Als ich im Jahre 1910 an den Niagara Fällen durch die „Höhle der Winde“ ging, zog ich mir eine leichte Verletzung am linken Auge zu. Meine Sehkraft war zeitlebens normal gewesen, und da das Auge ungefähr zwei Wochen nach dem Unfall wieder ganz in Ordnung zu sein schien, dachte ich nicht weiter über den Vorfall nach. Ungefähr ein Jahr später trat ich als Stenographistin in die Geschäftswelt ein und bemerkte zum erstenmal eine leichte Schwäche in dem Auge. Ich kehrte mich zuerst nicht daran, aber die Schwäche schien allmählich zuzunehmen und machte sich binnen einem Jahr deutlich bemerkbar. Gleichzeitig fing das Augenlid an zu jucken, und ich war sehr beunruhigt, da ich fürchtete, daß etwas unter dem Augenlide sei, was die ganze Störung verursachte. Daher ging ich zu einem Augenspezialisten, welcher dann erklärte, die Regenbogenhaut sei entzündet und es sei ärztliche Behandlung nötig. Statt dessen ging ich zu einem christlich-wissenschaftlichen Praktiker, tat aber selbst keine wissenschaftliche Arbeit und las nur das in unseren Zeitschriften, was man mir zu lesen auftrug.
Das Auge wurde allmählich schlimmer, und im Jahre 1913 konnte ich beim Lesen nichts mehr auf demselben sehen, außer wenn die Schrift besonders groß war. Ich hatte fortwährend Schmerzen und mußte mir schließlich Augengläser verschaffen, denn ich konnte meine Arbeit unter keinen Umständen aufgeben. Nach gründlicher Untersuchung erfuhr ich, daß der blinde Punkt durch eine vor Jahren erfolgte Verletzung verursacht worden sein mußte. Der Augenarzt sagte, der Punkt würde nicht wieder verschwinden und das Jucken werde von kernartigen Wärzchen an den Augenlidern verursacht. Ungefähr ein Jahr lang trug ich Augengläser und erhielt während der ganzen Zeit fast beständige Behandlung von dem Praktiker; aber anstatt bei der Heilungsarbeit zu helfen, tröstete ich mich damit, daß ich ja noch das andere Auge hätte, falls ich auf dem einen blind würde. Ich ließ mir von demselben Arzt noch schärfere Augengläser verschreiben, aber gegen Ende des Jahres 1914 war sozusagen alle Sehkraft verschwunden, und ich konnte nichts mehr außer Licht und Dunkelheit unterscheiden. Zu Anfang des Jahres 1915 merkte ich, daß sich die Krankheit auch auf das rechte Auge übertragen hatte.
Ich wurde vor Furcht beinahe wahnsinnig und versuchte die verlorene Zeit durch das Studium der Wissenschaft wieder einzuholen; aber das Lesen verursachte mir solche Schmerzen, daß ich nach meiner Tagesarbeit krank war und infolge der Schmerzen viele Tage zu Hause bleiben mußte. Die Sehkraft in dem rechten Auge schwand so schnell, daß ich die Hoffnung auf Heilung aufgab, alle Freude am Leben verlor und nahe daran war, eine völlige Nervenzerrüttung zu erleben und dem Wahnsinn zu verfallen. Im März des Jahres 1916 sagte einer der besten Augenspezialisten der Stadt, das linke Auge könne nicht mehr gerettet werden, aber er hoffe, das rechte durch besonders scharfe Gläser wiederherstellen zu können. Ich hatte seine Augengläser drei Tage lang getragen, als ich zusammenbrach.
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