sie davon abhalten, unparteiisch jede Idee in Gottes geistiger Schöpfung zu segnen und zu erhalten. Mrs. Eddy schreibt aus Seite 208 von Miscellaneous Writings: „Dieses ununterbrochene Wirken des Gesetzes der göttlichen Liebe gibt den Mühseligen und Beladenen Erquickung.” Diese heilende Kraft, die Liebe, die die vermeintliche Tätigkeit oder Untätigkeit aller Formen des Irrtums umzukehren, abzulenken und aufzuheben vermag, ist unwiderstehlich in ihrer geistigen Anziehung, unwiderstehlich in der Führung aller Menschen zu der Erkenntnis ihres gottverliehenen Erbrechts der Herrschaft, ihres rechtmäßigen Erbes des „Reichtums seiner (Gottes) Gnade.”

Jesus der Christus verstand so genau die Fähigkeit und die Macht der göttlichen Liebe, dem zerstörenden Einfluß jeder materiellen Nachbildung, dem sinnlichen, selbstsüchtigen Instinkt des fleischlichen Gemüts entgegenzuwirken, daß er sich stets unter ihren Schutz stellte und seine Jünger lehrte, sich ebenfalls stets auf das unfehlbare Wirken des Gesetzes geistigen Lichtes, geistigen Lebens und geistiger Wahrheit zu verlassen. Durch absolutes Vertrauen auf diese göttliche „äußere Ursache” oder Kraft überwand er alle Arten von Krankheit, bedräute er die stürmischen Elemente, machte er den giftigen Einfluß von Haß und Rachsucht nichtig, kehrte er die mesmerischen Argumente der Beschränkung und des Verlustes um, besiegte er den „letzten Feind,” den Tod, erst für andre und dann für sich selber. In welchem Grade auch diese materiellen Zustände von Untätigkeit oder zu großer Tätigkeit Zeugnis ablegten, er wußte, daß sein Verständnis und seine Anwendung des „ununterbrochenen Wirkens des Gesetzes der göttlichen Liebe,” der unwiderstehlichen Tätigkeit des göttlichen Prinzips, das als eine geistige Kraft außerhalb der materiellen Sinnenwahrnehmung tätig ist, diese Phasen des Irrtums von ihrem eingeschlagenen Kurs abbringen und ihr schädliches Vorhaben vereiteln konnte. Indem er sich stets an die gerade Linie des gehorsamen, mutigen Verlassens auf sein geistiges Bewußtsein, die Christus- Idee, hielt und stets den schmalen Weg vollständiger Selbstverleugnung und Reinheit innehielt, verherrlichte er seinen Vater. Er brach dadurch den zähen Widerstand oder die Trägheit des fleischlichen Gemüts und brachte den Mühseligen und Beladenen Erquickung.

Wer durch dankbare Empfänglichkeit und intelligente Anwendung der Wahrheit täglich bestrebt ist, mehr von jener Liebe zum Ausdruck zu bringen, die eine Wiederspiegelung der göttlichen Liebe ist, verdient sich das Vorrecht, ein Zwischenmittel zu werden, durch das das Gesetz der göttlichen Liebe Disharmonie aller Art aus den Herzen und dem Leben der Menschen austreibt. Diese Liebe, die uns in der Vergeistigung unsrer Arbeit zur Erhebung der leidenden Menschheit so sehr Not tut, durchdringt unsre Gesinnung und unsre Ziele, wenn wir von den selbstsüchtigen weltlichen Bestrebungen lassen, wenn wir unsre persönlichen Ansichten durch eine aufbauende, geistige Denkart ersetzen, wenn wir die liebevollen Eigenschaften der Güte, der Geduld, der Demut und der Barmherzigkeit tatkräftig beweisen.

Da wir wissen, in welch täuschender Verkleidung der Irrtum oft auftritt, so tun wir wohl, alle unsre Beweggründe andachtsvoll zu prüfen, bevor wir sie in die Tat umsetzen. Eine solche Prüfung wird dartun, ob wir uns der Trägheit des sterblichen Gemüts unterwerfen, die uns veranlassen möchte, in dem „Ruhe zustand” oder in dem „Bewegungszustand” zu beharren, in dem Zustand mentaler Stumpfheit oder der Tätigkeit des Bösen. Wenn wir uns fest an die Tatsache klammern, daß das „Gemüt ... die Ursache aller Bewegung” ist, und daß es „keine Untätigkeit” gibt, „die das immerwährende und harmonische Wirken des Gemüts verzögern oder hemmen könnte” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 283), werden wir in den Hafen der richtigen Entscheidungen geführt, in das Reich der Wahrheit, wo das geistige Verständnis—das unveränderliche, allmächtige Beharrungsvermögen des göttlichen Prinzips, der Liebe—allein regiert.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / November 1917

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.