Das allgemeine menschliche Denken betrachtet den Frieden gewöhnlich nur als die Abwesenheit von Krieg und das Gesetz entweder als eine Verhaltungsregel in der menschlichen Gesellschaft oder, in der Physik, als das theoretische Prinzip, das uns befähigt, das Verhalten der Materie vorauszusagen. Wenn auch der Frieden in einem weiteren Sinne ebenfalls einen Zustand der Ruhe bedeutet, der frei von Streitigkeiten, Zwietracht oder Sorge ist, so gründet sich selbst dieser weniger begrenzte Begriff von Frieden auf den irrigen Glauben an viele Gemüter. Dieser Begriff bezeichnet lediglich die vorübergehende Unterbrechung der Streitsucht, die diesen Gemütern eigen ist, und die hervorgerufen wird durch die unter ihnen bestehenden großen Unterschiede.
Durch die sich ändernden menschlichen Begriffe vom Guten ist das Gesetz, soweit es das menschliche Betragen betrifft, dem Wechsel unterworfen. Auf die Materie angewandt, ist es allein von materiellen Beobachtungen hergeleitet und auf die Existenz der Materie gegründet. So gehören Frieden und Gesetz in der menschlichen, materiellen Vorstellung von Substanz, Leben und dem Guten scheinbar in verschiedene Bereiche und haben wenig Beziehung zueinander.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß diese menschlichen Begriffe von Frieden und Gesetz falsch sind; denn in ihrer wahren Bedeutung beruhen Frieden und Gesetz auf einer rein geistigen Basis und sind in ihrer Tätigkeit und Wirkung miteinander verbunden. Dieser Wissenschaft gemäß ist Frieden der unwandelbare Zustand Gottes, des einen unendlichen Gemüts — ein Zustand, der von Seiner unendlichen Kundwerdung ausgedrückt wird und dessen sie sich erfreut. Das geistige Universum und der geistige Mensch drücken ohne Unterbrechung oder Abwandlung das Wesen des Schöpfers aus — spiegeln es wider. Und wahres Gesetz, so lehrt die Christliche Wissenschaft, ist der unbehinderte Wille oder Plan des göttlichen Prinzips oder der göttlichen Wahrheit, die in einer zeitlosen Art und Weise den Frieden und die Ordnung von Gottes Universum sicherstellt.
Das ist das Gesetz, welches das Verhalten der Idee Gottes, des Menschen, in intelligenter, liebevoller, erfolgreicher Tätigkeit — in dem Frieden des unendlichen Guten — vorherbestimmt. Das ist das Gesetz, das die liebevolle Beziehung aufrechterhält, die die Kinder Gottes untereinander und alle mit Gott verbindet. Die ewige Harmonie und Ordnung von Gottes Universum zeugt für das Walten des all-intelligenten Gesetzes der göttlichen Liebe.
Dieses Gesetz ist immer wirksam und schließt die mögliche Existenz irgendeines Elementes der Reibung, der Feindschaft und des Krieges, wie Ungerechtigkeit, Beraubung, Haß, Furcht und Habgier aus. So beweist die Christliche Wissenschaft, daß die göttliche Liebe und der Frieden als Ursache und Wirkung unbedingt voneinander abhängig sind.
Der Friede auf Erden ist keine Gabe, die uns unverdient zufällt; er muß errungen werden. Friede auf Erden beginnt im eigenen Bewußtsein und in der eigenen Familie. Er ist keine Angelegenheit des Zufalls sondern des Gesetzes, und zwar des göttlichen Gesetzes. Wenn dieses Gesetz verstanden wird und der Mensch ihm gehorcht, es individuell Tag für Tag zum Ausdruch bringt, dann begründet dies den Frieden in ihm selbst und harmonische Beziehungen zu seiner Umwelt.
Der menschliche Ausdruck des geistigen Friedens ist daher kein Waffenstillstand. Er ist auch nicht gleichbedeutend mit der Untätigkeit einer mentalen oder intellektuellen Depression. Er wird erlangt durch die klare Erkenntnis der Christus-Wahrheit — durch die gewissenhafte, rege Anwendung ihrer Lehren im täglichen Leben sowie dadurch, daß wir uns an die Richtlinien halten, die diese für das menschliche Verhalten geben. Wir können unseren geistigen Frieden unter allen Bedingungen aufrechterhalten — inmitten allgemeiner Erregung, ja inmitten von Kriegshandlungen.
