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Engel beherbergen

Aus der Dezember 1919-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn es wahr ist, was uns Johannes versichert, daß die Menschen jetzt Gottes Kinder sind, dann muß es den Menschen auch möglich sein, diese Tatsache sofort in gewissem Grade zu erkennen und praktisch zu verwerten. Der hervortretende Punkt in dem Ausspruch des Apostels ist der, daß des Menschen göttliche Sohnschaft eine gegenwärtige Tatsache ist, mögen die Sterblichen sie anerkennen und ihre Angelegenheiten danach einrichten oder nicht. Gewiß gibt es einen Weg, auf dem die Menschen schon hier und jetzt bewußterweise in den Besitz des göttlichen Menschentums kommen können. Jesus offenbarte diesen Weg durch seine Lehre und sein Beispiel, und in unseren Tagen lehrt ihn uns die Christliche Wissenschaft klar erkennen.

Die allgemeine Lehre der Theologie, daß die Menschen in Dingen der Moral willensfrei seien, womit gewöhnlich gemeint ist, daß es ihnen freistehe, das Böse zu wählen — diese Lehre muß zugleich dahin ausgelegt werden, daß die Menschen zum mindesten dasselbe Recht haben, sich dem Guten zuzuwenden. Dieser Punkt wird sehr oft übersehen, ja die Geschichte bestätigt die Tatsache, daß letztere Wahl die einzige ist, die die Menschen ohne Gefahr treffen können. Die Lehre von der Willensfreiheit schließt natürlicherweise das Zugeständnis in sich, daß der Mensch nicht gezwungen ist, den falschen Trieben zu folgen; daß Sünde nie eine Notwendigkeit ist; kurzum, daß man selber entscheiden kann, ob man gut oder böse sein will. In Anbetracht dieser Tatsache, die jedermann anerkennt, haben es alle Menschen sehr nötig, „das Gute als Wirklichkeit zu wählen,“ wie Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schüssel zur Heiligen Schrift“ auf Seite 481 so treffend sagt.

Die Theorie, daß es den Menschen freistehe, entweder das Gute oder das Böse zu wählen, läßt ersehen, daß das Böse anfänglich verhütet werden konnte und auch jetzt noch verhütet werden kann, und daß es nur deshalb in der menschlichen fahrung vorkommt, weil es die Sterblichen so wollen. Daher die logische Folgerung, daß all die traurigen Erfahrungen des menschlichen Daseins nie nötig waren, und daß ihre Fortdauer nicht nötig ist, wenn das menschliche Gemüt seinen Entschluß nur umkehren und sein Wohlergehen Gott anvertrauen will. Der Fehler lag offenbar in der Annahme, daß das Böse wirklich sei und daß Gott das moralwidrige Recht verliehen habe, es anzuerkennen und ihm zu gehorchen. Aber selbst der bessere menschliche Sinn erkennt die Vernunftwidrigkeit der Annahme, daß das Gute dem Menschen die Macht verleihe, zu sündigen. Aus Jesu Worten geht klar hervor, daß das Böse, der Teufel, eine Lüge ist, und er, der die Wahrheit kannte, konnte sich nicht ehrlicherweise für das Böse entscheiden.

Wie also klar zu ersehen ist, kann ein Mensch nur in dem Zustand des moralischen Blödsinns absichtlich einen falschen Weg einschlagen, ohne sich bewußt zu sein, daß er nicht das Beste gewählt hat und daß er das Beste wählen könnte, wenn er wollte. Da der Mensch zum Bilde Gottes erschaffen wurde, damit Gott geoffenbart werde, so ist das Gute notwendigerweise die ursprüngliche und wesentliche Wirklichkeit des menschlichen Seins, und das Böse, das die Menschen denken und tun, ist bloß ein Versuch, die ursprüngliche und gegenwärtige Wirklichkeit umzustoßen und umzukehren. Wir erkennen als Christen die Allwissenheit und Allmacht Gottes an, und das bedeutet offenbar, daß das Gute die einzige Macht ist, die denken und handeln kann. Wir müssen daher die unumgängliche Folgerung anerkennen, daß diese Ordnung heute noch besteht. Warum also nicht jederzeit die Erkenntnis dieses göttlichen Bewußtseins und dieser göttlichen Macht willkommen heißen? Und zwar nicht als etwas, was unserem Wesen und unseren Neigungen fremd ist, sondern als etwas, was stets einen Teil derselben bildet.

Wenn also Zorn, Stolz, Groll und andere Eigenschaften des sogenannten fleischlichen Gemüts unsere Gedanken in Anspruch nehmen wollen, um unsere Worte und Taten zu beherrschen, warum dann nicht daran denken, daß wir Kinder Gottes sind? Wenn wir ehrlich sind und den Mut eigener Überzeugung haben, so ist es doch wohl das natürlichste, Gott das Feld zu überlassen, mit anderen Worten, uns dem Schutz der Liebe und des Wohlwollens anzuvertrauen. Selbst wenn der Christliche Wissenschafter sich versucht fühlt, von anderen Böses zu denken oder zu reden oder eine lieblose Tat zu begehen, kann er sich bewußt werden, daß die Engel der göttlichen Gedanken und Regungen vor der Tür stehen und Einlaß und Herberge begehren.

