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Absolutes Vertrauen

Aus der November 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Christliche Wissenschaft erinnert uns oft daran, daß wir beständig in Gottes Nähe leben, und daß wir stets von ungeahnten Gelegenheiten umgeben sind, die Gegenwart und Kraft der göttlichen Liebe zu beweisen. Darum sollten wir täglich beten, daß wir diese Gelegenheiten sehen und ausnützen möchten.

Dies wurde mir durch folgenden Vorfall klar gemacht. In den Wochen vor und während des Schlusses einer höheren Schulanstalt hatte ich als eine ihrer Lehrerinnen danach getrachtet, durch gewissenhaftes Studium und Nachdenken klar zu erkennen, daß mich die Wahrheit angesichts aller Schwierigkeiten und Anstrengungen der bevorstehenden Tage und Stunden aufrechterhalten und leiten würde. Eines Mittags während der Tage des Examens beschloß ich, die Ruhestunde im Lesezimmer der Christlichen Wissenschaft zuzubringen anstatt wie gewöhnlich im Erholungszimmer der Schule. Als ich die Treppe hinunterging, fand ich die Gänge voller Schüler, die Bücher in die Bibliothek zurückbrachten und zwischen den verschiedenen Prüfungszimmern hin und her gingen. Ein kleines Mädchen, das ich nicht kannte, stand neben der Treppe. Sie erwiderte so teilnahmslos mein „Guten Morgen,“ daß in mir der Wunsch rege wurde, weiter mit ihr zu reden. Ich fragte sie daher: „War deine Prüfungsarbeit schwer?“ Hierauf antwortete sie: „Ich brauchte keine zu machen.“ Dies war eine Auszeichnung in der Schule, aber trotzdem zeigte das Gesicht des Kindes keine Spur von Freude. Als ich fortfuhr mit ihr zu sprechen, brach sie in Tränen aus und erzählte mir schließlich, daß sie einen Zwanzigdollarschein verloren hätte und sich fürchtete, nach Hause zu gehen. Ich war bestürzt und ging mit ihr zu dem nur allzubeschäftigten Vorsteher, der sich dann ihre Geschichte erzählen ließ.

Ehe sie sich an jenem Morgen aufgemacht hatte, um ihre Bücher zurückzubringen, hatte ihr die Mutter einen Zwanzigdollarschein anvertraut, mit dem sie die Miete bezahlen sollte. Da sie erst vierzehn Jahre alt und in Geschäftsachen unerfahren war, so hatte ihr die Mutter genaue Anweisungen gegeben und den Schein, sorgfältig zusammengefaltet, zu unterst in ihre Geldtasche gesteckt. Als das Mädchen in die Schule kam, fand sie eine ganze Reihe Schüler in der Bibliothek warten und machte sich daher zunächst auf, in die Stadt zu gehen, um die Geschäfte zu erledigen. Auf dem Wege ging sie zuerst in eine Buchhandlung, um einen kleinen Einkauf zu besorgen, dann in ein anderes Geschäft, um eine Bestellung zu machen, und schließlich in das Büro, wo sie die Miete bezahlen sollte; aber als sie die Geldtasche aufmachte, entdeckte sie, daß der Geldschein verschwunden war. Sie eilte in beide Geschäfte zurück und erzählte von ihrem Verlust. Die Verkäufer versprachen ihr Nachricht zu geben, falls sich das Geld finden würde. Sie ging zur Schule zurück, konnte aber den Schein nicht finden.

