Während Eines Aufenthalts in Indien wiesen mich Bewohner der Gegend auf ein berühmtes und häufig beschriebenes Ereignis hin, das sich dort im vorigen Jahrhundert zugetragen hatte. Sir Charles Napier, dessen Denkmal heute in London auf dem Trafalgar Square steht, war siegreich in einer Situation, die viele für verhängnisvoll gehalten hätten. Während eines Ausritts in die dortige Umgebung begegnete er einem wilden Tiger, der zum Angriff auf ihn ansetzte. Er schaute dem Tiger fest in die Augen und wich nicht von der Stelle, bis sich die Bestie in den Dschungel zurückzog. Sir Charles’ Furchtlosigkeit veranschaulicht die Macht gottgegebener Intelligenz, die uns verfügbar ist, um bedrohliche sterbliche Situationen zu überstehen. Siehe Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit, S. 378, und Mary Baker Eddy Mentioned Them (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1961), S. 155.
Die Bibel enthält eine Fülle von Beispielen, die es uns ermöglichen, ein besseres Verständnis von der Macht und Gegenwart der göttlichen Wahrheit zu gewinnen und dadurch über sogenannte unheilvolle Ereignisse zu triumphieren. In einer beliebten Geschichte aus dem Alten Testament wird berichtet, wie Jakob während einer kritischen Zeit in seinem Leben mit sich selber rang. Er war auf dem Weg zu seinem Bruder Esau — dem er früher einmal unrecht getan hatte und mit dem er seitdem in Streit lebte — und wollte sich mit ihm versöhnen. Doch Kundschafter berichteten ihm, daß Esau ihm mit einer offenbar feindlich gesinnten Schar von vierhundert Mann entgegenzog.
Jakob fürchtete um sein Leben. Anstatt jedoch in Panik zu geraten, hielt er sich an etwas, was sich ihm als ein Engel darstellte, den Gott zu seiner Rettung gesandt hatte. Als Esau und seine Schar eintrafen, begrüßten sie Jakob herzlich.
Was bewirkte diesen Wandel? Jakob richtete seine Aufmerksamkeit auf das geistige, nicht das materielle Bild — auf das, was der Engel, Gottes Botschaft der Wahrheit, sagte. Er wandte sich von der Furcht vor dem Verderben und von den herrschenden Anschauungen ab. Das rief die göttliche Macht auf den Plan, die Freiheit brachte. Die Geschichte führt uns vor Augen, daß Gottes Gedanken, Seine Engel, immer gegenwärtig sind, um uns in Zeiten der Not zu helfen. Sie wirken bösen Einflüssen entgegen. Mrs. Eddy erklärt: „Also trat der Erfolg von Jakobs Kampf in Erscheinung. Er hatte den materiellen Irrtum durch das Verständnis vom Geist und von der geistigen Macht besiegt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 309.
Können wir, wie Jakob oder Sir Charles Napier, dem drohenden Bösen entgegentreten und seinen Rückzug erleben? Der Christlichen Wissenschaft zufolge ist das möglich. Wir müssen jedoch die Situation furchtlos durch jenes Fenster der Wirklichkeit betrachten, das die Bibel „Christi Sinn“ nennt, anders gesagt, Christi Gemüt — das Bewußtsein des ewigen Seins, das Jesus so vollkommen veranschaulichte und anderen zugänglich machte.
Jesus wandte mehr als nur gesunden Menschenverstand an. Sein einzigartiges Verständnis und seine beispiellose Beziehung zu Gott befähigten ihn, die Harmonie dort wiederherzustellen, wo scheinbar Disharmonie regierte. Er sagte, daß es diese geistige Wahrnehmung des harmonischen Seins schon vor seiner Zeit gegeben habe — wie sich in Jakobs Erfahrung zeigt. Jesus zitierte häufig die alten Propheten. Heute stellen die Christlichen Wissenschafter die praktische, heilende Macht desselben gottverliehenen Bewußtseins der Wirklichkeit unter Beweis.
Wenn sich der christliche Heiler drohenden gesundheitlichen, finanziellen, sozialen, ökologischen oder emotionellen Problemen gegenübersieht, bemüht er sich, die Situation im Licht des Christusgeistes zu sehen. Er macht sich daran, das Böse durch das von Gebet getragene Verständnis der unmittelbaren, liebevollen Herrschaft des göttlichen Prinzips, Gottes, auszulöschen. Diese geistige Macht wirkt jederzeit und überall, weil Gott, universeller Geist, immer gegenwärtig ist.
Der Heiler tritt in Jesu Fußtapfen, indem er sich der Macht der Güte Gottes bedient, um zu berichtigen, was der Berichtigung bedarf. In der Christlichen Wissenschaft lernen wir einen wichtigen Punkt verstehen, nämlich daß das Böse, ganz gleich, ob es uns offen oder heimlich entgegentritt, keinen wirklichen Schöpfer oder Ursprung hat, weil Gott, der Alles-in-allem, unendliche Liebe ist. Wir brauchen also das Böse nicht zu fürchten.
