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Geistiges Schauen

Aus der November 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein kleiner Brief mit Trauerrand, der Kummer und Verlust ankündigte, fiel in meinen Schoß. Von dem aufrichtigen Wunsche beseelt, Worte des Trostes und der Ermutigung zu senden, anstatt den Kummer meiner Freunde durch rein menschliches Mitleid zu vermehren, saß ich da, schaute zum Fenster hinaus und öffnete mein Herz der Allheit des Lebens, wie die Christliche Wissenschaft sie uns lehrt. Plötzlich kam mir ein Vogel zu Gesichte; er wandte sich aber gleich wieder und flog vom Fenster fort. Schnell und sicher glitt er dahin. Ich blickte ihm aus dem Fenster nach und sah, wie er immer kleiner wurde, bis er nur noch ein winziges Pünktchen war, das dann am klaren Morgenhimmel verschwand. Als ich so in das ruhige, sonnige Blau schaute, tat ich einen Blick in das unermeßliche Bereich der Unendlichkeit und erkannte zugleich die klägliche Unzulänglichkeit der materiellen Sinne.

Der lustige Vogel war verschwunden, aber was war geschehen? Für ihn hatte sich nichts verändert; er war in Wirklichkeit nicht in dem fernen Blau untergegangen. Er richtete noch immer seinen Flug seinem Ziele zu. Nur in mir, die ihm nachschaute, lag die Schwierigkeit. Mein Gesichtssinn war so begrenzt, daß ich den Vogel nur bis zu einem gewissen Punkte folgen und ihn dann über diesen Punkt hinaus nicht mehr sehen konnte. Ich wußte, durch ein Fernrohr hätte man ihn noch lange sehen können.

Indem ich mir diese Beobachtung geistig auslegte, konnte ich mir einigermaßen eine Vorstellung davon machen, wie uns infolge unserer begrenzten materiellen Auffassung der Dinge der Schein trügt, wenn Freunde unseren Blicken entschwinden. Hier fiel mir die Erfahrung der drei Jünger ein, die Moses und Elias mit Jesus sprechen sahen, als dieser vor ihnen verklärt ward. Hatte nicht sein Verständnis von der geistigen Wirklichkeit für seine Jünger die unwirklichen Schranken von Zeit und Raum beseitigt, mit denen die materiellen Sinne ihr Sehvermögen beschränken wollten? Verdankten sie es nicht seiner rein geistigen Erkenntnis, daß sie Moses und Elias da sehen konnten, wo sie in Wirklichkeit sind — und wo alle Kinder Gottes in Wirklichkeit weilen —, nämlich in dem Jetzt und Hier des ewigen Gemüts? Der menschliche Sinn, den die Annahme von persönlichem Verlust verdunkelt, mag wohl einwerfen, daß es für die Jünger leicht gewesen sei; diesen Blick in die geistige Wirklichkeit zu tun, da ja Jesus Christus ihnen half. Wir wissen jedoch, daß seine geistige Identität, seine Gottgleichheit und nicht sein Körper aus Fleisch und Blut dazu beigetragen hatte, die Gedanken seiner Jünger zu erheben. Diese Individualität starb niemals und entfernte sich niemals. Obwohl der fleischliche Körper verschwand, so sagte der Meister doch: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

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