Die uralten Scheunen für den Zehnten, die es in England noch gibt, sind heute kostbare Überreste einer längst vergangenen Zeit. Vor über einem Jahrtausend wurde ein Gesetz erlassen, das eine Steuer vorsah, die für den Unterhalt der Kirchen erhoben werden sollte. Die Gemeindemitglieder, viele von ihnen waren Bauern, wurden aufgefordert, einen Anteil ihres Einkommens — und im Falle der Bauern, ihrer Ernte — für den Unterhalt der örtlichen Kirche und der Geistlichkeit zu zahlen, und so wurden auf dem zur Kirche gehörenden Land große Scheunen errichtet, um den Ertrag, der hereinkam, unterzubringen.
Allmählich, als das Land industrialisiert wurde, wurde der Zehnte mehr in Geld als in Naturalien gezahlt, und die Scheunen wurden nicht mehr benutzt. Die Verantwortung, die Kirche am Ort zu unterstützen, blieb jedoch bestehen, und bis auf den heutigen Tag wird in vielen Gemeinden ein jährlicher Zehntbetrag für die Kirche gefordert — heute auf freiwilliger Basis —, der nach dem Wert des Hausbesitzes der Gemeindemitglieder berechnet wird.
Die Gepflogenheit, zum Nutzen der Kirche einen Zehnten zu erheben, geht über ein Jahrtausend vor Christi Geburt, ja sogar noch auf die Zeit vor Abraham zurück. Sie weist auf die Beziehung des wirklichen, geistigen Menschen zu Gott, seinem Schöpfer und Erhalter, hin — des Menschen, der Gott durch Widerspiegelung verherrlicht, der Ihn als den Ursprung seines Seins und seiner Substanz und Versorgung kennt. Und sie ist symbolisch für die Huldigung, die die Menschheit erwartungsgemäß dem göttlichen Prinzip darbringen sollte, der Kraft, die alles regiert, und für die Dankbarkeit, die die Menschen für die geistigen Gaben empfinden sollten, die ihnen durch das Gesetz der ewigen Liebe zuteil geworden sind.
Der Mensch besitzt nichts von sich selbst, sondern als die Widerspiegelung Gottes, des unendlichen Gemüts, spiegelt er all die Substanz, Intelligenz, Schönheit und Vollkommenheit Gottes wider. Er schuldet alles dem göttlichen Vater, und der Brauch in früher biblischer Zeit, diese Tatsache dadurch anzuerkennen, daß man Gott die ersten und besten Erzeugnisse der jährlichen Ernte wiedergab, wurde als wesentlich für fortdauerndes Wohlergehen betrachtet. „Ehre den Herrn mit deinem Gut und mit den Erstlingen all deines Einkommens“, schrieb der Weise, „so werden deine Scheunen voll werden.“ Spr. 3:9, 10;
Die Lehre daraus ist heute so stichhaltig wie eh und je. Es ist nicht praktisch, diesem alten Brauch der Zehntabgabe buchstäblich Folge zu leisten, indem wir unseren Kirchen ein zeitgemäßes Gegenstück zu den Erstlingen unserer Herden oder den Gaben von „Korn“ und „Öl“, die wir jetzt anbauen, geben. Aber es ist äußerst wichtig zu unserem eigenen Besten und zum Wohl der Welt, Gott als die Quelle unserer Stärke und Substanz zu ehren und unsere Dankbarkeit gegen Ihn für die reichen Segnungen, die Er gewährt, zum Ausdruck zu bringen. Wir sollten auch zeigen, welchen Wert wir der Kirche als einer menschlichen Einrichtung, die der Menschheit das Verständnis Seiner Allmacht bringt, beimessen, indem wir sie freigebig unterstützen und sicherstellen, daß sie der Welt den höchstmöglichen Begriff von unserer Liebe zu Ihm vermittelt.
„Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf daß in meinem Hause Speise sei“, lautet die Forderung der Bibel, „und prüft mich hiermit, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch dann nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle.“ Mal. 3:10; Und diese Ermahnung bekommt eine praktische, zeitgemäße Bedeutung, wenn wir sie im Licht der geistigen Bedeutung vom Zehnten betrachten, wie Mrs. Eddy sie uns im Glossarium des Lehrbuchs der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, darlegt: „Der Zehnte. Beitrag; der zehnte Teil; Huldigung; Dankbarkeit.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 595;
Wie wir heute unseren geistigen Zehnten in Gottes Vorratshaus bringen, muß jeder von uns selbst entscheiden. Das Geben für eine lohnende Sache, einschließlich der Kirche, ist eine rein persönliche Angelegenheit. Man kann keine Regel dafür festlegen, wieviel jeder geben sollte, noch sollte sich jemand durch die Handlung eines anderen beeinflussen lassen. Eine großzügige Gabe des einen mag bei einem anderen nur gering sein und umgekehrt, wie Christus Jesus andeutete, als er die Witwe lobte, die ihre letzten beiden Scherflein — alles, was sie besaß — in den Kirchenkasten legte. „Diese arme Witwe hat mehr als sie alle eingelegt“, versicherte der Meister, „denn diese alle haben aus ihrem Überfluß eingelegt zu den Opfern; sie aber hat von ihrer Armut alles eingelegt, wovon sie lebte.“ Luk. 21:3, 4.
Wir wissen nicht, was diese Frau zu solch einer rückhaltlosen Gabe veranlaßte, aber wir mögen davor zurückschrecken, das äußere Zeichen unserer eigenen Huldigung und Dankbarkeit gegen Gott mit dem ihren zu vergleichen, auch wenn der Betrag unserer finanziellen Gabe viel höher ist.
Legen wir wirklich Zeugnis ab, wie es diese Witwe tat, von unserem Verständnis der Unendlichkeit unserer wahren Substanz als Gottes Widerspiegelung, indem wir all unser Vertrauen auf Ihn setzen, der der alleinige Versorger mit allem ist, was wir brauchen? Sind wir bei der Beteuerung unserer Dankbarkeit für alle Seine Güte aufrichtig? Hält unser Geben im Dienste Gottes mit den sich ändernden Kurswerten unserer Landeswährung Schritt? Wenn nicht, dann betrügen wir nicht nur Gott, sondern wir bringen auch uns selbst um die Steigerung, die wir andernfalls in unserem menschlichen Leben erwarten mögen, um der Herausforderung steigender Kosten begegnen zu können. Denn nur, wenn das, was wir Gott geben, eine Widerspiegelung dessen ist, was Gott uns gibt, erweisen wir uns als würdig, zunehmend an den Segnungen teilzuhaben, die uns aus der Anerkennung Seiner unendlichen Substanz zufließen. Nur dadurch, daß wir unsere Dankbarkeit für das Gute, das Er über uns ausschüttet, beweisen, werden wir bereit, mehr zu empfangen.