Dieser außergewöhnliche geistige Gesichtspunkt wird im Leben und in den Werken Christi Jesu, den die Bibel den Sohn Gottes nennt, immer wieder demonstriert. Der wachsame christliche Metaphysiker von heute lernt, wie der Meister die geistige Kraft zu betätigen, wenn er sich gefährlichen Situationen gegenübersieht. Wie er dabei argumentiert und betet, steht ihm völlig offen. Unser himmlischer Vater-Mutter Gott, das göttliche Gemüt, schickt uns eine unendliche Vielfalt von Engelsgedanken, die uns in jenen Augenblicken führen, in denen wir aufgerufen sind, das Böse zu „durchschauen“ und uns von ihm zu befreien.
Um das tun zu können, müssen wir jedoch verstehen, welche gedanklichen Prozesse bei der Wahrnehmung der Realität eine Rolle spielen, denn gerade hier beginnt die Heilung. Ein Ausüber der Christus-Wissenschaft ist bemüht, einen wirksamen Schutz gegen zerstörerische, ansteckende Einflüsse aufzubauen, die den Menschen schaden wollen. Dazu gehört, daß er sein Denken täglich auf das richtet, was Gott tut, und nicht auf das, was Personen oder das allgemeine Denken an Negativem vorhersagen. Der Heiler weiß, daß er an das Böse, das es zu überwinden gilt, gefesselt wird, wenn er es als eine grundlegende, von Gott gutgeheißene Realität anerkennt. Der Christliche Wissenschafter erkennt also, wie wichtig es ist, sich nicht falsch beeinflussen oder täuschen zu lassen.
Ganz gleich, ob das Problem erblicher, medizinischer, psychologischer, theologischer, ökologischer, ökonomischer oder sozialer Natur ist — oder ob einfach wir selber der Feind sind, unsere fälschliche Annahme, daß das Böse fest in uns verwurzelt sein könne —, der Heiler hält an der christlichen Prämisse fest, daß es nichts neben Gott, der göttlichen Liebe, der einzigen Ursache und dem einzigen Schöpfer, gibt. Im Gebet vertraut der christliche Metaphysiker darauf, daß allein Gott und Seine Ideen die Wirklichkeit darstellen — und nichts sonst. Diese grundlegende Tatsache heilt. Die furchterregenden Umstände, denen sich Jakob gegenübersah, gaben der wahren Substanz und der Harmonie Raum, mit der Gott Seine geistige Schöpfung regiert. Dieselben Erkenntnisse können heute unseren Frieden wiederherstellen.
Die erleuchtete, gottverliehene Wahrnehmung der geistigen Wirklichkeit eröffnet reiche Möglichkeiten. Jesus sagte: „Ich und der Vater sind eins.“ Joh 10:30. Das Einssein des Menschen mit Gott ist die wissenschaftliche Tatsache — sozusagen das perfekte „Immunsystem“ —, das die aggressiven Suggestionen des Bösen daran hindert, das Gute in unserem Leben zu begrenzen. Wenn wir mehr im Einklang mit dem göttlichen Gemüt denken und handeln und mehr von unseren wahren, gottverliehenen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen, können wir die Einheit von Gott und Seiner Schöpfung empfinden, denn diese Wahrheit heilt, erhebt und bringt uns voran.
Warum sollten wir an alten Auffassungen, Gefühlen oder Eindrücken von Verderben und Bösem festhalten, wenn wir uns an Gottes Engel halten können? Wir treffen den ganzen Tag über Entscheidungen. Der Segen, der uns zuteil wird, wenn wir bei dem bleiben, was Gott, das göttliche Prinzip, tut — statt unsere Aufmerksamkeit auf den hypnotischen Augenschein des Bösen zu richten —, ist dem christlichen Heiler gut bekannt, der allein durch geistige Mittel menschliche Übel heilt, so wie Jesus es lehrte.
Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, schreibt Mrs. Eddy: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 476. Diese neu-alte Sicht der Wirklichkeit heilt. Erleuchtete Engelsgedanken halfen Jakob, ein höheres Verständnis von sich und seinem Bruder Esau zu gewinnen. Und daraufhin änderte sich das Bild. Anstatt zweier Gegner oder gar Feinde wurde durch göttliche Erkenntnis die tiefere Wirklichkeit des vollkommenen Menschen Gottes sichtbar, der gesetzlich beschützt wird und dem befohlen ist, recht zu handeln. Jakobs tatkräftiges Gebet führte ihn dazu, unter den gegebenen Umständen das Richtige zu tun.
Die Bibel hat poetische und dennoch mächtige Mittel, die oft verschleierten Einflüsse des Bösen aufzudecken. Der Offenbarer bezeichnet das Böse als das „Tier, das gewesen ist und jetzt nicht ist“ Offb 17:11.. Kurz gesagt, eben war es noch da, jetzt ist es verschwunden. Das Böse, das die materiellen Sinne für wahr halten, wird durch das Gemüt Christi zerstört, und ein neues, der Wirklichkeit entsprechends Bild der Harmonie erscheint.
