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Martha, die Dienende

Aus der Juli 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es ist gewiß auffallend, wie viel Aufmerksamkeit und Tadel der Vorfall im Hause zu Bethanien, wie er im zehnten Kapitel des Lukas-Evangeliums aufgezeichnet ist, von jeher erhalten hat. In unseren Tagen hat diese Kritik wohl ihren Höhepunkt erreicht. Wie oft hat man sich doch über diese Szene gestritten, wie manche Martha ist getadelt, wie manche Maria gelobt worden. Und doch lesen wir im Evangelium des Johannes: „Jesus aber hatte Martha lieb.“ Das Bild ist so einfach, so natürlich: der verehrte Gast, Martha, die geschäftige Hausfrau, und Maria, die nachdenkliche Schwester. Wie entstand nun aber das Gefühl des Ärgers, welches Martha zu der Forderung veranlaßte, die dem Evangelisten Lukas zufolge mit den Worten beginnt: „Herr, fragest du nicht darnach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen?“

Es gibt hunderte von Martha, die den Grund der Aufregung dieser Martha sehr gut verstehen. Der Schüler der Christlichen Wissenschaft sieht, daß sie unter die Mörder gefallen war, daß sie sich dem Angriff räubischer Gedanken ausgesetzt hatte, welche den Pfad einer jeden Hausfrau, die zu sehr auf das Materielle achtet, unsicher machen. Es ist das Streben, zu befriedigen, die Sorge, daß das Rechte herbeigeschafft werde, die Aufregung und Ungeduld, der Ärger über jede Kleinigkeit. Niemand wird bezweifeln, daß auch Martha das Verlangen hatte, zu Jesu Füßen zu sitzen. Vielleicht war es gerade das, was ihr das Dienen so lästig machte und sie zu einer Bemerkung veranlaßte, die wie ein Ausdruck der Eifersucht klingt. Wenn Martha den Worten des Herrn gegenüber gleichgültig gewesen wäre, so hätte ihr Dienst sie ganz in Anspruch genommen, und sie hätte sich über die Gelegenheit gefreut, das Mahl zuzubereiten und dadurch Lob zu ernten. Wäre aber ihr geistiger Standpunkt höher gewesen, so würde sie ihre Arbeit mit weniger Aufsehen getan haben, und sie hätte ihr heiliges Geheimnis besser bewahrt, als sie sah, wie ihre Schwester in die Worte unseres Meisters, des geistigen Hausherrn, vertieft war.

Es ist interessant, Marthas Frage und des Herrn Antwort nochmals zu lesen: „Herr, fragest du nicht darnach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen? Sage ihr doch, daß sie es auch angreife! Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe; eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählet; das soll nicht von ihr genommen werden.“ Marthas scheinbarer Ausdruck der Ungeduld wird sehr gemildert, wenn man seine geistige Bedeutung erkennt. Tatsächlich klingt ihre Frage wie eine Bitte um Aufklärung, und Jesu Antwort enthält durchaus nicht den scharfen Tadel, den so viele andere über die Martha-Seelen aussprechen.

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