Geschichte und Überlieferung berichten von manch interessantem Wechsel in den menschlichen Ansichten über den zukünftigen Daseinszustand. Der Ursprung des Glaubens an ein Reich des Kummers und der Leiden, vor alters Unterwelt oder Scheol genannt, liegt zu weit in der Vergangenheit, um genau bestimmt werden zu können. Aber so viel ist klar, daß dieser Glaube das Denken der Urvölker beherrschte. Sie glaubten, daß alle Menschen nach dem Tode in dieses Reich der Verzweiflung kämen und daselbst, je nachdem sie auf Erden gefehlt hatten, Strafe erleiden würden. Keine Hoffnung auf Erlösung wurde geboten.
Allerdings fand auch der Himmel Raum in ihrem Denken, aber er war ausschließlich der Aufenthaltsort ihrer Götter; kein Wesen mit menschlichen Schwächen konnte ihn erreichen. Mit der Zeit schritt jedoch das Denken zu dem Glauben vor, daß es möglich sei, nach dem Tode eine Läuterung zu erfahren, die zum Eingang in das Reich der Götter berechtigte, und später entstand die Lehre, daß man durch hervorragenden Dienst oder durch Heldenmut von der sterblichen Daseinsstufe direkt in das Reich der Seligkeit eingehen könne. Solche direkte Übergänge wurden jedoch für äußerst selten gehalten, ja man glaubte, sie seien nur denen möglich, die in den damals geltenden Tugenden so hoch standen, daß sie den Göttern gleich waren, mit denen sie Umgang pflegen durften.
Der Glaube, daß der Scheol oder die Hölle, wie er später genannt wurde, eine unter der Erdoberfläche, und der Himmel eine über der Erdoberfläche gelegene Örtlichkeit sei, ist teilweise auf die damals herrschende Anschauung von der Erde als einer flachen Scheibe zurückzuführen. Das Licht kam scheinbar von oben; daher mußte ein Ort des Lichts und der Schönheit sich oben befinden. Und es lag nahe, daß man die Hölle in die Finsternis und das Dunkel unter der Erdoberfläche verlegte. Ferner war der Wolkenhimmel in den Augen der Urvölker ein festes Gewölbe, an dem die Sterne befestigt waren, und dieses Gewölbe trennte das von menschlichen Wesen bewohnte irdische Reich von dem Reich des Himmels, in dem die Götter wohnten. Wie töricht uns auch heute solche Auffassungen vorkommen mögen, so hielt man doch damals ebenso allgemein und ebenso zähe an ihnen fest, wie man heute an den mehr modernen Auffassungen von Himmel und Hölle festhält.
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