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Die freundlichen Berge

Aus der November 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wer die Berge liebt, dem kommen sie wie treue Freunde vor. Vielleicht kehren wir nach vielen Jahren zu ihnen zurück und finden dann, daß sie ganz die alten geblieben sind. Wir erhalten von ihnen keinen Vorwurf, sie vernachlässigen uns nicht zur Strafe für unsere Abwesenheit; sie warten nur darauf, uns willkommen zu heißen und uns den gleichen Trost, die gleiche Inspiration, die gleiche Kraft, den gleichen Frieden zu geben. Gleich — und doch anders als ehemals! Vielleicht haben wir in all den Jahren viele Erfahrungen gemacht, die uns einen neuen Ausblick aufs Leben gegeben haben und uns einen neuen Lebenszweck erkennen ließen. Die Berge haben für uns einen neuen Reiz. Wir sind reifer geworden, und dadurch können wir in ihnen eine tiefere Bedeutung sehen, sie bergen neue Lehren und höhere Gedanken für uns. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 511 in Wissenschaft und Gesundheit: „Geistig ausgelegt bedeuten Felsen und Berge feste und erhabene Ideen.“ Die Berge haben uns, gleich bewährten Freunden, niemals enttäuscht, sie behalten ihre alte Anziehungskraft und lenken stets unsere Gedanken von dem ab, was kleinlich und niedrig ist. Sie lassen uns über den Streit und Lärm der Welt hinaussehen, und wiewohl sie fest auf der Erde ruhen, so sind doch ihre Gipfel über den Wolken in ruhiger klarer Höhenluft. Sie sind ein Sinnbild alles Großen und Edlen, und wir betrachten sie daher mit Recht als würdige Freunde. Mag auch beim Vordringen zu neuen Höhen der Weg über rauhe und felsige Pfade führen, so gewinnen wir doch einen immer weiteren Ausblick und erkennen die Gegenstände in ihrem wahren Verhältnis zu einander. Kommen wir in ein hoch gelegenes einsames Tal, so scheinen die Berge mit uns zu wandern. Man fühlt sich über die Kleinlichkeiten des Alltags, über das eigene kleine Ich und seine Umgebung erhoben. In solchen Augenblicken erkennt man wahrlich, was es bedeutet, ein Christlicher Wissenschafter zu sein.

Mancher findet wohl mehr Wärme, Behaglichkeit und Kameradschaft im Tale. Dem Bergsteiger kommt der Weg einsamer und schwieriger vor, je höher er steigt. Schon glaubt er, auf dem Gipfel angelangt zu sein, sieht dann aber vor sich eine weite Strecke sumpfingen Landes, und der Gipfel ist wiederum in weiter Ferne. Vielleicht ist er gar vom Weg abgekommen. Aber die Führerin der Christlichen Wissenschaft legte den mentalen Weg zurück und kannte dessen Beschwerden. Sie schreibt auf Seite 429 von Wissenschaft und Gesundheit: „Es bedarf der Zeit, um die endgültige Demonstration zu vollbringen. Beim Gehen werden wir von den Augen geleitet. Wir schauen vor unsre Füße, und wenn wir weise sind, blicken wir über den einzelnen Schritt hinaus in der Richtung des geistigen Fortschritts.“ So werden auch wir, wenn wir still stehen und vorwärts schauen, den Weg wieder deutlich sehen. Wir eilen auf ihn zu und finden vielleicht einige Steine oder trockene Stellen, die uns über den scheinbar unpassierbaren Sumpf hinüberhelfen, während die Luft beständig frischer und kräftiger wird und der Ausblick sich immer mehr erweitert. Ein Höhenzug nach dem anderen taucht auf; in diesem Reich hoher Gedanken gibt es keine Einsamkeit, und mit ihr verglichen scheint die Kameradschaft des Tales klein und unbedeutend zu sein. Die scheinbar großen Schwierigkeiten weiter unten kann man hier oben kaum erblicken. Und plötzlich bringt uns eine Wendung des Weges in die Nähe des Gipfels, und stillstehend und um uns blickend, spüren wir nur Freiheit und Herrschaft — die Herrschaft, die dem Menschen von Gott verliehen ist.

Auf einem Berge hielt Moses Zwiesprache mit Gott und wurde mit Weisheit erfüllt, so daß er sein Volk richtig leiten konnte. Von einem Berge aus schaute er in das Gelobte Land, ehe er der Erde entrückt wurde. Vielleicht erreichte er damals die im Lichte von Wahrheit und Liebe erstrahlenden Höhen der geistigen Erkenntnis. Jedenfalls lesen wir nicht, daß nach dieser wunderbaren Vision das Menschenauge ihn gesehen hätte, bis er mit Elias auf dem Berge der Verklärung erschien und mit Jesus redete, wodurch den erstaunten Jüngern die Unsterblichkeit geistiger Ideen offenbart wurde. Jesus ging oft auf einen Berg, um zu beten. Einmal nach einer solchen Gelegenheit ward er so über alles Materielle erhoben, daß er auf dem Meere wandelnd zu seinen Jüngern kam — auf dem Meere, das Mrs. Eddy als das Sinnbild des „elementaren, latenten Irrtums, die Quelle aller sichtbaren Formen des Irrtums“ bezeichnet (Wissenschaft und Gesundheit, S. 559). Kann nicht die Herrschaft, die wir durch das Ersteigen der Berge erlangen, zur Herrschaft über das Meer führen, da ja die Berge mit einem verdichteten Meer und seinen Wellen verglichen werden können? Die wellenförmigen Erhebungen des Landes haben oft dieselbe Gestaltung wie die des Meeres. Höhenzüge sehen wie große Ozeanwellen aus, und ein Berg gleicht oft einer Welle, ehe sie bricht. Vielleicht war für Jesus, der stets die geistige Idee anstatt der materiellen Fälschung vor Augen hatte, die See nicht gefahrdrohender, nicht weniger inspirierend als die Berge. Die Höhen der letzteren erklimmen wir, ohne uns zu fürchten, und in dem Maße, wie das Gesetz der Schwere oder die Anziehungskraft der Erde und der irdischen Dinge an Einfluß verliert, verliert das Meer an Schrecken, denn der vergeistigte Gedanke weiß dann, wie er sich über demselben halten kann.

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