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Der Widerstand gegen den Irrtum

Aus der Dezember 1919-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ich muß oft zurückdenken, mit welcher Begeisterung und welchem Selbstvertrauen ich als junge Schülerin der Christlichen Wissenschaft auf folgende Worte einer älteren Schülerin lauschte und sie mir zu Herzen nahm: „In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß man den Irrtum nicht ignorieren darf, sondern ihm widerstehen muß.“ Das machte sofort Eindruck auf mich. Hier war etwas, was sich der Mühe lohnte, etwas, was von mir selbst Taten forderte, eine Gelegenheit, mein Teil zu tun, in einer Weise zu helfen, die ich zu verstehen glaubte. Eine Art des Irrtums fürchtete ich ganz besonders, und ich war stets vor ihm zurückgeschreckt, da er mir allzu schrecklich vorkam. Jetzt aber, wo diese Aufforderung an mich ergangen war, entschloß ich mich, dem Irrtum gegenüberzutreten und ihm zu widerstehen. Ich machte mich sofort daran, von den Widerstandsmitteln, die mir zu Gebote standen, ein Inventar aufzunehmen, und fand sie sehr zufriedenstellend. Meine Intelligenz, mein Wille und selbst meine Beweggründe schienen mir ein treues Zusammenwirken in Aussicht zu stellen. Ich ärgerte mich wirklich über meine ehemalige Furcht und freute mich jetzt über die Tatsache, daß ich einem gefährlichen Feind Widerstand zu leisten hatte, einem Feind, der wenigstens meiner Anstrengung wert war.

Fortan ignorierte ich diesen Irrtum nicht mehr, sondern war eher stolz auf den heftigen und unermüdlichen Kampf, den ich begonnen hatte, sowie auf die Tatsache, daß ich den Feind im Schach halten konnte. Die Zeit kam jedoch, wo der Kampf den ersten Reiz der Neuheit verlor. Stolz und Selbstzufriedenheit nahmen ab, meine Willenskraft schien schwächer zu werden, und meine Geistestätigkeit hatte scheinbar ein neues Wirkungsfeld nötig. So mußte ich denn die äußerste Anstrengung machen, um in dem Kampf auszuharren. Der Feind schien täglich an Kraft zuzunehmen, schien näher denn je zu sein und neue Eingangstore und Wege in meine Festung zu suchen; ja er hielt mich mit dem mühsamen Werk des Widerstehens so beschäftigt, daß ich wenig Zeit und Lust hatte, irgend etwas anderes zu tun. Meine Bemühungen waren weder von Freude, Friede, Ruhe noch Sieg begleitet, und ich fand mich schließlich beinahe hoffnungslos verängstigt und müde auf dem scheinbaren Kampfplatz.

Nun fragte ich mich: Worin liegt denn nur der Fehler? Ich hatte geglaubt, in der Christlichen Wissenschaft könne mir nichts mißlingen. Ich hatte versucht, recht zu handeln, dem Irrtum nach Kräften zu widerstehen, war aber dadurch scheinbar nur um mein eigenes Glück und meinen Frieden gekommen. Langsam schlug ich Seite 393 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift,“ von Mrs. Eddy, auf und las abermals jene Stelle, die anfangs nur deshalb einen Eindruck auf mich gemacht hatte, weil sie bestätigte, was die ältere Schülerin mir gesagt hatte: „Erhebe dich in der Stärke des Geistes, um allem zu widerstehen, was dem Guten unähnlich ist. Gott hat den Menschen dazu fähig gemacht, und nichts kann die dem Menschen göttlich verliehene Fähigkeit und Kraft aufheben.“

Das öffnete mir die Augen, und ich sah in tiefer Demut ein, daß ich mich nicht „in der Stärke des Geistes“ erhoben hatte, sondern in meiner vermeintlichen eigenen Kraft. Hoffnungsfreudig las ich weiter und sann mit zunehmendem Verständnis über folgende Worte auf derselben Seite nach: „Eine falsche Annahme ist beides, der Versucher, wie der Versuchte, die Sünde, wie der Sünder, die Krankheit, wie deren Ursache. Es ist gut, in Krankheit gelassen zu sein; hoffnungsvoll zu sein ist noch besser; aber zu verstehen, daß Krankheit nicht wirklich ist, und daß Wahrheit deren scheinbare Wirklichkeit zerstören kann, ist das Beste von allem, denn dieses Verständnis ist das allgemeine und vollkommene Heilmittel.“

Jetzt war ich bereit, meinen Widerstand zu prüfen. War ich gelassen geblieben? Nein; mit fieberhafter Ungeduld hatte ich gearbeitet und stets nach einem materiellen Beweis des Sieges ausgeschaut. War ich hoffnungsvoll gewesen? Eigentlich nicht; denn jedesmal, wenn ich sah, daß das Böse nicht abgenommen hatte, war ich zunächst ärgerlich und dann verzagt geworden. Hatte ich die Unwirklichkeit des Bösen verstanden oder mich bemüht, sie zu verstehen? Nein, im Gegenteil, ich hatte mich eingehend mit dessen scheinbarer Wirklichkeit beschäftigt, mit dessen Ansprüchen auf Macht und Gesetz, mit den Anzeichen und Symptomen, mit denen es zu operieren vorgab; ja ich hatte versucht, noch mehr über denselben ausfindig zu machen. Und als letztes fragte ich mich: Hatte ich meine Zuflucht zur Wahrheit genommen, damit sie das scheinbare Böse zerstöre? Ach nein; ich hatte mich auf mich selbst verlassen, auf die Annahme, daß ich ein eigenes Gemüt, eine eigene Willenskraft besäße; ich hatte meinem eigenen Begriff von Vernunft und Widerstandsfähigkeit vertraut.

Nun nahm ich mir aufs neue vor, den Forderungen der Wahrheit gerecht zu werden, den Irrtum nicht zu ignorieren, sondern ihm widerstehen zu lernen. Mit tiefer Demut und mit dankerfülltem Herzen dafür, daß uns Mrs. Eddy so deutlich gezeigt hat, wie wir widerstehen lernen können, ging ich abermals an die Arbeit. Zunächst versuchte ich den Rat zu befolgen, eine ruhige Gemütsverfassung zu erlangen, was mir auch gelang, und auf diese Ruhe folgte sehr bald Hoffnung. Indem ich ruhig und vertrauensvoll vorwärts schaute, jeden Schritt zu seiner Zeit tat und die geringe Kenntnis, die ich mir erworben hatte, dazu benutzte, mich umso fester an Gott anzuklammern, verwandelte sich meine Hoffnung allmählich in ein höheres Verständnis von der Allheit Gottes und von des Menschen ewiger Geborgenheit in der göttlichen Liebe. Meine Freude und meine Dankbarkeit für diese wunderbare Entfaltung der Wahrheit nahm meine Gedanken so sehr in Anspruch, daß ich infolge des aufrichtigen Wunsches, etwas von diesem neuentdeckten Glück zum Ausdruck zu bringen, ganz vergaß, gegen den Irrtum zu kämpfen; und als es mir wieder einfiel, erkannte ich, daß ich die wundervolle Behauptung, die Erkenntnis der Wahrheit sei „das allgemeine und vollkommene Heilmittel,“ vollkommen demonstriert hatte. Nun sah ich mich nicht mehr dem Irrtum gegenüber, sondern dieser schwebte mir nur noch wie eine Erinnerung vor, die meine Schritte aus der Wüste falscher Annahmen heraus begleitete.

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