Wer das unendliche Wesen der Gottheit in intelligenter Weise erfaßt, kann nicht umhin, dem Befehl der Bibel zu gehorchen: „Laß' Gott wahr sein“ (n. d. engl. Bibelübersetzung). Er muß somit das Böse als Täuschung erkennen, als das, was kein vernünftiger Mensch anständigerweise glauben kann. Irrtum, der als Irrtum erkannt worden ist, hat bereits seinen Anspruch auf uns verloren, es sei denn, man zieht seine Täuschungen absichtlich vor, in welchem Fall man sich einfach angesichts dessen, was man als wahr erkannt hat, eine Lüge einredet. Demjenigen, der in der Christlichen Wissenschaft den Punkt erreicht, wo er Gott, das göttliche Prinzip, von Angesicht zu Angesicht schaut, gereicht es zur größen Freude, den Glanz dieser Vision sein ganzes Sein erfüllen zu lassen. Wenn unsere Gedanken und unser Leben nicht dieser Herrlichkeit berührt werden, sollten wir dann nicht festzustellen suchen, was unseren Blick trübt? Es ist für alle, die dies angeht, von der größten Wichtigkeit, ob sie Engel oder Teufel beherbergen und ob sie Gedanken, die vom Himmel kommen, oder Gedanken, die aus der Hölle stammen, ins menschliche Bewußtsein hinaussenden.

Die Sterblichen leben in dem Wahn, daß manche Dinge sie unglücklich machen und andere sie mit Groll, Zorn oder Ungeduld erfüllen müßten, während doch das Gute stets gegenwärtig ist, um freudig anerkannt und zum Ausdruck gebracht zu werden, so daß die Sterblichen bloß dieser Tatsache ihr Bewußtsein völlig zu öffnen haben. Mögen auch böse Gedanken emporsteigen und Anerkennung verlangen, der wachsame Christliche Wissenschafter wird die lügenhafte Natur seines Gegners nicht vergessen, sondern wird ihn mit dem heilenden Bewußtsein in die Flucht schlagen, daß der Mensch jetzt das Kind Gottes ist. Der Wille Gottes, der Wille des Guten, kann jetzt „auf Erden wie im Himmel“ geschehen, und in dem Maße, wie die Sterblichen von diesem Standpunkte aus leben, finden sie den Himmel auf Erden.

Der materialistischen Denkart mag das alles zu ideal vorkommen, um fürs tägliche Leben Wert zu haben. Lehrte aber nicht der Meister, daß wir das Böse durch Gutes ersetzen sollen, nicht nur jenseits, sondern jetzt schon? Der Mensch mag allerdings das Bewußtsein der Vollkommenheit nicht mit einem Schritt erreichen; solange aber der erste Schritt nicht getan ist, ist dies die Hauptaufgabe, und schon der erste wirkliche Schritt in der Richtung des Guten klärt den menschlichen Blick in wunderbarer Weise. Wer die Hindernisse, die seinem Fortschritt im Wege stehen, zu beseitigen beginnt, wird wohl die Erfahrung machen, daß das größte unter denselben die krankhafte Neigung ist, die Dinge von der falschen Seite zu sehen. Dies erklärt, warum die Sterblichen zitternd im kalten Schatten verbleiben, anstatt, wie ihnen freisteht, ins warme Sonnenlicht zu treten.

Die Schwierigkeit besteht darin, daß wir nicht in vollem Masse unsere Gotteskindschaft zugeben. Wir sind in unserer Bekräftigung, daß der Mensch geistig ist, nicht immer so wahr als es uns möglich ist, denn sonst würde das Denken von materiellen Umständen weder gut noch böse beeinflußt werden. Sehr oft verbergen Mißmut oder Unzufriedenheit unsere Abgeneigtheit, die Engel der Dankbarkeit und des Wohlwollens zu beherbergen, welche bereitstehen, um in unsere ganze Umgebung Freude auszustrahlen und dadurch sowohl andere wie uns selber zu segnen. Es ist erstaunlich, welches Maß der Geduld und des Frohsinns man unter scheinbar schwierigsten Umständen bekunden kann, wenn Eigenliebe oder Eigenwille aus dem Weg geräumt worden sind.

Gegenüber der Versuchung, dem verletzten Stolz, der Enttäuschung oder irgendeiner anderen beunruhigenden Regung Raum zu geben, ist zuweilen nichts weiter nötig als der Mut, den Irrtum als die Nichtsheit zu behandeln, die er tatsächlich ist, und nur das Ebenbild Gottes als Menschen anzuerkennen. Dann wird „der Sonnenschein der Wahrheit ... die Schatten vergehen lassen,“ wie Mrs. Eddy es so schön ausdrückt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 299), und wir werden die Dinge so sehen, wie sie sind. Die Menschen müssen den Engeln Gottes ihr Bewußtsein öffnen, wofern sie das Himmelreich ins Heim, in die Werkstatt und auf den Marktplatz bringen wollen. Sie müssen erkennen lernen, daß es keinen anderen Himmel gibt noch je geben wird als das Bewußtsein des Guten, und daß der Himmel durch den Sieg über böse Gedanken jeder Art erlangt wird. Alle Menschen, das wissen wir, können in diesen Himmel gelangen, denn Gott ist allgegenwärtig.

„Das Reich Gottes ist inwendig in euch,“ sagt der Meister, „für die Menschheit eine gegenwärtige Möglichkeit,“ erklärt Mrs. Eddy in „Miscellaneous Writings,“ Seite 251. Und sie faßt den ganzen Gegenstand wie folgt zusammen: „Welch ein Erbe! Der Himmel gegenwärtig, in dem die Engel wie Menschen sind, leichter gekleidet, und Menschen wie Engel, die nachdem sie eine Stunde beladen sind, sich zur Freiheit erheben; und das Gute, das sie wollen, tun sie, und das Böse, das sie nicht tun wollen, tun sie nicht.“

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