Der Wettbewerb spielt im Geschäftsleben, auf einigen Gebieten der Forschung, bei den Künsten und bei akademischen Studien keine geringe Rolle. Durch ehrlichen Wettstreit werden minderwertige Produkte und schlechte Dienstleistungen oft ausgeschaltet. Vervollkommnung der Leistung ist von Nutzen für die gesamte Menschheit. Doch artet Wettbewerb häufig in Hader oder Rivalität aus und hat Eifersucht, Habgier, Selbstherrlichkeit oder auch Entmutigung zur Folge.
Streit und Rivalität gedeihen überall da, wo man glaubt, das Gute sei begrenzt. Nur wenn die Menschheit die Annahme von Begrenzung durchbricht, werden Hader und rücksichtsloser Konkurrenzkampf überwunden.
Der Christliche Wissenschafter überwindet Begrenzung, wenn er seinem Begriff vom Menschen als einem Sterblichen gegen den Begriff vom Menschen als einem Unsterblichen austauscht. Mary Baker Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 288): „Die Wissenschaft enthüllt die herrlichen Möglichkeiten des unsterblichen Menschen, der von den sterblichen Sinnen immer und ewig unbegrenzt bleibt.“ Dieser Zustand der Unsterblichkeit ist kennzeichnend für unsere wahre Selbstheit als Gottes geistige Widerspiegelung.
Wenn wir glauben, daß wir Sterbliche sind und die Quelle und Menge des Guten, das wir erhalten werden, vorausbestimmen, legen wir uns Begrenzungen auf. Wir meinen, daß wir durch einen Preisbewerbung unseren Lohn zu erhalten haben, und streiten sodann mit einem anderen Sterblichen um die Erlangung des begehrten Ziels. Das unendliche Gemüt hat jedoch allezeit unendliche Mittel zu unserer Belohnung bereit. Wir brauchen uns nur im Gebet an Gott zu wenden und auf Seine Führung zu lauschen.
Was ist denn eine Dienstleistung, ein Talent oder ein Erzeugnis anderes als der Ausdruck von göttlichen Eigenschaften wie Intelligenz, Schönheit, Sorgfalt? Die Sterblichen mögen bemüht sein, sich gegenseitig zu verdrängen; Ideen jedoch sind geistig, harmonisch, und werden niemals von andern Ideen verdrängt. Jede Idee hat den ihr von Gott bestimmten Platz inne. Nur das menschliche Planen schlägt fehl.
Als die Hirten Abrams und Lots stritten, weil das Land sie nicht alle ernähren konnte, wandte Abram sein Denken von den Zuständen der Beengung ab. Er blickte auf die unermeßlich weiten Ebenen, die sich jenseits ihres Landes erstreckten, und sagte zu Lot (1. Mose 13:8, 9): „Laß doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Gebrüder. Steht dir nicht alles Land offen? Scheide dich doch von mir. Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten; oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.“
Lot, dessen Begriff materiell und somit begrenzt war, wählte für sich die fruchtbareren Ebenen am Jordan. Anstatt jedoch dabei ein schlechteres Geschäft zu machen, besaß letzten Endes Abraham größere Ländereien, als er je hätte voraussehen können; denn sein größtes Anliegen war, Gott zu gehorchen und Ihm zu vertrauen.
Auch wir überwinden das sterbliche Gefühl der Begrenzung, wenn wir Gott gehorchen und vertrauen, anstatt mit Menschen in Widerstreit zu geraten. Wenn wir unsere Leistungen mit denen anderer Sterblichen vergleichen, legen wir unvollkommene Maßstäbe an. Vollkommenheit ist Gottes Norm, und wahrer Erfolg ist ein unausgesetztes Entfalten der Eigenschaften Gottes. Bleibende vollkommene Leistung tritt zutage, wenn wir bestrebt sind, die Schönheit der Liebe, den Scharfsinn des Gemüts, die Genauigkeit der Wahrheit und die Ordnung des Prinzips zum Ausdruck zu bringen.