Es mag sein, daß wir innere Kämpfe zu bestehen haben, um dies zu beweisen, aber es brauchen keine physischen oder intellektuellen Kämpfe zu sein. Unsere Kämpfe hören auf, wenn wir uns der Macht des Geistes, dem göttlichen Einfluß des Christus, anvertrauen und so die Einflüsterungen von Haß, Selbstsucht, Habgier und Vorurteil, sowie ihren untrennbaren Begleiter, die Furcht, von ihm überwinden lassen. Das sich daraus entfaltende Bewußtsein der Herrschaft über das Böse ist das eigentliche Wesen der Furchtlosigkeit und tiefen Freude eines wahrhaft friedvollen Lebens. Dieses Leben bekundet auch wahre Freiheit und wahre Gesundheit. Es gibt keinen Frieden ohne Freiheit und keine Freiheit ohne Wahrheit. In der göttlichen Wissenschaft sind Gesetz, Frieden, Wahrheit, Freiheit und Gesundheit untrennbar voneinander, ebenso wie sie in ihren menschlichen Kundwerdungen untrennbar sind.
Um diesen Frieden zu schützen und dazu beizutragen, daß die Völker sich seiner erfreuen können, müssen wir uns das vor Augen halten, was in den folgenden Worten unserer Führerin Mary Baker Eddy angedeutet wird in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 277): „Das Wesen und das Leben der Menschen bestimmen den Frieden, den Wohlstand und die Existenz der Völker.“ Was sich diesem christlichen Bemühen widersetzt, sind die Eingebungen der sogenannten menschlichen Natur mit ihren ererbten Charaktereigenschaften, erworbenen Vorurteilen, Zweifeln, Befürchtungen und anderen Denkgewohnheiten, die uns zu oft in Bahnen treiben, die zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen — niemals zum Frieden!
Dadurch, daß wir uns konsequent an die wissenschaftliche Auffassung vom Menschen als Gottes Bild halten, bewahren wir unseren Frieden und können alles erkennen, was für unseren Schutz zu wissen nötig sein mag. Wenn wir das Gesetz Gottes verstehen und seine unumschränkte Macht, ohne Ansehen der Person zum Wohle aller zu wirken, und dieses Gesetz getreulich anerkennen, so heißt das, den Frieden Gottes in unseren Herzen bewahren. So können wir Erregung, Zorn, Entzündung, Reibungen und Verfallserscheinungen und deren mögliche körperliche Bekundungen verhindern.
Um Krankheit zu heilen, ist es notwendig, an der Fortdauer und Unverletzbarkeit von Gottes Frieden als einem unveränderlichen Zustand für den Menschen festzuhalten. Wenn wir ein Gefühl der Beleidigung oder des Verletztseins mit uns herumtragen, ein Gefühl, daß wir unrecht behandelt oder des Guten beraubt wurden, dann heißt das in gewissem Sinne, die Verheerungen des Krieges in unser Denken einzulassen. Dies in der tatsächlichen geistigen Gegenwart von Gottes Frieden zu tun, der doch nur darauf wartet, von uns anerkannt zu werden, ist die größte aller Torheiten. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, wie wir uns und andere von diesen chronischen Einflüsterungen heilen können.
Wenn wir im Hinblick auf unsere persönlichen Beziehungen die Sinne zu uns sprechen lassen: von beabsichtigten Feindseligkeiten, von Streitigkeiten, die durch menschliche Veranlagungen hervorgerufen werden, von aufreibenden Gefühlsströmungen, die doch alle Elemente des Krieges sind, dann sollten wir verständnisvoll erklären — und wenn es sein muß, immer wieder erklären — daß wir im Frieden sind, allein unter der liebevollen Fürsorge und Leitung und unter dem liebevollen Schutz der göttlichen Liebe, und daß der Friede die absolute Tatsache unseres Seins ist, die nicht gestört oder zerstört werden kann.
Zwischen Völkern ebenso wie zwischen Einzelmenschen wird wahrer Frieden herrschen, wenn alle auf derselben geistigen Grundlage stehen. Diese Grundlage ist die Erkenntnis von der zwingenden Gültigkeit des Ersten Gebotes, das Verständnis des einen Gottes, der die ganze Menschheit in der Brüderschaft der Liebe vereint und den sterblichen Antrieb zum Kriege heilt. Dieses Gebot ist die Grundlage der Wissenschaft des Seins, wie sie von der Christlichen Wissenschaft gelehrt wird. Daher demonstriert die Christliche Wissenschaft Frieden.
Der Zusammenhang zwischen dem Frieden und dem Gesetz des Ersten Gebotes wird von unserer Führerin deutlich erklärt, wenn sie schreibt (ebd., S. 279): „Wenn das Erste Gebot im hebräischen Dekalog — Du sollst keine anderen Götter neben mir haben' — befolgt wird, so reicht das aus, um allen Streit zu beenden.“ Jesaja wurde inspiriert, über das Ergebnis eines solchen von Einzelmenschen und von Völkern betätigten Gehorsams zu schreiben (32:17): „Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Gerechtigkeit Nutzen wird ewige Stille und Sicherheit sein.“