Die müden Falten im Gesicht des Vorstehers vertieften sich noch mehr, und er konnte nur sagen, er hoffe, das Geld werde sich wieder finden und man werde es ihr dann zurückgeben. Er war jedoch sichtlich erleichtert, als ich mich erbot, das Mädchen in die Stadt zu begleiten und mit den Verkäufern zu sprechen, bei denen sie ihre Besorgungen gemacht hatte. Als ich mit dem schluchzenden Kinde durch den Park ging, wurde mein Mitleid und mein Gefühl der Hilflosigkeit immer größer. Dann kam mir wie ein Blitz der glückliche Gedanke, daß dies ein Fall sei, wo mir das Verständnis von der Christlichen Wissenschaft von Nutzen sein müßte. Die Stimme der Wahrheit sagte: Du glaubst an „die drei großen Wahrheiten des Geistes: Allmacht, Allgegenwart, Allwissenheit —Geist, der alle Macht besitzt, der allen Raum erfüllt, den alle Wissenschaft ausmacht“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 109). Warum es nicht jetzt beweisen? Da ich bis dahin niemals versucht hatte, jemand zu helfen, der nicht mit der Christlichen Wissenschaft vertraut war, so zögerte ich einen Augenblick und betete im Stillen um göttliche Führung. Dann nahm ich das Mädchen bei der Hand und erklärte ihr ruhig aber bestimmt, daß Gott ihr Geld nicht verloren gehen lassen würde, weil es ihr gehöre, daß das göttliche Gemüt alles wisse, obschon wir nicht wüßten, wo das Geld sei, und daß wir nun, anstatt uns länger zu beunruhigen, hingehen und es finden würden.

Indem ich bei jedem Schritt stillschweigend erklärte, daß Gott Liebe ist und daß Liebe nur Harmonie kennt, daß Geist alle Kraft besitzt und allen Raum erfüllt, und zugleich dem Mädchen hörbar Mut zusprach, erreichten wir das erste Geschäft. Der Verkäufer sagte uns höflich, das Geld sei nicht gefunden worden. Indem ich stillschweigend wiederholte, daß Gott Liebe ist, gingen wir weiter. Ich fragte meine Begleiterin, ob sie wohl mit mir eine Weile in das christlich-wissenschaftliche Lesezimmer gehen möchte, um sich dort auszuruhen und in der Stille nachzudenken. „Ja,“ antwortete sie, „aber ich möchte zuerst noch einmal in den anderen Laden gehen.“ So begaben wir uns denn in das große Geschäft, welches voll von hin und her drängenden Menschen war. Zuerst mußte ich den Gedanken berichtigen, daß es hoffnungslos sei, in dieser Menge etwas zu finden. Ich erklärte stillschweigend, daß Gott überall ist, worauf wir uns bis zu der Stelle durchdrängten, wo das Mädchen die Einkäufe besorgt hatte. Die freundliche Verkäuferin kam hinter dem Ladentisch hervor und drückte ihr Bedauern über den Verlust des Geldes aus. Als sie noch sprach, stieß das Mädchen einen leisen Freudenruf aus, tat einen Schritt vorwärts und hob ihr verlorenes Geld vom Boden auf. Es war noch fest zusammengefaltet und hatte da zwei Stunden gelegen.

Die Verkäuferin, der Vorsteher der Schule und andere, die davon hörten, nannten dies ein Wunder; ich aber wußte, daß es nur die natürliche Folge meiner Erkenntnis von des Menschen Hilflosigkeit und meiner Nutzbarmachung der Gegenwart und Kraft der Wahrheit war. Niemals werde ich die Freude und die Dankbarkeit jener Stunde vergessen; sie werden mich allezeit anspornen, mich absolut auf die Wahrheit zu verlassen. (Siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 167). Es wurde mir klar, daß wir beide der göttlichen Liebe teilhaftig geworden waren und daß sie uns direkt geführt hatte. Die besondere Lehre, die ich durch dieses Begebnis erhielt, war die, daß man sich absolut auf die allwissende göttliche Liebe verlassen muß. Mit der Erkenntnis, wie hilflos der Mensch ist und wie nur Gott uns richtig führen kann, war ich zu der trostreichen Einsicht gekommen, daß nichts verloren gehen kann, und wiewohl wir es zur Zeit nicht wußten, waren wir doch gerade auf das verlorene Geld zugegangen, das nur auf seinen Eigentümer wartete.

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