Christus Jesus erhob das Sehen und Hören ins Geistige, als er zu seinen Jüngern sagte (Matth. 13:16, 17): „Selig sind eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören. Wahrlich ich sage euch, viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr seht, und haben's nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben's nicht gehört.“ Der große Wegweiser hatte die geistigen Fähigkeiten derer, die er lehrte, erweckt durch sein Wissen um die Tatsache, daß der Mensch das vollkommene Gleichnis Gottes ist und seine Kräfte von seinem sich nie wandelnden göttlichen Vater empfängt.
Auch menschlich gesprochen beruhen Gehör und Gesicht auf mentaler Energie. Die Wirkungskraft und das Wahrnehmungsvermögen dieser Sinne wird vom Gemüt hergeleitet, nicht von der Materie. Das sterbliche Gemüt, nicht die Materie, hört und sieht materiell, und das sterbliche Gemüt zerstört sich selbst; es verbraucht sich und mit ihm verbrauchen sich seine Fähigkeiten. Die Menschheit kann sich aus dieser Selbstzerstörung des fleischlichen Gemüts nur dadurch retten, daß sie dieses Gemüt als einen Betrüger zurückweist und das eine göttliche Gemüt als das einzige Gemüt verwirklicht. Das göttliche Gemüt besteht ewiglich durch sich selbst und erhält sich selbst, und seine Fähigkeiten, die der Mensch verkörpert, werden ewiglich im Zustand der Vollkommenheit erhalten.
Schlechtes Hören und Sehen haben oft andere Ursachen als die abnehmender Kräfte; doch es ist gut, die Tatsache zu bedenken, daß die geistige Kraft unter allen Bedingungen unvermindert ist. Die Christliche Wissenschaft erneuert die Kräfte, die das menschliche Hören und Sehen bilden, indem sie uns den geistigen Menschen, das vollkommene Gleichnis Gottes, klar erkennen läßt, den Menschen, der die Fähigkeiten des Gemütes in ihrer vollen Lebenskraft und andauernden Stärke verkörpert. Mary Baker Eddy sagt in „Vermischte Schriften“ (S. 330): „Mit jedem wiederkehrenden Jahr sollten höhere Freuden, heiligere Ziele, ein reinerer Friede und göttlichere Kraft den Duft des Seins erneuern.“
Oft haben diejenigen, die an Gehör- und Sehstörungen leiden, das Gefühl, als ob ihre Hör- und Sehkraft ermüdet sei. Sie zeigen ein Abnehmen ihrer Lebenskraft — sie glauben sich außerstande, die Kraft zu tätigen, die zum klaren Hören und Sehen nötig ist. Aber die Wissenschaft zeigt, daß selbst die menschliche Stärke nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist; sie ist ein mentaler Zustand. Gott verleiht dem Gedanken Kraft und Lebendigkeit; und das empfängliche menschliche Bewußtsein, das den Einfluß von der Gegenwart des göttlichen Gemüts fühlt, ist neu belebt und erfrischt.
Paulus verstand die Notwendigkeit, diese Energie zu beleben, als einen Schritt, der herausführt aus der gesamten sterblichen Lebensauffassung. Er sagte (Röm. 8:11): „So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnet, so wird auch derselbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, daß sein Geist in euch wohnet.“ Um den vollen Nutzen zu ziehen aus dieser Erneuerung, die Paulus verhieß, muß man erkennen, daß der Mensch keinen andern Ursprung als Gott hat und daß durch den wahren Menschen die Fähigkeiten des göttlichen Gemütes kundgetan werden; daher die Stärke und Unzerstörbarkeit der geistigen Sinne des Menschen. Wahres Hören und Sehen· sind geistige Fähigkeiten, die zur Identität eines jeden Menschen gehören. Diese Fähigkeiten umfassen alle Wirklichkeit, erkennen alle Wahrheit, hören Gottes Stimme, erschauen Sein Reich, bringen Seinen Willen zum Ausdruck.
Die einzige Art, die Wahrheit von den Fähigkeiten des Menschen zu beweisen, ist, jene Fähigkeiten auszuüben. Mrs. Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 487): „Es liegt mehr Christentum in geistigem als in materiellem Sehen und Hören. Es liegt mehr Wissenschaft in dem beständigen Gebrauch der Gemüts-Fähigkeiten als in deren Verlust. Solange Gemüt besteht, können sie nicht verloren gehen. Das Erfassen dieser Tatsache verlieh vor Jahrhunderten den Blinden das Gesicht, den Tauben das Gehör, und es wird das Wunder wiederholen.“ Wenn man erkennt, daß Gemüt immerdar seine Fähigkeiten anwendet, die im Menschen individualisiert sind, dann findet man, daß der menschliche Gesichts- und Gehörsinn spontan seine Macht bekundet, kraftvoll und klar zu bleiben. Das göttliche Gemüt allein verleiht dem wahren Hören und Sehen seine Kraft und seinen Bestand; wenn wir diese Tatsache verstehen, dann wird das vollkommene Wahrnehmungsvermögen in unserm Leben zur Norm.
Wir lernen in der Wissenschaft, daß Gott beständig spricht, aber das Getöse des menschlichen Willens und der lauten egoistischen Ansprüche hindern uns oft, Seine Stimme zu hören. Die gleichen Fehler hindern uns zu sehen, was in der göttlichen Wirklichkeit existiert. Wenn die geistige Kraft das sterbliche Selbst zum Schweigen bringt, tritt eine Besserung im Hören und Sehen ein. Moralische Blindheit, durch die die Menschen gewohnheitsmäßig an falschen Vorstellungen von andern festhalten, und die sie von dem Streben abhält, den Menschen so zu sehen, wie er in Wahrheit ist, und auf die Stimme des Christus zu lauschen — all das drückt sich oft als geschwächte Hör- und Sehkraft aus. Dagegen wird sich das ehrliche Bemühen, die Gemüts-Fähigkeiten auszuüben und das zu hören und zu sehen, was Gott für uns bereitet hat, als Heilung der geschwächten Fähigkeiten auswirken.
Der Meister gebrauchte die Gemüts-Fähigkeiten, wendete die geistigen Energien an, als er bei so vielen Gehör und Gesicht wiederherstellte. Die christliche Berührung regte die verlorene Lebenskraft wieder an und erneuerte sie, und der menschliche Gedanke ging auf den göttlichen ein. Durch die Wissenschaft können wir Christlichkeit zum Ausdruck bringen, welche die göttliche Kraft verwirklicht. In „Vermischte Schriften“ (S. 96) stellt Mrs. Eddy die Frage, wie die Heilung in der Christlichen Wissenschaft zustande kommt, und antwortet: „Es ist der Christus, der da kommt, die Macht des Fleisches zu zerstören. Es ist die Wahrheit, die den Irrtum überwindet; das Verständnis hiervon verleiht dem Menschen die Fähigkeit, sich über den Augenschein der Sinne zu erheben, die ewigen Kräfte der Wahrheit zu nutzen und sterblichen Mißklang mit unsterblicher Harmonie — der großen Wirklichkeit des Seins — zu zerstören.“