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Das vom Berg geschaute Vorbild

Aus der Juli 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Mit einer Geduld, die seiner großen Liebe zur Arbeit entspringt, schnitzt der Schweizer Holzschnitzler aus einem Stück trockenem Hartholz die nahezu vollkommene Nachbildung irgendeines volkstümlichen Helden oder Gegenstandes — vielleicht seinen geliebten Wilhelm Tell in der Gestalt eines kräftigen Älplers, eine anmutige Gemse, einen edlen Bernhardinerhund, oder einen Strauß seiner Nationalblume, des Edelweiß, von den schneebedeckten Höhen seiner heimatlichen Berge. Was es auch sei, seine ersten kräftigen Schnitte trennen große Spähne los, und das Holzstück nimmt rasch die Gestalt des Vorbildes an. In dem Verhältnis jedoch, wie die Arbeit fortschreitet und er zu den feineren Einzelheiten kommt, geht es langsamer vorwärts, die Schnitte werden immer leichter, die Werkzeuge immer feiner, bis er zuletzt wohl ganze Stunden auf Einzelheiten verwendet, die so fein sind, daß der oberflächliche Beobachter sie gar nicht bemerkt, die aber sehr notwendig sind, soll das Schnitzwerk das genaue Ebenbild des Modells sein. Das Resultat der Bemühungen des Künstlers und der Grad seines Erfolges hängen von der Wahl eines richtigen Vorbildes ab, sodann von seiner Fähigkeit, dieses Vorbild wahrheitsgetreu nachzubilden, und endlich von der Liebe und Geduld, mit der er seine Aufgabe ausführt. Der wahre Künstler sieht im Geiste das genaue Bild seines Gegenstandes, und seine Arbeit besteht darin, dieses Bild wiederzugeben, indem er alles, was nicht dazu gehört, Stück für Stück von dem Holzblock entfernt, bis das vollkommene Ebenbild fertig dasteht.

Jedes menschliche Wesen ist ein Künstler, der daran arbeitet, irgendein Vorbild, ob würdig oder unwürdig, hoch oder niedrig, gut oder schlecht, das er in seinem Bewußtsein hegt, wiederzugeben. Und wie beim Holzschnitzler hängt sein Erfolg von der Wahl seines richtigen Vorbildes und von der wahrheitsgetreuen Wiedergabe aller Einzelheiten ab. Mrs. Eddy sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 248): „Wir müssen vollkommene Vorbilder im Gedanken formen und beständig auf sie hinschauen, sonst werden wir sie niemals zu einem großen und edlen Leben ausgestalten.“

Der Christliche Wissenschafter wählt zu seinem Modell das auf dem Berge gezeigte Bild, die Christus-Idee, die Moses erblickte, und die in ihrer Vollständigkeit in den Lehren und Werken des größten aller Künstler, des hervorragendsten aller Arbeiter, des geduldigen und demütigen Nazareners zum Ausdruck kam und demonstriert wurde. Mit diesem vollkommenen Vorbild vor Augen, beginnt der gewissenhafte Arbeiter mit dessen Wiedergabe, indem er alles aus seinem Bewußtsein entfernt, was das Christus-Bild falsch darstellt. Ist er fleißig und verrichtet er seine Arbeit mit Geduld und Demut, so macht er rasche Fortschritte, die sich in geläutertem Denken und in Selbstlosigkeit bekunden und in guten Taten und liebevoller Dienstleistung zum Ausdruck kommen. Die gröberen materiellen Annahmen, wie schlechte Gewohnheiten, Begierden und Leidenschaften, fallen zuerst unter den scharfen Schnitten der Wahrheit. Und in dem Grade, wie man dem Christus-Bilde näher kommt, verschwinden Unehrlichkeit, Neid, Haß, Arglist samt allen ihren bösen Genossen, und an ihre Stelle treten Mäßigkeit, Ehrlichkeit, Liebe, Demut, Glaube und Hoffnung.

Im Laufe unseres Fortschrittes mag es notwendig werden, den Einzelheiten mehr liebevolle Aufmerksamkeit zu schenken, um die mehr versteckten Phasen des Irrtums, die sich so gerne in den dunkeln Kammern des sterblichen Denkens verbergen, bloßlegen und vernichten zu können. Oft muß man die größte Demut und Hingabe beweisen, sich beständig an das vollkommene Vorbild wenden, um Stolz, Selbstsucht, Eigenwillen und Eigenliebe dahin zu schaffen, wohin sie gehören, nämlich auf den Schutthaufen nutzlosen Materials, der die Anstrengungen eines jeden wahrhaft guten Arbeiters kund tut. „Gebot auf Gebot; Verbot auf Verbot; ... da ein wenig und dort ein wenig“ (Zürcher Bibel),— diese Worte bezeichnen die Art des Fortschritts in dieser Umwandlung des menschlichen Bewußtseins. Der Arbeiter wird stets von Jesu beispiellosem und unvergleichlichem Erfolg ermutigt und inspiriert. Sein Lohn wird nicht „auf morgen“ verschoben. Tag für Tag empfängt er ihn, nicht in der Gestalt von Lob und Beifall der Menge, nicht in der Gestalt von weltlichen Ehren und materiellem Gewinn, die bloß auf Fleischeslust und hoffärtigem Wesen beruhen, sondern sein Lohn besteht in der Gemütsruhe, dem Frieden und dem Vertrauen, die uns stets auf dem Pfade aufwärts nach dem Ziel richtigen Verlangens begleiten.

In diesem Fall ist der Lohn stets genau im Verhältnis zu der Arbeit. Er ist nie mehr und nie weniger als gerechte und angemessene Vergütung; denn für jeden falschen Begriff, der beseitigt worden ist, offenbart sich eine wahre Idee, ein Teil der Wirklichkeit. Ferner ist dieser Lohn individuell. Man kann die geistigen Schätze eines Mitarbeiters nicht konfiszieren; man kann nicht aus dem Lohn eines anderen Nutzen ziehen, es sei denn, man folgt einem würdigen Beispiel. Jeder muß sein eigenes Vorbild schaffen, muß seine eigene Arbeit tun, muß für sich selber das Christus-Bild zum Ausdruck bringen, nach dem auf dem Berge gezeigten Bild, „bis daß wir alle. .. ein vollkommner werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi.“

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