Der Psalmist entlarvt den Anspruch des Bösen, Realität zu sein, indem er es mit einer Zeder vergleicht, die grünt und sich breit macht und „siehe, da war [es] dahin“ Ps 37:35,36.. Wenn wir den Eindruck haben, das Böse sei unüberwindlich, können wir dank Gottes erlösender Macht und Intelligenz wissen, das dem nicht so ist.
Für den Heiler von heute ist Jesu energische Abweisung des Versuchers aufschlußreich: „Weg mit dir, Satan!“ Mt 4:10. Damit beendete Jesus in einem sehr wichtigen Augenblick die Einmischung des Teufels. Jesus war im Begriff, seine dreijährige Heiltätigkeit aufzunehmen, die die Welt verändern würde. Der Meister der Metaphysik wies eine für diese Arbeit tödliche Gefahr entschieden zurück.
In Einklang mit Jesu Methode strebt der christlich-wissenschaftliche Metaphysiker danach, mit Christi Hilfe den Teufel — alias die Kundwerdung oder Inkarnation des Bösen — als Lüge zu erkennen. Eine Lüge, die von der Wahrheit zerstört wird, ist nicht in der Lage, ihren unheilvollen Kosmos in unsere Erfahrung hineinzutragen. Wie Jakob feststellte, kann ein böser Einfluß nicht die Gegenwart Gottes verdrängen. Das allgemeine Denken mag sagen, daß wir grauenvolle Dinge sehen und hören, doch der Engel Gottes hilft uns, statt dessen Zeuge für die harmonische Kundwerdung des Lebens zu sein. Auf diese Weise werden wir von der Lüge frei; die Situation bessert sich; wir empfinden Dankbarkeit und fühlen uns unbeschwert.
Wenn launische Gedanken beharrlich dem Guten widersprechen und Zweifel am Guten wecken, wenn sie zum Widerstand gegen das Gute anstacheln, ja sogar versuchen, es zu neutralisieren, ist der christliche Heiler gewarnt. Er hat eine Aufgabe zu erfüllen — für sich selbst und die Welt. Das erste Gebot muß angewandt werden.
Trotz der Geschwindigkeit, mit der die Medien oder andere Quellen schlechte Nachrichten verbreiten, hält der Metaphysiker konsequent an der Allmacht, Allgegenwart und dem All-Wirken des allwissenden Gottes fest, der Liebe ist. Eine solche innere, geistige Stärke zerstört die sterblichen Glaubenssysteme, die unsere Fähigkeit, richtig zu denken und zu handeln, beschneiden möchten.
Durch das Heilen demonstriert der christliche Metaphysiker die biblische Verheißung bezüglich der vergänglichen Natur des Bösen. Im Licht des ersten Gebots wird der Fluch des Bösen aufgehoben. Im Namen Christi ist der Heiler nicht passiv, unterwürfig, entmutigt, furchtsam oder überfordert. Schließlich schaffen das göttliche Leben, die göttliche Wahrheit und Liebe die einzig authentischen Strukturen in unserem Leben, weil der eine Schöpfer, Gott, gut ist.
Alle versklavenden, schmerzhaften, ungerechten oder gewalttätigen Aspekte des menschlichen Lebens können geistig bekämpft werden. Die Christliche Wissenschaft widerlegt die weltliche Überzeugung, daß das Böse und Disharmonie ebenso wirklich, machtvoll und normal sind wie das Gute. Mrs. Eddy bezeichnete solche sterblichen Gedanken als „verhängnisvolle Annahmen“ und weist uns auf folgende zeitlose Wirklichkeit hin: „Wenn wir dahin kommen, daß wir mehr Glauben an die Wahrheit des Seins haben als an den Irrtum, mehr Glauben an Geist als an die Materie, mehr Glauben an Leben als an Sterben, mehr Glauben an Gott als an den Menschen, dann können uns keine materiellen Voraussetzungen daran hindern, die Kranken zu heilen und den Irrtum zu zerstören.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 368.
Der Christliche Wissenschafter, der lernt, sich täglich gegen aggressive mentale Einflüsse zu verteidigen, beschreitet den verheißenen Pfad des Lichts, von dem in der Bibel gesprochen wird. Im Licht der Wahrheit löst sich das Böse in sein Nichts auf; es hat keinen Ort, keine Macht, kein Bildnis noch Gleichnis und ist — wie die grünende Zeder — dahin.
Gott ist unsre Zuversicht und Stärke,
eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.
Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt
unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken,
wenngleich das Meer wütete und wallte
und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.
Der Herr Zebaoth ist mit uns,
der Gott Jakobs ist unser Schutz.
Psalm 46:2–4, 8