Die Verfasserin hatte viele Jahre hindurch ein auf Wettbewerb ausgerichtetes Wirken als entmutigend empfunden. Nachdem sie einem Rednerklub beigetreten war, dessen Mitglieder miteinander wetteiferten, wurde sie eines Tages geradezu überwältigt von einem Gefühl, nicht so gut sprechen zu können wie andere. Anstatt im Sprechen vor der Öffentlichkeit freier zu werden, wurde sie immer schwerfälliger, bis es ihr richtig erschien, aus dem Klub auszutreten. Damit war aber die Schwierigkeit, die sie beim Sprechen hatte, nicht behoben und hing ihr an, bis sie ihren Begriff über sich selbst änderte.
Sie mußte einsehen lernen, daß sie durch sterbliches Vergleichen und kritisches Beurteilen weder niedergedrückt noch erhoben werden konnte. Sie mußte außerdem erkennen, daß Gottes Fähigkeit einem jeden zur Verfügung steht. Die Worte gingen ihr leichter von den Lippen, als sie anfing, die geistige Tatsache zu sehen und anzuerkennen, daß der einzige Zweck beim Sprechen — wie bei allen anderen Tätigkeiten auch — der ist, mit anderen Menschen Ideen zu teilen, nicht aber andere zu übertreffen. Sie wurde sich klar darüber, daß Rivalität weder ein Anreiz noch ein Hindernis für gute Leistungen ist. Sie entdeckte dann, daß sie nicht nur ohne Furcht vor Vergleichen zu sprechen vermochte, sondern daß sie auch ohne zu kritisieren zuhören konnte.
Eines Tages stritten sich Jesu Jünger darum, wer der Größte unter ihnen sei. Jesus sagte zu ihnen (Luk. 22:26): „Der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener.“
Mrs. Eddy sagt in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1902 (S. 4): „Konkurrenz im Handel, Ränkespiel bei Beratungen, Unredlichkeit unter Nationen, Unehrlichkeit bei Treuhandverwaltungen beginnen mit der Frage: ,Wer soll der Größte sein?' Ideen vervielfachen sich, wenn man sie mit andern teilt. Der Mensch ist kein Schöpfer, sondern ein Empfänger von Ideen. Wir verlieren die Neigung, Inspiration und Talente aufzuspeichern, wenn wir verstehen, daß sie von Gott kommen.
Wenn sich unser Denken vergeistigt, so steigern sich unsre Fähigkeiten. Es ist notwendig für die Menschheit, daß Gottes Eigenschaften in allen Tätigkeitsfeldern stärker zum Ausdruck gebracht werden. Nur die Mittelmäßigkeit ist überfüllt. Selbstlosigkeit, Liebe, Fleiß und vollkommene Leistung finden immer den Platz, an dem sie von Nutzen sind.
Wenn wir sterbliches Streiten aufgeben, um zum Besten der Menschheit zu arbeiten, dann fällt der Eingendünkel ab, und wir erlangen Demut, indem wir all unser Streben Gott weihen. Die Neigung zu klatschen verliert sich ebenfalls, denn Klatsch über andrer Leute Schwächen ist nur eine andre Form von Rivalität und schadet dem, der ihn anhört, ebenso wie dem, der ihn ausspricht. Wir täuschen uns, wenn wir glauben, daß durch das Aufbauschen der gedanklichen, sittlichen oder körperlichen Unzulänglichkeiten andrer Leute unsre eigenen Schwächen geringer erscheinen.
Wenn wir dem Klatsch frönen, so entstellen wir unsern Begriff vom Menschen und ziehen uns selbst unangenehme Dinge zu. Wenn wir uns von der sterblichen Unvollkommenheit abwenden, dann verschwindet die selbstgerechte Freude am Klatsch, und im gleichen Maße wird der vollkommene Mensch besser für uns erkennbar.
Mit dem wahren Begriff vom Menschen als unsterblich und unbegrenzt können wir uns neidlos einer richtigen Auffassung von menschlichen Beziehungen erfreuen, welche die anhaltende Entfaltung und Demonstration des Guten zum Segen aller Menschen in sich schließt.
Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, auf daß ihr seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt. — Philipper 2:14, 15.
